Die Alliierten, wahre Freundschaft oder?

Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon Volker Zottmann » 21. Mai 2012, 14:31

Seit wir in der Quedlinburger Süderstadt wohnten, erlebten wir bis zu meinem Wegzug 1973 mehrmals jährlich die Truppenverlegungen und Panzerdurchfahrten von der sowjetischen Garnison in Quarmbeck zum Güterbahnhof oder auch umgekehrt. Diese Aktionen kündigten sich immer bereits ein bis zwei Tage vorher an.

Die Russen besetzten dafür jede Straßenkrümmung, jede Einmündung und jede Kreuzung mit mindestens einem Wachposten. Die bedauernswerten Soldaten wurden bereits Tage vor jeder Durchfahrt abgesetzt. Die standen bei Wind und Wetter mit ihren Fähnchen auch an unserer Kreuzung, in unmittelbarer Nachbarschaft zu unserem Haus. Abgeholt wurden die erst wieder nach der jeweiligen Durchfahrt. Das ging mit deren letztem Wagen wesentlich schneller.



Wir Kinder umlagerten die Soldaten regelmäßig und versuchten uns verständlich zu machen. Hin und wieder verschenkte auch mal ein Russe ein altes Abzeichen an den am lautesten Bettelnden. Versorgt waren die Posten, so wie ich das mitbekam, mit ihrer Feldflasche und etwas Kommissbrot aus ihrem schäbigen Marschgepäck.

Auch wir waren für die jungen Soldaten sicher eine willkommene Abwechselung. Doch sobald es nieselte oder Regen fiel, verschwanden wir in unseren Wohnungen. Sie aber mussten weiter Wache schieben, sinnlos dem Wetter ausgesetzt. Schlimm empfand ich damals, abends schon im warmen Bett liegend, die Vorstellung, wie es gerade jetzt den ausharrenden Soldaten geht …

Darüber habe ich mich oft mit meinem Vater unterhalten, und den Vergleichen mit seiner erlebten Kriegszeit gelauscht. Er fand das auch fürchterlich, nachts im Freien zu vegetieren. Und jetzt?

Nach dem verlorenen 2. Weltkrieg müssen die Soldaten der Siegermächte als “Belohnung” frierend und übermüdet Wache schieben. “Gut doch, dass wir den letzten Krieg verloren haben” sagte er, “wir würden wohl sonst selbst als Sieger irgendwo hinter dem Ural Wache stehen. Nur gut so, wie es kam …”
In Bezug auf meine eigene noch kommende Militärzeit waren das die gescheitesten Gespräche. Rückblickend war das allerbeste pazifistische Erziehung.
Volker Zottmann
 

Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon Volker Zottmann » 21. Mai 2012, 14:40

Während meines ersten Rätssee-Urlaubs, also 1966, stand eines Tages ein demolierter Panzer T 34 am Waldesrand neben einem riesigen Findling nahe der Diemitzer Schleuse. Wir turnten alsbald unbefangen auf dem Panzer herum. Auf einem Mal tat sich im Inneren etwas. Wir sprangen sofort runter. Die Turmluke öffnete sich und ein blutig verkrusteter Kopf sah zu uns herunter. Der arme Soldat war gegen diesen Findling gefahren und hatte die rechte Antriebswelle weggerissen. Er hat sich dabei im Panzerinneren den Kopf aufgeschlagen. Dieser war nun mit einer Blut durchtränkten Binde umwickelt.

Unser aller Glück war, dass Christel in eine Rathener Spezialklasse ging und schon sehr zeitig Russisch lernte. Sie fungierte nun als perfekte Dolmetscherin.

Der Soldat war Boris N., 21 Jahre alt und aus Jaroslawl stammend, einer Großstadt mit Unesco Weltkulturerbe an der Wolga, etwa 240 km nordöstlich von Moskau gelegen.

