Zur Gegenwart der DDR-Geschichte

Aufarbeitung und Schlußfolgerungen

Zur Gegenwart der DDR-Geschichte

Beitragvon Interessierter » 12. August 2020, 09:09

Aufarbeitung von Geschichte ist anders als die geschichtswissenschaftliche Analyse ein politischer Vorgang, eine Angelegenheit der Zivilgesellschaft. Die DDR-Aufarbeitung war mit dem Grundsatz angetreten, die Demokratie im Osten zu befördern. Manche Aufarbeiter*innen verkünden sogar etwas zu vollmundig, je besser man Diktatur begreife, umso besser könne man Demokratie gestalten. Demokratie ist ein Projekt, das keiner Negativfolie bedarf.
Aufarbeitung generell ist wichtig, keine Frage. Aber wie wichtig ist sie wirklich? Wer sollte das messen, einschätzen? Wen erreicht Aufarbeitung und vor allem, wen nicht? Man sollte sie nicht überschätzen, so wie man das Gewicht einzelner dabei nicht überschätzen sollte. Es machen weder große Männer allein Geschichte noch schlanke Menschen allein Geschichtsaufarbeitung. Beide Gruppen glauben das allerdings gern.
In der DDR-Aufarbeitungslandschaft haben wir den merkwürdigen Umstand zu beobachten, dass in vielen Institutionen Personen Entscheidungen fällen, den Ton vorgeben, Verantwortung tragen, die dafür meist „nur“ durch ihre Biographie, nicht aber wegen einer professionellen Ausbildung in Museumsdidaktik, Geschichtspädagogik, Geschichts- oder Politikwissenschaften qualifiziert sind. Vor allem in den 1990er Jahren war es von hoher Bedeutung, dass Oppositionelle und Opfer der SED-Diktatur den kommunistischen und postkommunistischen Geschichtsmärchen ihre lebensgeschichtliche Wucht entgegenhielten. Aber die Revolution ist längst Geschichte. Die Kinder sind nicht entlassen worden, sondern eigentlich im Rentenalter.

Geschichte als politisches Kampfmittel

Die Aufarbeitung der SED-Diktatur in den 1990er Jahren stand ganz im Zeichen der Revolution.

Hier geht es weiter:
https://zeitgeschichte-online.de/node/57010
Interessierter
 

Re: Zur Gegenwart der DDR-Geschichte

Beitragvon Volker Zottmann » 12. August 2020, 09:17

In weiten Teilen ist die DDR-Geschichte aber einfach nur für beendet erklärt worden. Aufarbeitung fand nie wirklich statt. Man braucht sich nur die Mühe machen und in Rathäusern alte und neue Beschäftigtenlisten abgleichen. So mancher klebt heute noch am altangestammten Platz. Bereinigung schafft allenfalls derzeit das Alter.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Zur Gegenwart der DDR-Geschichte

Beitragvon karnak » 12. August 2020, 09:39

Was hättest Du denn, sagen wir mal nach 20 Jahren, personalmäßig noch "bereinigen" wollen, wenn sich das vorhandene Personal aus Sicht der entsprechenden Verwaltung bewährt haben dürfte? Welchen Grund hätte es denn dann noch geben sollen außer dümmliche Rachegelüste?
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Re: Zur Gegenwart der DDR-Geschichte

Beitragvon Werner Thal » 27. August 2020, 08:49

DER SPIEGEL - 31/1990 - Enger Radius

DDR-Ärzte untersuchten ihre ehemaligen Staats- und Parteiführer. Ergebnis: Die meisten sind Alkoholiker,
aber haftfähig.

Längst hatten sich die einstigen Herrscher von der Macht trennen, längst ihr gemeinsames Wohnquartier
in Wandlitz verlassen müssen. Am 28. Mai (1991) führte sie ihr Schicksal wieder zusammen: Sechs der einst
mächtigsten Männer der DDR-Staats- und Parteiführung wurden im Krankenhaus der Volkspolizei in Berlin
auf Anordnung der Generalstaatsanwaltschaft von fünf Nervenfachärzten auf ihre Haftfähigkeit untersucht.

An den neun Tagen ihres Aufenthalts trafen sich die sechs regelmäßig zum Rundgang auf dem Hof. Und
regelmäßig steckten sie ihre Köpfe zusammen und wirkten - so berichtet ein von Amts wegen bestellter
Aufpasser -, "als wollten sie gerade mal wieder eine Politbürositzung abhalten".
Die Sitzungen der alten Herren blieben nicht ohne Folgen. Am 20. Juni schrieb Klaus-Jürgen Neumärker,
Chef des Ärzteteams und Direktor der Klinik für Psychiatrie und Neurologe an der Charité zu Ost-Berlin,
dem DDR-Gesundheitsminister Jürgen Kleditzsch: generell sei bei allen Untersuchten "die Vernehmung-
und Verhandlungsfähigkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegeben".
Schlechte Zeiten für die Patienten.

