SPIEGEL - Geschichte
Szeneviertel vor der Wende
Als der Prenzlauer Berg noch wild war
Heute gilt der Prenzlauer Berg als das Spießerviertel Deutschlands. Dabei ist es noch nicht lange her, dass
hier Künstler, Punks und Oppositionelle Wohnungen besetzten, laute Partys feierten - und ganz nebenbei
die friedliche Revolution vorbereiteten.
Unter allen deutschen Stadtvierteln wird über Prenzlauer Berg in Berlin wohl am meisten gelästert. Hier
sei die Heimat des "Bionade-Biedermeier"-Milieus und der schwäbischen Bio-Eis-Lutscher, hier sitzen sie mit
zu viel Zimt auf zu viel Milchschaum, hier leben die neuen Spießer in Gated Communitys und überteuerten
Penthouses als Speerspitze der Gentrifizierung.
Armer Prenzlauer Berg! Das war doch mal ganz anders
Nach dem Mauerfall war die Veränderung in der Mitte Berlins besonders rasant. Die anhaltende Häme trifft
ausgerechnet jenes ehemalige Ost-Viertel, das eine besondere Rolle beim Sturz einer Diktatur in Deutschland
spielte.
Prenzlauer Berg war in den Achtzigerjahren Rückzugsgebiet der Ost-Punks und -Freaks, ein Schutzraum der
künstlerischen und literarischen Boheme mit bärtigen jungen Männern in Parkas, Jeans und Jesuslatschen und
Frauen mit selbstgefärbten Stoffwindeln um den Hals geschlungen.
Adresse von Thalbach, Foley und Jordan
Orte wie das Kaffee Burger, das Fengler, Mosaik oder Café Nord waren beliebte Treffpunkte der Szene. Thomas
Brasch, Katharina Thalbach und die Malerin Conny Schleime lebten ganz in der Nähe, Nina Hagen zog in eine
Ladenwohnung in der Kastanienallee, Musiker der Punk-Band Feeling B, die später zur Gruppe Rammstein
wechselten, spielten bei Hinterhoffesten.
Der Kern der politischen Opposition war hier ebenfalls zu Hause. In der Fehrbelliner Straße wohnte die Bürger-
rechtlerin Bärbel Bohlen, ein paar Häuser weiter war eine bekannte WG politischer Aktivisten um Tom Sello,
Wolfgang Rüddenklau und Carlo Jordan. Die Wohnung von Gerd und Ulrike Poppe, gleich um die Ecke, war ein
beliebter Treffpunkt für Leute aus der alternativen Szene Ost- und West-Berlins. In der Oderberger Straße wohnte
Freya Klier, und am Zionskirchplatz entstand 1986 die Umweltbibliothek.
Es gab literarische Untergrundsalons, wie den von Wilfriede und Ekkehard Maaß um Dichter wie Peter Wawerzinek,
Uwe Kolbe oder Klaus Schlesinger.
...hier kann man weiterlesen:
https://www.spiegel.de/geschichte/bilds ... 03354.html
W. T.