Boris wurde als Panzerkommandant befohlen, nun nach dem Unfall allein den Panzer zu bewachen. Seine anderen teils verletzten Kameraden wurden in ihre Kaserne gefahren. Fast täglich kam eine andere Patrouille vorbeigeschaut, besah sich den Panzerschrott, brachte aber keinerlei Verpflegung mit. Boris wurde auch nicht ärztlich versorgt. Wir sahen seine trockenen rissigen Lippen und merkten, dass er ausgehungert, ja ausgemergelt war, leicht müffelte. Er stand schon einige Tage dort im Wald. Mittlerweile auch ohne jedes Getränk! Wir machten ihm klar, umgehend wieder zu kommen.

Am Zelt wurden dann schnellstens große Weißbrotschnitten dick mit Butter bestrichen. Dazu gab es von unserem Mittagessen, ein Schweineschnitzel, sowie ein großes Stück Bratwurst. Mit reichlich Essen und Getränken ging es wieder zurück. Boris lief augenscheinlich das Wasser im Mund zusammen aber er weigerte sich zuerst beharrlich, etwas anzunehmen. Er hatte offensichtlich große Angst. Wer weiß schon, was ihm im Politunterricht über die Deutschen für Gruselgeschichten erzählt wurden. Mein Vater gestikulierte ihm nun, und das brauchte Christel weiß Gott nicht übersetzen: “Ich Hitler! Alles vergiftet!” Er deutete ihm dabei einen Vogel und biss dann ins Essen, um zu zeigen, dass alles genießbar ist. Das kapierte Boris sofort und verschlang nun in voller Dankbarkeit alles Mitgebrachte.

Nachdem er Vertrauen fasste berichtete er uns, dass er nur noch 3 Monate zu dienen hatte und gestikulierte mit einer waagerechten Handbewegung am Hals, bis wohin es ihm stand, wie ihn seine Armeezeit anstank! Er wäre lieber hier verhungert, als seinen Panzer zu verlassen. Denn hätte eine Streife den Panzer verlassen vorgefunden, wäre er im günstigsten Fall “nur” für einige Jahre nach Sibirien in einen Gulag gekommen. Fahnenflüchtige Sowjetsoldaten wurden aber meist sofort, wie bei einer Hasenjagd erschossen. So ist es trauriger Weise auch drei Soldaten bei Benzingerode und einem in der Quedlinburger Feldflur ergangen.Das blieb Boris nun erspart. Wir tauschten glücklicher Weise rechtzeitig unsere Heimatadressen. Nach kurzer Rücksprache brachte der Schleusenwärter auch noch ein paar mal Suppe vorbei und wir weiteres Essen. Bis wir dann ohne jedes vorherige Anzeichen die Stelle geräumt vorfanden.

Mit Boris entstand daraufhin ein reger Briefwechsel, den ich noch heute, fast 45 Jahre später pflege. Mittlerweile sind wir beide im Ruhestand. Und beide hat uns, den Russen und den Deutschen, die sinnlose Militärzeit angekotzt. Auch das verbindet. Das war und ist für mich im Kleinen gelebte Freundschaft.

Dazu brauchte ich keine verordnete DSF! (Deutsch-Sowjetische-Freundschaft)

Bei einer Freundschaft ist es scheißegal, ob der Freund ein Russe, Jude oder Indianer ist. Da hat kein Staat reinzureden und Freundschaft kann erst recht nicht staatlich verordnet werden, wie zu DDR-Zeiten, erstmals während meiner Lehre.
Volker Zottmann
 

Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon SkinnyTrucky » 22. Mai 2012, 09:47

Volker, willkommen im Forum, deine Geschichten sind eine Bereicherung für dieses Forum....deine Webseite hab ich auch schon besucht....

