vs, jetzt bin ich wieder dran
Heute gehe ich von der Musik weg in die frühe Kindheit.
Es heißt doch immer so schön Kindheit prägt.
Meine ersten Lebensjahre verbrachte ich in Magdeburg bis meine Eltern Arbeitsbedingt nach Leipzig zogen. Wohnungsmäßig verschlechterten sich meine Eltern, wohnten wir in M doch in einem Haus aus den dreißiger Jahren welches einen bescheidenen Wohnkomfort bot. Der Block umschloss einen großen Hof auf dem wir zahlreichen Kinder spielen konnten.
Da dieser nur den Bewohnern zugänglich war, standen an der vierten Seite, Brandmauern der Häuser von den Nachbargrundstücken, Kaninchenställe welche sich viele Bewohner eingerichtet hatten. Ach wie niedlich, Häschen! Seltsamerweise kann ich mich nicht erinnern das es unter den Kindern Geschrei gab wenn Hoppel eines Tages als Sonntagsbraten auf dem Tisch landete. Irgendwie war uns klar der ist zwar niedlich, letztendlich aber zum essen und Kaninchenbraten schmeckte.
Die Verschlechterung der Wohnsituation betraf vor allem die sanitären Einrichtungen. Hatten wir davor ein Bad, so jetzt Außenklo eine halbe Treppe höher und der einzige Wasseranschluss befand sich in der Küche in Form eines Kaltwasserhahns mit einem gusseisernen Ausguss darunter. In der Küche befand sich eine sogenannte Kochmaschine, so ein Ungetüm mit Kohlefeuerung und Kochplatten. Zum kochen gab es einen zweiflammigen Gaskocher (ähnlich den heutigen Campingkochern). In der alten Wohnung gab es einen modernen Kohle/Gasherd zum kochen und backen.
Auch war in der neuen Wohnung nur das Wohnzimmer heizbar, Küche mit dem Ungetüm, in den anderen Zimmern befanden sich schlichtweg keine Öfen und auch keine Kamine an denen eventuell einer anzuschließen war.
Es war nicht die schiere Wohnungsnot welche meine Eltern veranlasste diese Wohnung zu nehmen. Ein zur gleichen Zeit ebenfalls umziehendes Freundespaar meiner Eltern zogen in eine recht komfortable Altbauwohnung in der Jahn Allee.
Was hatten deren gleichaltrigen Kinder nicht was ich hatte? Einen schönen großen Hof zum spielen, die Strasse ebenfalls kaum befahren, viele Kinder im Haus, alle so plus/minus 4 Jahre in meinem Alter. Ich hatte ein eigenes Zimmer, sie nicht.
Zum Baden ging es einmal in der Woche in die öffentliche Badeanstalt am Kreuz. Das war kein Hallenbad oder sowas, sondern ein Gebäude in dem lauter "Badezimmer" waren und diese konnten für die Familie gemietet werden und zum festen Termin ging die ganze Familie baden. Duschen soll es dort auch gegeben haben.
Üblich war zur damaligen Zeit auch das selberbacken von Kuchen am Wochenende, bloß wie ohne Backröhre? Auch hier gab es eine Lösung, der Bäcker nahm Sonnabend früh die Bleche mit dem Kuchen an, schob sie in seine Öfen wenn er fertig mit Brot backen war und Mittags gingen wir hin und holten unseren fertig gebackenen Kuchen ab.
Da es bis Anfang ? 1958 für die meisten Lebensmittel noch Lebensmittelmarken gab war auch das einkaufen ein Abenteuer. Wir Knirpse durften selber Milch holen, mit den Milchkrügen welche man so schön schleudern konnte. Eier konnten manchmal faul sein und die stanken nach dem aufschlagen entsetzlich und die Aufgabe war dieses stinkende Etwas zurück in den Milchladen zu bringen und dafür gab es dann ein neues Ei.
Ein Höhepunkt im Leben war der Besuch des Weihnachtsmarktes jedes Jahr welcher auf dem Karl-Marx-Platz und der von Trümmern geräumten Fläche auf der dann das Hotel Deutschland gebaut wurde, stattfand. Da gab es eine Bockwurst!!!! Dafür mußte vor '58 selbstverständlich ein Abschnitt der Fleischmarke abgegeben werden.
