DER SPIEGEL 6/1990 vom 5. Februar 1990
"Einheit in diesem Jahr"
Michael Gorbatschow sieht die deutsche Einheit "auf der Tagesordnung", Hans Modrow beschreibt den Weg
dorthin - die Deutschen vor dem Ziel? In Bonn wird eine gesamtdeutsche Verfassung entworfen, eine Verschiebung
der Bundestagswahl erwogen. Nationaler Überschwang oder realistische Vorausschau?
Deutschland ist nicht weniger ewig und nicht weniger unteilbar als Frankreich.
Wann immer Parteifreunde bei Helmut Kohl mal antippten, ob er seine Stunde als erster Reichskanzler komme sehe,
verbat sich der Bonner Regierungschef derlei Frivolitäten mit nachdrücklichem Ernst. Er denke nicht im Traum daran,
dass es ihm vergönnt sein könne, als Kanzler wieder alle Deutschen zu einen; so gut meine es die Geschichte wohl
nicht mit ihm. Er sei bald 60 Jahre alt; es werde leicht noch bis zu zehn Jahre dauern, ehe sich "die Systeme" in der
DDR und der Bundesrepublik so weit angeglichen hätten, dass die staatliche Einheit möglich werde.
Die Zeiten sind vorbei. Jetzt träumt Kohl nicht mehr davon; jetzt redet der Kanzler sogar darüber, dass sich sein
sehnlichster Wunsch erfüllen, ihm die Geschichte den Rang eines Kanzlers der Einheit zuweisen könnte. Kohl stellt
sich darauf ein, dass die Wiedervereinigung sehr viel schneller kommen kann - vielleicht schon binnen Jahresfrist.
....und hier geht es weiter:
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W. T.