Schöne Grüsse

Mara
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Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon karnak » 22. Mai 2012, 13:51

Volker Zottmann!
Entschuldigung,habe ich durcheinandergebracht,mit Deiner alten Waffengattung.Aber da kann man doch mal sehen wie tief so ein alter Vorurteilsstachel stecken kann.Bei dem bisschen was ich von Dir weiss,da konntest Du nur eine Spatensoldat sein.Also habe ich das auch so gelesen obwohl es da garnicht stand.
Hatte mich irgendie auch schon gewundert,daß Ihr zu einem Freundschaftsbesuch zu den Freunden gefahren seit.Wollte schon nachfragen,ist mit dann aber aus dem Sinn gekommen.Aber es hat sich ja alles aufgeklärt.Also nichts für ungut.
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Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon Volker Zottmann » 22. Mai 2012, 15:53

Bausoldaten und Baupioniere wurden IMMER schon durch einander gebracht. Wir wurden auch zu DDR-Zeiten im Zug bei Urlaubshin- oder Rückfahrten von unqualifizierten Offizieren angepöbelt, als Schande der Arbeiterklasse.
Aber: Leider wusste ich damals 1969 noch nicht, dass auch ich hätte verweigern können, schade! Ich hätte es sofort getan. Wäre dann 1970/71 wohl auch in Prora gelandet. Dachte damals, es sei ein Privileg der christlichen Jugend...
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Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon rafimo » 22. Mai 2012, 16:16

Volker Zottmann hat geschrieben:Bausoldaten und Baupioniere wurden IMMER schon durch einander gebracht. Wir wurden auch zu DDR-Zeiten im Zug bei Urlaubshin- oder Rückfahrten von unqualifizierten Offizieren angepöbelt, als Schande der Arbeiterklasse.
Aber: Leider wusste ich damals 1969 noch nicht, dass auch ich hätte verweigern können, schade! Ich hätte es sofort getan. Wäre dann 1970/71 wohl auch in Prora gelandet. Dachte damals, es sei ein Privileg der christlichen Jugend...


so wurdet ihr von anderen soladten betitelt??
rafimo
 

Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon Affi976 » 22. Mai 2012, 17:00

P1000685.JPG


Hier kann man auch mal lesen, bevor man sich die Finger wund schreibt.
Geht auch zu bestellen, kost nix!!!
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Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon rafimo » 22. Mai 2012, 17:59

also...mal ganz im ernst.....ich kann zwar kein russisch aber die bilderfolge dort zeigt und erklärt doch wohl die einfachsten grundbegriffe der körperlichen hygiene....und das hing da bis 1990 noch, ales es wurde als notwendig erachtet sowas den soldaten zu erklären? ich will ja nun wirklich niemandnen beleidigen aber...kamen die aus dem urwald oder was? welche hygienestandarts galten denn offensichtlich dort wo die her kamen?

also das ich für mich komplett unverständlich, dass man noch bis 1990 den leuten die grundbegriffe der körperlichen hygiene erklären musste.
rafimo
 

Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon Ganzunten » 22. Mai 2012, 18:39

Grüß Dich erst mal Volker Zottmann,
leider bin ich noch nicht dazu gekommen deine Seite zu besuchen.
Zu den Russen bei Benzingerode ist mir nichts bekannt obwohl ich aus Wernigerode stamme. Was aber nichts zu sagen hat, weil wir füher auch nicht alles erfahren haben. Wann war das und in welchen Zusammenhang?
Ganzunten
 

Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon Volker Zottmann » 22. Mai 2012, 22:11

Hallo Bergmensch,
das habe ich auch dem Internet entnommen, war irgendwann in den 60er Jahren. Überall Straßensperren und dann die "Hasenjagd" auf 3 Fahnenflüchtige.
Ebenso in der Quedlinburger Feldflur. Dort wurde ein armer Kerl erschossen...

