
Spätes Frühjahr 1980. Ich war auf der Suche nach Freiheit. Ohne genauer zu wissen, was das bedeuten sollte. Freiheit hieß für mich vor allem, weg vom Vater, von der trinkenden Mutter, von anerzogenen Konventionen, die ich mir nun stückchenweise selbst abtrainierte. Wozu brauche ich einen Kamm? Wieso müssen beide Strümpfe immer die gleiche Farbe haben? Wieso soll man jemandem „Guten Tag“ sagen, wenn man ihm eigentlich das Gegenteil wünscht?
Schon öfter hatte ich Leute getroffen, die die bürgerlichen Verhaltensweisen ablehnten und auch konsequent ohne diese lebten. Dazu gehörte auch freier Sex, obwohl da mehr drüber geredet wurde, als dass er praktiziert wurde. Aber als jemand, der immer noch auf der Suche war, war das natürlich ein wichtiges Thema. Zumal ich mich zwar schon lange zu Jungs hingezogen fühlte und auch schon ein paar entsprechende sexuelle Erfahrungen hatte – gleichzeitig aber noch mehrmals was mit Mädchen bzw. Frauen hatte. Bis hin zur Schwangerschaft meiner damaligen Freundin Birgit, die jedoch mit einer Fehlgeburt endete.
Es dauerte lange, bis ich begriffen habe, dass es selten nur gut oder schlecht gibt. Bei der Erziehung, in der Liebe, und auch in der Beurteilung und im Umgang mit anderen Menschen. Da habe ich bis heute so viele Fehler gemacht, die alleine dieses Weblog füllen könnten.
Damals dachte ich, dass man sich eher unterwegs selbst finden könnte, als im vertrauten Umfeld. Irgendwo hörte ich davon, dass in Westdeutschland gerade was passierte. Westdeutschland hieß die gesamte Bundesrepublik damals, wenn man aus West-Berlin kam, alles zwischen Nordsee und Bayern. Es brauchte einige Tage, bis ich mehr erfahren hatte. In Niedersachsen, an der Grenze zur DDR, sollte ein großes Gelände besetzt worden sein. Dort plante die Bundesregierung eine Wiederaufbereitungsanlage für Atommüll zu bauen, der nächste Ort dort hieß Gorleben. Ich hatte nie zuvor davon gehört, aber es interessierte mich. Nicht nur weil ich schon wusste, dass die Atomenergie gefährlich war. Im Jahr zuvor hatte es in den USA einen großen Atomunfall gegeben, mit einer Kernschmelze.
Viel interessanter fand ich, dass das Leute dort einfach etwas besetzten. Zuvor hatte ich in Kreuzberg schon die Besetzung der alten Feuerwache in der Reichenberger Straße erlebt. Dort hatte eine Bürgerinitiative sich das leerstehende Haus einfach genommen und ein Kiezzentrum eingerichtet. Jeden Tag war da was los. In der oberen Etage konnten Jugendliche schlafen, wenn sie keine Bleibe hatten. Alles wurde zusammen entschieden, auch, dass man das Angebot des Bezirksamtes zu Verhandlungen annehmen sollte. Das Treffen im Rathaus Kreuzberg wurde zum Fiasko: Um Stärke zu zeigen, zogen die meisten gemeinsam zum Rathaus. Zur gleichen Zeit aber ließ der Bürgermeister Polizei und Bagger auffahren und die Feuerwache wurde abgerissen. Wie kann man einem jungen Menschen besser klarmachen, dass man bei Verhandlungen dem Staat nicht trauen darf?
Per Anhalter machte ich mich auf den Weg nach Gorleben und traf auch bald auf ein Pärchen, dass genau dort hinwollte.
Wie es weitergeht erfährt man hier:
https://www.berlinstreet.de/16162







