Aus dem StundenbuchI
Freunde fragen mich oft warum ich nicht lese und meinen da-
mit warum ich nicht LESUNGEN halte. Antworte ich: zieht euch
nackt aus legt eure füße gegeneinander zerreibt zwischen eu-
ren fingern den rauch laßt die öfen nicht ausgehn, auf einer
leiter möchte ich sitzen & von acht kerzen beleuchtet werden
oder von luzifers 60-watt-birne mit der hand an den stuck an
an der decke der reichen mitten unter euch sein wenn ihr büffel-
augen habt dann werde ich lesen, sagen sie ASCHE und tippen
an ihre hellbraunen stirnen.
II
Welt dringt in mich ein wie licht durch gemalte fenster ein-
dringt die fassaden schlagen zu frust geht um. Die abenteuer
spielen sich in deinem kopf ab tröstete mich ein charmanter
conferencier und ein lehrer sagte mir: du bist ein schlechter
lügner du kannst schrifsteller werden. Das war eine rüge auf
die ich stolz bin doch die sprache entzieht sich, meine letzte
unsichtbare zuflucht. Ich stammle wenn ich erzählen soll und
schreibe nicht priestern & potentaten, die schreibmaschine
könnte mich denunzieren.
III
Wieder eine von diesen höllischen nächten wir hatten fünf
oder sechs theaterstücke in N.s wohnung gespielt als man uns
wegen ruhestörenden lärms raußschmiß. Wir zogen mit bau-
chigen GAMZA- flaschen zum eifelturm, rosental, den man zu
jeder tages- & nachtzeit besteigen kann und drüber flimmer-
ten mars & jupiter in aufregender konstellation sagen die
astrologen. Als die ersten den mageninhalt übers geländer
schikten als L. seine flügel breitete als K. sich die gitarre
setzte als D. anfing wie ein propeller zu kreiseln sagte jemand
ganz zaghaft zu mir, komm wir gehen nach hause und so
wurd's die sanfteste nacht.
März 1980
( Thomas Böhme/ Mit der Sanduhr am Gürtel)
gruß vs