Nicht mal die Russen mochten Walter Ulbricht Sein Wort ist Gesetz. Sein Wille unerbittlich. Nur sein Wunsch, beliebt zu sein, erfüllt sich nicht: Walter Ulbricht (1893-1973) regiert fast 25 Jahre das Land mit harter Hand. Sein Tod hält nicht mal die eigenen Genossen vom Feiern ab.Es ist seine zweite Chance: Als Walter Ulbricht Ende April 1945 zurück nach Deutschland kommt, hat der Schneidersohn aus Leipzig schon über 30 Jahre Parteiarbeit hinter sich. In der Weimarer Repu-blik steigt der gelernte Tischler zum KPD-Funktionär, sächsischen Landtagsabgeordneten und Reichstagsmitglied auf.
Ab 1933 von den Nazis verfolgt, lernt er 1935 im Moskauer Exil seine zweite Frau Lotte (1903-2002) kennen – und Stalins Machtmethoden: Lottes Ex-Mann wird nach Sibirien verbannt, das neue Traumpaar mit Partei-Auftrag nach Kriegsende ins besetzte Deutschland geschickt.
Ulbrichts perfider Plan für den Neuaufbau: „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ Der Plan geht auf: Noch vor dem Parteitag in Berlin werden in Dresden schon am 7. April 1946 die sächsische SPD und KPD zur SED zwangsvereinigt – kurz darauf fegen „Säuberungswellen“ alte Sozialdemokraten aus der neuen Partei.
Mit der Bodenreform gehen in Sachsen 1212 Güter mit 260 000 Hektar Land in den Besitz von Neubauern über. Doch schon ab 1952 werden sie in LPGs zwangskollektiviert. Im selben Jahr verkündet Ulbricht den „planmäßigen Aufbau des Sozialismus“ in der DDR und die Auflösung der 1945 neu gegründeten Länder. Sachsen gibt es nun nur noch in der Erinnerung, die Ostdeutschen leben jetzt in Bezirken.Doch nach Stalins Tod Anfang 1953 wankt auch Ulbrichts Thron. Schon vorher berichtet der westdeutsche Geheimdienst BND, der SED-Chef sei von unzufriedenen Arbeitern „mit Schraubenschlüsseln, Bierflaschen und anderen Gegenständen beworfen“ worden. Am 17. Juni demonstrieren in Leipzig, Görlitz und anderen sächsischen Städten Zehntausende gegen die Partei. Erst sowjetische Panzer können den Aufstand niederschlagen.
Ulbrichts Reaktion?Ist wie immer doppelbödig: Einerseits weist er Gerichte an, gegen „Klassenfeinde“ Todesstrafen zu verhängen. Andererseits gibt sich der ungeliebte SED-Chef nun als jovialer Familienvater. „Wochenschau“-Filme zeigen ihn jetzt im trauten Heim mit Lotte und Adoptiv-Tochter Beate beim Tischtennis und Hausaufgabenmachen.
Aber das Bild der sozialistischen Vorzeige-Familie hat blinde Flecken! Denn der mächtigste Mann der DDR hat auch zwei leibliche Töchter – mit zwei anderen Frauen. Und es gibt Gerüchte, er habe in den wilden 20ern im Leipziger Rotlicht-Milieu verkehrt. Wer zu laut darüber redet, wandert hinter Gitter.Mit seinem Mix aus Polizeistaat, Planwirtschaft und Personenkult will Ulbricht die junge DDR festigen. Das Gegenteil ist der Fall: Immer mehr Menschen verlassen das Land. Um den Kollaps zu verhindern, lässt der „Baumeister des Sozialismus“ schließlich die Berliner Mauer errichten. Viele, die blieben, fragen bitter: „Ist das schon der Sozialismus – oder wird es noch schlimmer?“
Ulbricht sitzt dennoch fest im Sattel. Bis 1964 in Moskau auch Sowjet-Chef Chruschtschow stürzt. Und die neuen Kreml-Herren mögen den Sachsen nicht. Ulbrichts Prahlerei, er habe Lenin noch persönlich kennengelernt, nervt die Russen.Dass er obendrein nichts trinkt und trotz des jahrelangen Exils die Sprache kaum beherrscht, macht es nicht besser. „Dieses Unvermögen und sein Antialkoholikerkomplex haben viel dazu beigetragen, sein Ansehen in sowjetischen Führungskreisen stark zu mindern“, meldet der Bundesnachrichtendienst nach Bonn.
In Berlin erkennt Kronprinz Honecker schnell seine Chance – und putscht den inzwischen 78-Jährigen 1971 von der SED-Spitze. Als Ulbricht am 1. August 1973 stirbt, trauert nur seine Lotte um ihn. In Ostberlin werden die „Weltfestspiele der Jugend“ weiter gefeiert – im „Walter-Ulbricht-Stadion“, das schon drei Tage vor seinem Tod in „Stadion der Weltjugend“ umbenannt wird.https://www.bild.de/regional/leipzig/le ... .bild.html