Der Prototyp des Hitler-Tagebuchs
Als Kujau Mitte der 1970er Jahre von einem Sammler getäuscht wird, fasst er einen folgenschweren Beschluss: Er will sich rächen – mit einem gefälschten Tagebuch von Adolf Hitler. Eine schwarze Kladde und etwas frei interpretierte Geschichts-Fantasie später ist das Werk vollbracht: Das erste Hitler-Tagebuch erblickt mit etwas Hilfe von Siegelwachs, Asche und teegetränktem Papier das Licht der Welt. Damit hätte die Geschichte eigentlich zu Ende sein können, doch "Stern"- Starreporter Gerd Heidemann hatte Wind von der vermeintlichen Sensation bekommen und nimmt die Fährte auf.
Selbst von der Nazizeit fasziniert – Heidemann hatte die Privatyacht von Hermann Göring gekauft und sammelt selbst diverse Nazi-Devotionalien – spürt er den Sammler auf, dem Kujau das falsche Tagebuch untergejubelt hatte, und macht so die Quelle der Schriftstücke ausfindig. Beim ersten Kontakt mit dem Reporter nimmt Kujau die Rolle von "Konrad Fischer" an, einem Militaria-Händler, und tischt dem Journalisten diese Lügengeschichte auf: Sein Bruder sei NVA-General in der DDR und durch Zufall auf die Tagebücher gestoßen. Sie stammen angeblich aus dem Wrack einer in Börnersdorf, Sachsen, abgestürzten Junkers-Transportflugzeugs "Ju 352", das auf dem Weg von Berlin nach Salzburg abgeschossen worden war. Die Fracht: Dokumente aus Hitlers Privatbesitz, darunter auch die Tagebücher.
Adolf Hitler, ganz privat
Der Inhalt der Schriftstücke ist Hitlers vermeintliches Privatleben – einige Auszüge:
"13. November 1936: Morgens gegen 11 Uhr gründliche Untersuchung. Mache den Ärzten große Vorwürfe, da meine Schmerzen immer größer werden. Nun habe ich schon Schmerzen im Gedärm. Besuch eines Konzerts. Was verschweigen mir meine Ärzte? Kann ich diesen Leuten überhaupt noch trauen. Bin total zerstochen von den vielen Spritzen. Bin ich vielleicht unheilbar krank?"
"30. April 1935: Der kleine Goebbels macht schon wieder Geschichten mit Frauen. Werde in den nächsten Tagen einen geheimen Erlass herausgeben, dass ich von meinen engsten Mitarbeitern und Parteiführern im Reich keinerlei Affären mehr wünsche. Auch kann ich die Schnüffeleien von Himmler nicht gebrauchen, er schnüffelt auch E. nach."
Alle diese Einträge entstammen Kujaus Fantasie. Er selbst beschreibt in einer ZDF-Dokumentation den Entstehungsprozess: "Man muss sich in den Schrift- oder Bildgeber hineinversetzen und das hab ich getan. (...) Man habe nachts zu Hitler gesagt, er habe Magengeruch. Wer soll denn nachts zu ihm gesagt haben: 'Mein Führer, sie stinken aus dem Maul!' – das kann ja nur die Eva (Braun, Anm. d. Redaktion) gesagt haben. Die wird halt gesagt haben: 'Adolf, dreh dich rum.'"
Insgesamt liefert Kujau Heidemann 62 Bände dieser vermeintlichen Einblicke in Hitlers Seele. Dem "Stern" sind sie über neun Millionen D-Mark wert. Zweifel an der Echtheit kommen den Verantwortlichen nicht.
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pentium