Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Aufarbeitung und Schlußfolgerungen

Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon zonenhasser » 4. April 2020, 19:32

Jahrelang war im Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen ein unfähiger Mann für die Behandlung schwerkranker Gefangener zuständig. Mielkes Schützling hatte uneingeschränkte Macht über die Insassen, bis der Häftlingsarzt 1962 endlich suspendiert wurde.

von Hubertus Knabe

Der Minister für Staatssicherheit muss ein Faible für den Mann mit dem welligen Haar und dem leichten Doppelkinn gehabt haben. Anders ist es jedenfalls kaum zu erklären, dass Erich Mielke ausgerechnet Wolfgang Dorr zum Leiter seines Haftkrankenhauses machte – ein «Scharlatan», dem Ärzte der Berliner Charité später «fundierte ärztliche Kenntnisse und Fähigkeiten» absprachen. Bis Mielke ihn endlich von seinen Aufgaben entband, waren Hunderte politische Häftlinge dem Stasi-Major im weissen Kittel hilflos ausgeliefert.

Die Geschichte des Häftlingsarztes der Stasi ist so unglaublich, dass sie einen auch heute noch frösteln lässt. Jahrelang war in der DDR ein unfähiger Mann für die Behandlung schwerkranker Gefangener zuständig. Der Arzt, der 13 Jahre für sein Studium brauchte, begann schon 1945 für die kommunistische Geheimpolizei zu arbeiten, erst für die Sowjets, dann für die Stasi. Mitte der 1970er Jahre wurde er ein zweites Mal als Informant angeheuert. Dazwischen lag sein Aufstieg und Fall im Stasi-Gefängnis von Berlin-Hohenschönhausen, in dem Mielke seine wichtigsten Häftlinge in dunkle Kellerzellen eingesperrt hatte. Erst ein unglücklicher Sturz auf die Bettkante bereitete dem Spitzelleben des Arztes 1982 ein Ende.

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Behandlungen in Eigenregie


In der überfüllten «Bruchbude», wie Dorr das Kellergefängnis nannte, hatte der Mediziner Ende 1956 angefangen zu arbeiten – zunächst nur nebenberuflich, dann als hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter und ab 1960 als Chef des neuen Haftkrankenhauses. Die Klinik hatte Mielke auf dem Gelände der Haftanstalt einrichten lassen, um auch schwerkranke Häftlinge in Eigenregie behandeln zu können.

Hätte der Minister den Berichten seiner Untergebenen mehr Aufmerksamkeit geschenkt, hätte er vielleicht jemand anderen genommen. Bei Dorrs Überprüfung war nämlich herausgekommen, dass er «organisatorische Schwächen» besitze, «sehr redselig» sei, «etwas geltungsbedürftig» und zudem «leicht erregbar».

Mielkes Stellvertreter Bruno Beater nahm den Stasi-Arzt genauer unter die Lupe. Fast zwei Jahre lang wurde er rund um die Uhr observiert und abgehört. Wenn er Besuch hatte, sich mit seiner Frau unterhielt oder mit seiner Sekretärin telefonierte, wurde nun jedes seiner Worte aufgezeichnet. Die Aufzeichnungen dieser totalen Überwachung geben einen tiefen Einblick in das Denken und Handeln eines hochrangigen Stasi-Funktionärs – so unverstellt, dass Mielkes Leute sie noch Jahrzehnte später, im Herbst 1989, in kleine Stücke zerrissen.

Liest man die wieder zusammengesetzten Aufzeichnungen, ergibt sich das Bild eines labilen, skrupellosen Mannes, der seine Umwelt mit Misstrauen, Neid und Hass betrachtete. Seine Mitarbeiterinnen waren «Huren», sein Parteileiter eine Fehlbesetzung, der Gefängnischef «das grösste Mistvieh auf dem ganzen Platz». Nur einen verehrte er wie einen Vater: Erich Mielke, den er in einer Mischung aus Angst und Bewunderung immer nur «den Alten» nannte. «Ich wünschte mir, so denken und handeln zu können wie der Minister», erklärte er einmal einem Kollegen, «er ist wirklich Vorbild.»
«Es sind noch genug da»

Vielleicht war es die autoritäre, brutale Art, die Dorr an Mielke bewunderte. Wie dieser trat auch er mit Vorliebe als gestrenger Patriarch auf, der seine Mitarbeiter herunterputzte, gegeneinander ausspielte und manchmal unerwartet lobte. Sie mussten nicht nur bei ihm zu Hause sauber machen oder seine Frau zum Einkaufen fahren, sondern konnten auch schon mal für ein paar Tage in einer Zelle landen – wie jener Wachmann, der mit einer verheirateten Kollegin ein Verhältnis angefangen hatte.

Vor allem teilte Dorr aber mit Mielke die Gleichgültigkeit gegenüber den kranken Häftlingen. Der Minister hatte ihm eingebläut, man dürfe ihnen nicht allzu viel medizinische Hilfe zukommen lassen, da sie bis jetzt ja auch «draussen herumlaufen und Spionage machen» konnten. Entsprechend behandelte Dorr die Gefangenen. So berichtete er einmal seiner Frau, die sich später das Leben nahm, über ein Gespräch über einen schwerkranken Häftling. Zum Sanitäter habe er gesagt: «Lass den doch liegen, wir haben alles getan.» Der Mann habe schliesslich eine Liegeerlaubnis, Sonderverpflegung und Medikamente bekommen. Nur ins Haftkrankenhaus habe er ihn nicht aufgenommen, weil dies die Vernehmung unterbrochen hätte. Als der Sanitäter eingewandt habe: «Na ja, der kann aber doch sterben», habe er geantwortet: «Lass ihn doch den Arsch zukneifen, ist doch wurscht, wenn er tot ist. Es sind doch genug da.»