Hallo rafimo,
Soldaten haben uns nicht vollgenölt, das waren 2 Offiziere zwischen Torgau und Leipzig. Die waren aber so blöd, uns trotz fehlender Goldspaten auf den Schulterstücken für Bausoldaten zu halten. Eine Frechheit war es aber allemal, denn Bausoldaten sind ebenso normale Menschen wie alle anderen gewesen.
Volker Zottmann
 

Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon EK 78/1 » 23. Mai 2012, 07:10

Wir hatten von der Ausbildung (Eisenach)aus mal eine "Russenkaserne" besucht.Wir alle Nagelneue Watte Uniformen
an,alles auf Hochglanz also.Dann bei den Russen.Es müssen die Klamotten noch aus dem Krieg gewesen sein.
Ein Schlafsaal so ca.80 Mann,ein Nest neben den anderen,am Flurende so was ähnliches wie eine UVD Bude,welcher auch Nachts
hier wachte.Mensch da hatten wir ja ein Interhotel.
Aber nochmal auf ungeliebte Freunde zu kommen.DDR zeiten und Eishockey WM,Russen-CSSR für wen wohl hat der DDR Bürger gebrüllt?
Obwohl die Russen waren meist Überlegen.
EK 78/1
 

Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon SkinnyTrucky » 23. Mai 2012, 10:46

Affi976 hat geschrieben:Hier kann man auch mal lesen, bevor man sich die Finger wund schreibt.
Geht auch zu bestellen, kost nix!!!
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Achim, deine Tipps werden immer besser....

....@ All, lasst das schreiben eigener Erfahrungen hier und geht bitte in eine Bücherei....der Achim zeigt schon die Bücher auf, so das wir uns garnicht mehr einbringen müssen in's Forum....

@ Achim, ich hab nichts gegen Bücher, lese selber jede freie Minute, deshalb danke für den Tipp....aber ob sich jemand die Finger wund schreiben will hier im Forum, sollte dann doch schon eher demjenigen seine Sache sein, findest du nicht....

groetjes uit Deventer

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Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon SkinnyTrucky » 23. Mai 2012, 10:49

Hey Uwe, schöne Fotos....und ja, ich kenne diese Toiletten....in Frankreich und Italien findet man sie noch oft....

....und sach ma, du als echter Bulle stehst doch über den Hobbyisten, oder....sie werden doch sicher Verständnis gehabt haben für dein Geschichtsinteresse....

jij ook de groeten uit Deventer

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Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon Luchs » 23. Mai 2012, 16:25

ABV hat geschrieben:...
Und ein verdammt neugieriger dazu.
...


Neugierde ist die Grundlage alles Wissens.
Viele Grüße [hallo]
Micha
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Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon Affi976 » 23. Mai 2012, 16:26

SkinnyTrucky hat geschrieben:
Affi976 hat geschrieben:Hier kann man auch mal lesen, bevor man sich die Finger wund schreibt.
Geht auch zu bestellen, kost nix!!!
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Achim, deine Tipps werden immer besser....

....@ All, lasst das schreiben eigener Erfahrungen hier und geht bitte in eine Bücherei....der Achim zeigt schon die Bücher auf, so das wir uns garnicht mehr einbringen müssen in's Forum....

@ Achim, ich hab nichts gegen Bücher, lese selber jede freie Minute, deshalb danke für den Tipp....aber ob sich jemand die Finger wund schreiben will hier im Forum, sollte dann doch schon eher demjenigen seine Sache sein, findest du nicht....

groetjes uit Deventer

Mara



Saaach mal @Mara,
war Dein Frühstücksei heute morgen schlecht oder hast Du Dir nen Kratzer in den Reifen gefahren....??
Im Gegensatz zu Dir lese ich nicht nur die Bücher, sondern empfehle sie auch noch unseren Usern.
Da es sich hier um ein Thema dreht, dass nur eine Hand voll User interessiert und die von mir empfohlene Broschüre 71 Seiten zählt, ist es wohl mehr Recht als Billig, darauf hin zuweisen, ehe man sich die Finger wund schreibt, kann sich der interessierte User diese Broschüre, gegen NIX bestellen.
Vielleicht verlegst Du mal Deinen Zickenkrieg woanders hin, raus aus dem Forum und am besten gaaaanz weit weg von mir.
Meine Empfehlung: Schlepptop ausmachen, zurücklehnen und morgen den Tag mit einem frischen Frühstücksei von glücklichen Hühnenrn beginnen.
Überlegs Dir mal, wen Du hier angegriffen hast.
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Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon Volker Zottmann » 24. Mai 2012, 11:40