Zur Eröffnung des Weihnachtsmarktes kam der Weihnachtsmann nicht mit dem Schlitten sondern mit dem Zug auf dem Hauptbahnhof an. Alle Kinder Leipzigs versammelten sich auf dem Querbahnsteig vor der Bahnsteigsperre um ihn zu begrüßen.
Bei Regen oder Schnee nicht so toll, war doch das Dach über dem Querbahnsteig noch zerstört, also nicht vorhanden. Selbst die Glasüberdachung der Bahnsteige war noch nicht wieder komplett nach den Kriegsschäden hergestellt.
Ja, Ruinen gab es viel und sie reizten auch sehr zum spielen.
Die Magdeburger Innenstadt war, nachdem bis Mitte der Fünfziger die Trümmer geräumt waren, in meiner Erinnerung komplett leer. Vom Bahnhof aus hätte man die Elbe sehen können und einzig ein paar Kirchenruinen standen noch. Um den Alten Markt standen noch sehr wenige einigermaßen intakte Häuser.
Im Gegensatz zu Leipzig waren in Magdeburg die Russen sehr präsent. Ganze Stadtteile wurden von ihnen in Beschlag genommen.
In der Siedlung in der meine Großeltern wohnten war eine große Kaserne, wurde alles in den dreissiger Jahren gebaut. In den Häusern an der Kaserne wohnten die Russen auf der anderen Strassenseite Deutshe. Die Strassenmitte war die unsichtbare Grenze, Ende der 50er bauten die Russen da sogar einen Bretterzaun um sich sichtbar abzuschotten. Es gab keinerlei Kontakt zu den Familien oder gar Kindern.
Mitte/Ende der 60er Jahre herrschte mal wieder Strommangel und die meisten Menschen sparten wirklich Strom. Es war schon sehr bezeichnent wenn ich Abends die Strasse langlief zu meinen Großeltern.
Rechts die Wohnungen der Deutschen, spärlich erhellte Zimmer, die meisten dunkel und auf der Russischen Seite volle Festbeleuchtung in allen Zimmern.
Stromsperren/-abschaltungen waren in den 50ger Jahren die Regel. Ob die nun angekündigt waren wage ich zu bezweifeln, jedenfalls waren in der ganzen Wohnung Kerzen und Streichhölzer deponiert damit man nicht im Dunkeln stand. Denn mit Vorliebe fiel der Strom ja aus wenn es draussen dunkel war.
Bahnfahrten waren sehr abenteuerlich und dauerten vor allem. Da auf fast allen Strecken das zweite Gleis demontiert war; Reparationen an die SU; das vorhandene Gleis auch nicht im besten Zustand war.
Naja, ich bin immer angekommen.
Manchmal war mein Vater schon da, wenn er die Strecke mit dem Rad fuhr um Fahrgeld zu sparen.
Selbst reisen nach Westdeutschland wurden unternommen. Meine fast einzige Erinnerung ist das sie sehr, sehr lange dauerten. Irgendwo auf freiem Feld hielt der Zug und alle wurden kontrolliert, Erwachsene brauchten eine Genehmigung zur Reise. Das dies die Zonengrenze war erfuhr aus den Gesprächen der Reisenden. Es interessierte mich die Bohne.
Die Stadt in welche wir fuhren war genauso kaputt wie die aus der wir kamen, die Menschen welche wir besuchten mußten genauso mit ihrem Geld rechnen wie meine Eltern und als Kind nahm ich nun Unterschiede, volle Geschäfte, weniger volle nicht bewußt war. Es waren Verwandtenbesuche und sie kamen auch rüber zu uns. Jedenfalls bis 61 funktionierte das ganz normal.
Ein weiterer Höhepunkt im leben eines kleinen Knirpses war der sonntägliche Kinobesuch. Im Kino, nicht weit entfernt, gab es jeden Sonntag Vormittag Kindervorstellung. Das war ein muß für uns Kinder im Haus und so zogen wir geschlossen ins Kino um uns Märchenfilme, erbauliche Kinderfilme über besonders edle Kinder, amerikanischer Stummfilmklamauk und mehr anzusehen.
Vorschulzeit eben.
Gruß
Nostalgiker