DER SPIEGEL 4/1990
DDR: Vormarsch der D-Mark
Die DDR-Bürger wollen nicht länger für Spielgeld arbeiten. Doch wie die schlappe Ost-Mark (MDN-W.T.)
hart gemacht werden kann, ist unter Bonner Finanzpolitikern heftig umstritten. Einig sind sie sich nur
im Ziel: Am besten für die DDR wäre die Übernahme der West-Mark. Sie etabliert sich ohnehin als starke
Zweitwährung in der DDR.
Ingrid Matthäus-Maier, finanzpolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, weiß, was DDR-Bürger meinen,
wenn sie vom "Einig Vaterland" singen: "Sie wollen D-Mark statt Blechgeld."
Diesen Wunsch will ihnen die Bewerberin für den Bonner Finanzministerposten schnell erfüllen. Die schlappe
Mark-Ost, so ihr Vorschlag, könnte im Verhältnis 5 : 1 in feste D-Mark getauscht, die Ostwährung danach
eingestampft werden. Nur wenn die DDR-Bürger hartes Geld in die Hand bekämen, würden sie in ihrer Heimat
bleiben.
Der amtierende Bonner Finanzminister sieht das anders. Schon eine Diskussion über einen Währungsschnitt,
durch den von heute auf morgen das Geldvermögen aller DDR-Bürger beträchtlich an Wert verlieren würde, hält
Theo Weigel für schädlich. Das Wort "Währungsreform" nimmt er erst gar nicht in den Mund. "Das", meint
der Finanzminister, "würde drüben zu einer Panik führen."
Die Sorge über neue Übersiedlerströme treibt sie alle, die sich über die Zukunft der Ost-Mark Gedanken machen.
Nicht mehr für Spielgeld arbeiten, Geld verdienen, für das man überall in der Welt einkaufen kann - solche Wünsche
stehen offenbar ganz oben auf der Wunschliste der DDR-Bürger.
Mit ihrem radikalen Vorschlag aus der vorigen Woche, die Ost-Mark schlicht abzuschaffen und statt dessen D-Mark
auszugeben, hat Ingrid Matthäus-Maier dem Thema zusätzlichen Schub gegeben. Sie hätten alles, was die Oppositions-
Politikerin geschrieben habe, sorgfältig durchgelesen, ließen Waigels Geldfachleute wissen. Das sei sehr interessant -
aber "der falsche Weg".
Die Kritik entzündet sich nicht am Ziel. Dass die DDR einen vergleichbaren Wohlstand wie der Westen nur dann erreichen
kann, wenn ihr Geld fest an die europäische Leitwährung D-Mark gebunden oder die D-Mark einzige Währung in
Deutschland wird, diese Meinung ist nicht neu und überdies weit verbreitet.
Erst die "Übernahme der D-Mark als gesamtdeutsche Währung", schrieb etwa der Ökonom Christian Watrin dem Bonner
Wirtschaftsminister Helmut Haussmann in ein Gutachten, mache den in der DDR benötigten "riesigen Zustrom an
privatem Kapital" möglich. Eine "deutsch-deutsche Währungsgemeinschaft, die schließlich in eine gemeinsame Währung
münden könnte", so ein Zehn-Punkte-Programm des Finanzministers "Zur wirtschaftlichen Gesundung der DDR", halten
auch Weigels Experten für erstrebenswert.
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W. T.









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