Besuch aus Kanada und die Freunde

Als gebürtiger Quedlinburger kam im Sommer 1972, nun schon 28-jährig und inzwischen 5 Jahre mit Sharon verheiratet, Karlo aus Calgary, Kanada. Wir sahen uns nun nach 17 langen Jahren erstmals wieder.
Die Beiden hatten eine strenge argwöhnische Grenzkontrolle in Marienborn hinter sich.
Nach all der für sie ungewohnten Aufregung, der psychischen Belastung durch ihre Grenzüberquerung mit scharfer penibler DDR-Einreisekontrolle, mit Spiegelkontrolle unter dem von seinem Cousin Erhard geborgten “Renault R 4”, und einigen um sie schleichenden, scharfen schnüffelnden Hunden, hofften sie jetzt auf eine ruhige friedvolle Nacht …
Doch weit gefehlt, schon in ihrer ersten DDR-Nacht wurden sie jäh aus dem Schlaf gerissen!
“Die Russen kommen! Panzer-Panzer-Panzer!” – und das alles nachts halb zwei!
Die beiden Kanadier hatten noch nie einen echten uniformierten Russen, geschweige denn einen Panzer T34 gesehen. Das konnten sie nun erstmals im Leben, sogar aus der ersten Reihe, direkt aus unserem Wohnzimmerfenster, einem Logenplatz! In dem Punkt hatte ich ihnen was voraus! Dann das ewige, bedrohliche Rattern der Panzerketten, in der sonst absolut stillen Sommernacht, über das holprige Kopfsteinpflaster.
Beide waren kreidebleich und einem Infarkt nahe! Sie glaubten, der 3. Weltkrieg hätte soeben begonnen und sie stünden nun auf der falschen Seite.
Für uns aber war es “normaler” Quedlinburger Alltag. Sie jedoch konnten nicht wissen, dass die Panzer nach jeder Übung vom Güterbahnhof nach Quarmbeck fuhren und eben dann immer rücksichtslos durch die bewohnte Süderstadt, über den Husarenstieg und die Erwin-Baur-Straße, egal ob die Bewohner aus den Betten fallen oder nicht …
Volker Zottmann
 

Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon augenzeuge » 24. Mai 2012, 16:32

Wahnsinnige Story. Aber es stimmt, an solche "Überführungen" kann ich mich auch erinnern. Nur dass sie die F 100 in Halle kaputt machten.....
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Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon Edelknabe » 24. Mai 2012, 18:36

Mir fällt zum Thema so die schöne Frage ein: "Hatten die Panzer der Amis, Franzosen und Engländer" im alten Westdeutschland eventuell Schutz-Gummis auf ihren Kettenantrieben, wenn die so über Land und sich durch die Ortschaften walzten?".

Eh Leute bleibt auf dem Boden, nicht nur die "Russen" in der DDR bewegten ihre schwere Technik von der Kaserne zum Truppenübungsplatz. Wenn das so ein Schüler liest, der muss doch sonstwas denken, im Westen wurde wohl dann alles an den Hubschrauber gehängt oder in die Trans-all geschoben damit Kleinbauer Gustav Lindemann und sein Besuch aus der DDR in Ruhe schlafen konnten.

Rainer-Maria ha ha ha köstlich...an den Hubschrauber gehängt...
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Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon Luchs » 24. Mai 2012, 18:55

Edelknabe hat geschrieben:Mir fällt zum Thema so die schöne Frage ein: "Hatten die Panzer der Amis, Franzosen und Engländer" im alten Westdeutschland eventuell Schutz-Gummis auf ihren Kettenantrieben, wenn die so über Land und sich durch die Ortschaften walzten?".