....und hier geht es weiter:

https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery ... f/13502323

W. T.
Wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten.
Russian Military out of Ukraine
русские идут домой
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Re: Zur Gegenwart der DDR-Geschichte

Beitragvon Beethoven » 29. August 2020, 08:43

Volker Zottmann hat geschrieben:In weiten Teilen ist die DDR-Geschichte aber einfach nur für beendet erklärt worden. Aufarbeitung fand nie wirklich statt. Man braucht sich nur die Mühe machen und in Rathäusern alte und neue Beschäftigtenlisten abgleichen. So mancher klebt heute noch am altangestammten Platz. Bereinigung schafft allenfalls derzeit das Alter.

Gruß Volker


Man Volker, wie hättest Du es denn gerne gehabt? Warst Du etwa scharf auf einen Schreibtisch im Rathaus?

Was hätten denn die Ämter ohne diese Menschen tun sollen, die ihre Tätigkeit und das entsprechende Umfeld aus dem "ff" kannten?
So lange diese keine Verbrechen begangen haben waren diese Gemeinde-, Stadt-, Kreis- und Bezirksbediensteten genau die Richtigen dort zumal man ihnen ja die zweite und dritte Garnitur aus dem Westen vor die Nase gesetzt hat, die oft genug, dumm und unerfahren waren (Ausnahmen bestätigen die Regel). Die nicht unerhebliche "Buschzulage" aber auch die sonst nie erreichten Dienstposten waren oft ein Zugmittel für diese Herrschaften.
Es gab jedoch auch und das möchte ich betonen, ehrliche und kluge Köpfe unter ihnen, denen es wirklich am Herzen lag, aus den neuen Bundesländern, "blühende Landschaften" zu machen.

Freundlichst
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

Das Gesetz ändert sich, die Gesinnung nicht.
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Re: Zur Gegenwart der DDR-Geschichte

Beitragvon Volker Zottmann » 29. August 2020, 11:36

Beethoven, zu mir liegst Du falsch!
Ich unterscheide selbstverständlich auch.
Ich bedauerte, dass unser damaliger SED-Bürgermeister Diwinski das Rathaus verlassen musste und ein DSU-Mann einzog. Der hat als erstes die Bezüge gewaltig erhöht, also selbst bestens verdient, kam morgens oft erst spät ins Rathaus, hat dafür aber meist pünktlich Feierabend gemacht. Dadurch sind der Stadt 4 Jahre des Aufbaus durch die Lappen gegangen und so manche Förderung. Ab der nächsten Wahl, war der alte Bürgermeister wieder über viele Jahre im Amt, nun ohne SED. Es ging nun vorwärts.
Selbst hätte ich das Amt des Bauhof-Chefs bekleiden können, denn die Stadt hat lange versucht den Posten neu zu besetzen. Einer meiner früheren Meisterkollegen tat das dann.
Ich hatte dazu keinerlei Ambitionen, denn ich war lange genug schon Selbständiger, sicher auch mit wesentlich sprudelnderen Einkünften. Obendrein eben frei und unabhängig.

Wenn ich Beschäftigtenlisten abgleichen wollte (theoretisch), wie ich schrieb, dann hatte das seinen berechtigten Grund. Näher einlassen will ich mich hier aber nicht. Involvierte Einheimische wissen sofort worauf ich abziele.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Zur Gegenwart der DDR-Geschichte

Beitragvon OaZ » 29. August 2020, 14:48

Was soll denn "Aufarbeitung der DDR-Geschichte" eigentlich sein?
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Re: Zur Gegenwart der DDR-Geschichte

Beitragvon Nostalgiker » 29. August 2020, 15:09

Vor allem soll sie im Sinne vom Interessierten und Volker Zottmann geschehen ........
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: Zur Gegenwart der DDR-Geschichte

Beitragvon Volker Zottmann » 29. August 2020, 15:14

OaZ hat geschrieben:Was soll denn "Aufarbeitung der DDR-Geschichte" eigentlich sein?


Aufarbeitung ist immer gut. Ist ja eine gedankliche Auseinandersetzung.
War mit mit dem Auseinandersetzen zum 3. Reich schon so. Gerade, damit sich solche Verbrechen möglichst nicht wiederholen.

Die DDR-Geschichte müssten zuerst all die Linken gewissenhaft studieren. Sich mit all den Fehlern auseinandersetzen. Aber ehrlich, selbstkritisch sollten das besonders Nostalgiker tun.
So vermeidet man auch, nur der Macht wegen, zukünftig wieder ganze Völker zu unterjochen. Schrieb heute gerade ein User, dass dies seit 1917 so war. Statt sozialistische Ideen umzusetzen, hat man über 70 Jahre die gesamte Arbeiterschaft hintergangen und verraten.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 


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