Eine Bilanz der Überprüfungen - das Beispiel Mecklenburg-Vorpommern
Am Beispiel der Zahlen der Überprüfungen aller Mitarbeiter der Landesbehörden von Mecklenburg-Vorpommern soll dieser Prozess verdeutlicht werden: Insgesamt wurden bis 1999 82.953 Anträge auf Überprüfung beim Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen gestellt. Zum Jahresende 1999 waren davon 79.827 Anfragen beantwortet. Davon wiederum hatten 5.054 Beschäftigte ihren Arbeitgeber arglistig getäuscht. Sie hatten verschwiegen, als hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter für das MfS tätig gewesen zu sein. Bei 2170 der 5054 Personen mit nunmehr nachgewiesenen Stasikontakten verlief die Einzelfallprüfung ohne Konsequenzen, sie konnten weiterhin als Angestellte oder Beamte tätig sein. 999 Beschäftigte waren in der Zwischenzeit von selbst ausgeschieden, mit 857 Beschäftigten wurden nach der Überprüfung Auflösungsverträge geschlossen. Von den 5054 "belasteten" Beschäftigten wurde letztlich 950 Personen wegen der MfS-Tätigkeit bzw. wegen arglistiger Täuschung des Arbeitgebers gekündigt.
Für den Aufbau der Demokratie und für die öffentliche Erscheinung der Verwaltung besonders bedeutsam sind die Lehrer und Polizisten. Diese beiden Berufsgruppen sind nicht nur die personalstärksten innerhalb der Landesverwaltungen, sondern auch diejenigen mit dem signifikant höchsten Anteil ehemaliger MfS-Mitarbeiter. Von den 29.900 abgeschlossenen Lehrerüberprüfungen in Mecklenburg-Vorpommern lag beispielsweise bis Ende 1996 in 1.621 Fällen eine Belastung vor. Davon sind wegen des Schweregrades der Tätigkeit für das MfS 368 aus dem öffentlichen Dienst des Landes ausgeschieden, 220 durch Kündigungen, durch Aufhebungsverträge 148. Etwa 600 Lehrerinnen und Lehrer hatten vor Eintreffen der Überprüfungsergebnisse den Schuldienst verlassen, 552 wurden nach erfolgter Einzelfallprüfung weiterbeschäftigt.
Bei der Landespolizei ergab die Überprüfung zum gleichen Zeitpunkt folgende Ergebnisse: Überprüft wurden bis dahin ca. 7.700 Polizisten, davon waren 1.727 als inoffizielle oder hauptamtliche Mitarbeiter des MfS tätig. 683 Kündigungen und 79 Auflösungsverträgen standen zu diesem Zeitpunkt 873 Weiterbeschäftigungen gegenüber.
Diese Zahlen belegen den differenzierten Umgang mit den Mitteilungen des Bundesbeauftragten durch die öffentlichen Stellen. Sie zeigen auch, dass das immer noch starke Interesse der Öffentlichkeit an den Überprüfungsverfahren und -ergebnissen, gerade bei Lehrern und Polizei, berechtigt ist. Die Glaubwürdigkeit der öffentlichen Verwaltung und das Erscheinungsbild des Rechtsstaates hängen in besonderer Weise von der Klarheit dieser Überprüfungsverfahren ab.
Quelle: Jörn Mothes und Jochen Schmidt
Jörn Mothes, Dipl.-Theol., ist Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen in Mecklenburg-Vorpommern. Er ist Mitherausgeber des Bandes "Beschädigte Seelen. DDR-Jugend und Staatssicherheit" (Edition Temmen, Rostock/Bremen 1996). Jochen Schmidt, M.A., ist Stellvertreter des Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in Mecklenburg-Vorpommern