Eh Leute bleibt auf dem Boden, nicht nur die "Russen" in der DDR bewegten ihre schwere Technik von der Kaserne zum Truppenübungsplatz. Wenn das so ein Schüler liest, der muss doch sonstwas denken, im Westen wurde wohl dann alles an den Hubschrauber gehängt oder in die Trans-all geschoben damit Kleinbauer Gustav Lindemann und sein Besuch aus der DDR in Ruhe schlafen konnten.

Rainer-Maria ha ha ha köstlich...an den Hubschrauber gehängt...


Ja klar gab es diese Schutzgummis ( [flash] ). Sonst wären ja die Straßen in schöner Regelmäßigkeit zur Erneuerung auszuschreiben gewesen.
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Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon Edelknabe » 24. Mai 2012, 19:03

Jetzt bin ich aber platt Micha, dieser Westen nein aber auch, das Gras war doch grüner, ich glaube es langsam wirklich. Aber mal im Ernst...gute Sache das mit den Gummis.

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Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon rafimo » 24. Mai 2012, 19:10

Edelknabe hat geschrieben:Jetzt bin ich aber platt Micha, dieser Westen nein aber auch, das Gras war doch grüner, ich glaube es langsam wirklich. Aber mal im Ernst...gute Sache das mit den Gummis.

Rainer-Maria


wusstest du das nicht mit den schutzgummies an den panzerketten? sicher gabs das, ohne die durfte ausserhalb der ausgewiesenen übungsgelände kein einziger panzer über öffentliche strassen fahren. für größere strecken wurden panzer auch auf tiefladern transportiert.

in der brd hatte nieman bock, sich die teuren strassen ruinieren zu lassen von den panzern.
rafimo
 

Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon augenzeuge » 24. Mai 2012, 21:21

Edelknabe hat geschrieben: Aber mal im Ernst...gute Sache das mit den Gummis.
Rainer-Maria


Den Spruch kenne ich aus irgend einem anderen Zusammenhang....aber ich komm jetzt nicht drauf.... [denken]
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Re: Die ungeliebten Freunde

Beitragvon rafimo » 24. Mai 2012, 21:27

augenzeuge hat geschrieben:
Edelknabe hat geschrieben: Aber mal im Ernst...gute Sache das mit den Gummis.
Rainer-Maria


Den Spruch kenne ich aus irgend einem anderen Zusammenhang....aber ich komm jetzt nicht drauf.... [denken]
AZ


ist vlt schon nen paar jahre her bei dir....
ich sag immer, früher wo wir jung waren wollten wir treu sein, hat nicht geklappt, heute wo wir was älter sind wollen wir mal fremdgehen.....klappt auch nicht
rafimo
 

Die Russen als Besatzer und die Deutschen als Besetzte

Beitragvon Interessierter » 26. Juli 2012, 17:16

Die Macht der SED in der DDR bestand, solange sie von den Bajonetten der Roten Armee garantiert wurde. Diese simpel klingende Aussage stützt sich nicht allein auf jene Momente ihrer knapp 50 Jahre dauernden Präsenz im Osten Deutschlands, in denen sie für jeden sichtbar die Machtverhältnisse klarstellte: seien dies die Jahre der direkten militärischen Verwaltung bis 1949, sei es der 17. Juni 1953, ihr demonstrativer Aufmarsch im Rücken von Volksarmee, Grenzpolizei und Kampfgruppen am 13. August 1961 oder die Okkupation der ČSSR am 21. August 1968. Sie bestätigt sich auch ex negativo aus der Zurückhaltung der Truppen im Herbst 1989.

Die Lebensbedingungen sowjetischer Rekruten zwischen spartanischen Unterbringungsmodi, knapper Verpfle­gung, atemlosem Drill durch die Vorgesetzten und Kujonierung durch die dienstälteren Leidensgenossen ("Dedowschtschina") erklären schlüssig verzweifelte Fluchtversuche. Die Gnadenlosigkeit des sowjetischen Soldatenalltags spiegelt sich in der erschütternden Feststellung, dass vor allem "im Zusammenhang mit den jährlichen Frühjahrs- und Herbstmanövern […] es sich bei einheimischen Tischlerfirmen bewährt [hatte], Dutzende davon [Holzsärge] im Voraus anzufertigen. Erfahrungsgemäß wurden sie immer benötigt."

In der Beschreibung der Kapitulation der "zuständigen Organe" der DDR bei der Verfolgung von durch die GSSD begangenen Straftaten trotz anders lautender vertraglicher Regelungen offenbaren sich die tatsächlichen Machtverhältnisse und die faktische Nichtsouveränität der DDR. Die Besatzungstruppen operierten jenseits des Rechtsraumes der DDR. Hier stand selbst das Ministerium für Staatssicherheit an seinen Grenzen. Ob und inwieweit die GSSD von ihr zu verantwortende Delikte den sowjetischen Gesetzen folgend ahndete, oblag ihrer nicht zu kommentierenden, nicht überprüfbaren und zumeist nicht einmal mitgeteilten Entscheidung. Der DDR blieb nichts weiter übrig, als ihre geschädigten Bürger durch die staatliche Versicherung entschädigen zu lassen – ein indirektes Eingeständnis der Willkür vieler sowjetischer Entscheidungen.

Die illegale Beschäftigung von Familienangehörigen der GSSD-Soldaten unterlief geltende Bestimmungen ebenso wie die Leiharbeit von Rekruten in permanent arbeitskraftklammen DDR-Betrieben. Jenseits der ungleichen Machtverteilung zwischen GSSD und DDR erwiesen sich die handelnden Individuen als gleichartig in der praktischen Handhabung des alltäglichen Irrsinns realsozialistischer Mangelwirtschaft.

http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... -62/06223/
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Re: Die Russen als Besatzer und die Deutschen als Besetzte

Beitragvon Affi976 » 26. Juli 2012, 20:45

P1000685 (480x640).jpg


Sehr zu empfehlen!
Handelt zwar in Thüringen, ist aber sehr gut recherchiert.
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Re: Die Russen als Besatzer und die Deutschen als Besetzte

Beitragvon manudave » 27. Juli 2012, 09:48

Kann ich dir beim nächsten Treffen gern mal ausleihen, Interessierter [hallo]
Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!
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Re: Die Russen als Besatzer und die Deutschen als Besetzte

Beitragvon Interessierter » 27. Juli 2012, 12:02

manudave, das wäre sehr nett, danke im voraus.

Gruß
" Der Interessierte "
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Re: Die Russen als Besatzer und die Deutschen als Besetzte

Beitragvon Edelknabe » 29. Juli 2012, 11:40

Auch so ein Endlosthema siehe der Anfangs eingesetzte Link von Interessierter:

Die Lebensbedingungen sowjetischer Rekruten zwischen spartanischen Unterbringungsmodi, knapper Verpfle­gung, atemlosem Drill durch die Vorgesetzten und Kujonierung durch die dienstälteren Leidensgenossen ("Dedowschtschina") erklären schlüssig verzweifelte Fluchtversuche. Die Gnadenlosigkeit des sowjetischen Soldatenalltags spiegelt sich in der erschütternden Feststellung, dass vor allem "im Zusammenhang mit den jährlichen Frühjahrs- und Herbstmanövern […] es sich bei einheimischen Tischlerfirmen bewährt [hatte], Dutzende davon [Holzsärge] im Voraus anzufertigen. Erfahrungsgemäß wurden sie immer benötigt."
Linkende.

Hat überhaupt schonmal Einer daran gedacht, das dieser Vielvölkerstaat an Menschenkindern halt ganz spartanisch leben konnte und nicht wie der Deutsche Normalpopel das verwöhnte Menschenkind weißes Kloopapier bis maximal Vierlagig für seinen zarten Hintern benötigte(war nur mal ein wunderschön treffendes Beispiel). "Knappe Verpflegung", ich mags schon garnicht mehr lesen denn ich ging stets wie Genuddelt und vollgefressen in den 70/80 Jahren aus deren Kasernen der GSSD rund um Leipzig wenn sie uns Handwerker mal zum Mittagessen eingeladen hatten und "Atemlos herumhetzen" habe ich da auch selten einen Soldaten gesehen außer wenn sie die Schutzausrüstung, den Gummimann analog der NVA zur Zeitnahme überziehen mussten.

Rainer-Maria es langweilt langsam Interessierter mit deinen Beiträgen der Verächtlichmachung der alten Zeiten. Zum guten Nachvollziehen der damaligen Bedingungen eines einfachen Sowjetsoldaten in der GSSD in der DDR empfehle ich dir unbedingt eine Zeitmaschine. Du also als junger Kerl von sagen wir 19 Jahren aber auch 24 volle lange Monate weg vom schönen Zuhause in einem fremden Land mit maximal 14 Tage Heimaturlaub (wenn überhaupt).

Unter Garantie mein älterer Freund, du wärst der Erste gewesen ...na gut, sagen wir der 24 ziegste, der sich spätestens nach 6 Monaten erschossen hätte...vor lauter Heimweh nach der Mama, der Freundin, der Frau, den eigenen Kindern.

Woher ich das weiß, mit den sechs Monaten...wirst du jetzt fragen? Na klar, ich hätte es ja fast selber gemacht, "nach nur 12-16 Wochen Nichtgewährung von zustehendem Urlaub bei der DDR-Grenztruppe". Und da war ich kein Einzelfall in der NVA.

Das mit den DDR-Tischlern und den Särgen ist doch ein Märchen...denke ich mal, oder gibts da richtige handfeste zählbare Beweise?
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Re: Die Russen als Besatzer und die Deutschen als Besetzte

Beitragvon Interessierter » 29. Juli 2012, 12:29

Welch schöne Geschichte mein " jüngerer Geschichtenerzähler ". Nichts gegen Deine persönlichen Erlebnisse, aber für eine grundsätzliche Beurteilung der Situation der sowjetischen Soldaten sind mir dann, solche Studien, wie in dem eingestellten Link schon aussagekräftiger.

Ausserdem deckt es sich mit den Aussagen eines Potsdamer Freundes, der mir schon 1990 berichtete, wie rüde mit den sowjetischen Soldaten umgegangen wurde.

Rainer-Maria es langweilt langsam Interessierter mit deinen Beiträgen der Verächtlichmachung der alten Zeiten.


Da mir diese Soldaten viel eher leidtun können, erspare Dir einfach solche Unterstellungen.

Vielleicht kannst Du mich ja mit einer anderslautende Studie vom Gegenteil überzeugen ?

Schönen Sonntag noch.

[hallo]
Interessierter
 

Re: Die Russen als Besatzer und die Deutschen als Besetzte

Beitragvon ex-maja64 » 29. Juli 2012, 13:00

Edelknabe hat geschrieben:Das mit den DDR-Tischlern und den Särgen ist doch ein Märchen...denke ich mal, oder gibts da richtige handfeste zählbare Beweise?


In meinem Heimatort befand sich ja, von Anfang der 60er bis 1991, auch ein Einheit der GSSD (Radareinheit).
Gerade aus den 70ern sind mir noch einige Fahnenfluchten aus der dortigen Einheit in Erinnerung.

Nach einigen Fluchten, mussten in der Schlosserei eines ortsansässigen VEBs Zinksärge hergestellt werden.

Halte Holzsärge auch für ein Märchen, man muß sich nur mal den Transportweg dieser zurück in die SU vor Augen halten.
ex-maja64
 

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