Ein anderes Mal sei sein Stellvertreter aus dem Gefängnis angerannt gekommen und habe gerufen: «Herzinfarkt, Herzinfarkt!» Zum Entsetzen seines Vize sei er jedoch ruhig sitzen geblieben und habe gesagt: «Pass mal auf! Das ist ganz einfach. Wenn er jetzt einen Herzinfarkt bekommen hat, da gibt es nur zwei Wege: Entweder er stirbt, oder er bleibt leben.»

In einem dritten Fall ging es um einen Häftling, der vom Bewegungsmangel in der Zelle Wasser in den Beinen hatte und diese deshalb hochlegen sollte. Doch da er herzkrank war, habe er einen «dicken Kopf» bekommen, so dass der Sanitäter die Beine wieder nach unten habe legen müssen. Seiner Frau erzählte Dorr am Abend: «Jetzt kommt der dauernd an und jammert, der geht kaputt. Ich sage: Bitte schön, was soll denn das? Fragen Sie mal den Alten, ob er einen Totenschein hat! – Was soll ich denn machen? Platz zum Aufnehmen habe ich nicht!»

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Besonders brutal

Der angebliche Platzmangel hatte allerdings hausgemachte Gründe. «Wir hätten keinen Bettenmangel im Krankenhaus, wenn die Häftlinge besser versorgt und nach erfolgter Genesung das Haus verlassen würden», so beschrieb Dorrs Stellvertreter die Situation. Und als Dorrs Frau ihren Mann einmal fragte, ob er denn nicht regelmässig Visiten mache, antwortete er: «Na ja, zwischendurch mal ganz schnell. Gucke mir die an, gebe meine Anweisungen – und dann weiss ich nicht, wo ich sie hinlegen soll.» Er sage dann zu seinem Vize: «Haben wir Totenscheine da? Komm, wir schreiben den Totenschein aus – weil wir keine Plätze haben.»
Zuletzt geändert von zonenhasser am 4. April 2020, 19:40, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon zonenhasser » 4. April 2020, 19:33

Zu Dorrs Methoden zählte es auch, Gefangene in eine Nervenklinik einzuweisen. «Bei uns sind Festnahmen, wo nichts da ist und du nicht weisst, wie du die zum Prozess bringen sollst», berichtete er zu Hause seiner Frau. Der Chef der Ermittlungsabteilung sei deshalb ganz verzweifelt zu ihm gekommen. «Da sage ich, kümmere dich da mal nicht mehr drum. Da sagt er, warum? Ich sage, kümmere dich da mal nicht weiter drum, in den nächsten Tagen hörst du von mir. – Ach Gott, wenn ich das bloss irgendwie in Ordnung hätte! – Ich sage, darauf kannst du dich verlassen. Dann lege ich ihm die Einweisung auf den Tisch, Paragraf 51-1, Aufhebung des Haftbefehls und Unterbringung in einer Nervenheilanstalt bis da- und dahin. Siehst, immer schön ruhig bleiben!»

Besonders brutal konnte Dorr werden, wenn sich ein Gefangener widersetzte. «Wenn sie anfangen zu hungern, kippen wir ihnen Salz ins Waschwasser, damit sie nicht trinken können», erklärte er einmal einem neuen Mitarbeiter. «Sie dursten zwei Tage und dann ist Schluss.» Nur einmal habe ein Häftling partout weder essen noch trinken wollen. «Da habe ich gesagt: Komm, alter Freund! Alles fertig gemacht, grossen Magenschlauch, Kiefer ausgehakt, rein den Schlauch, Trichter drauf und dann die Kalbsbrühe rein, Traubenzucker rein. Das hat er bloss einmal mitgemacht, dann hat er gegessen.»

Manchmal war Dorr über seine Gefühllosigkeit offenbar selbst erschrocken. «Du wirst dann so kalt, du kriegst dann so ein kaltes Herz», so beschrieb er einmal seiner Frau, wie er sich verändert habe.

Nach 15 Monaten Überwachung fertigte die Stasi eine umfangreiche Auswertung des Materials an. Nicht Dorrs Umgang mit den Gefangenen wurde darin moniert, sondern seine Schwatzhaftigkeit, seine Faulheit – und seine Schimpftiraden über leitende Funktionäre. Aus Geltungssucht brüste sich Dorr immer wieder mit seiner Arbeit für den Staatssicherheitsdienst. Er leide zudem an Verfolgungswahn, weshalb er ständig eine Pistole in der Hosentasche trage, mit der er in der Silvesternacht im Garten und sogar im Wohnzimmer herumgeschossen habe. Monatelang sei er zudem nur unregelmässig zum Dienst erschienen, weil er wissenschaftlich arbeiten müsse. In Wirklichkeit habe er grosse Teile des Tages im Bett verbracht.

Vor allem warf der Bericht dem Arzt einen Hang zu «Verleumdungen und Intrigen» vor. Seine Mitarbeiter und Kollegen bezeichne er als «dusselig», als «saudumm» oder als «falschen, hinterhältigen Hund». Den Staatssicherheitsdienst habe er als «Ministerium für Schlafsicherheit» verspottet, Mielkes Adjutanten habe er «Affe» und ein «arrogantes Stück Scheissdreck» genannt, der Chef der Vernehmerabteilung sei «ein Volljude, richtig schmierig». Selbst im Zentralkomitee sässen «Schurken und Schufte», die die Sowjets eigentlich hätten verhaften wollen. Sogar dem DDR-Verteidigungsminister Willi Stoph und dem SED-Chefideologen Kurt Hager misstraute er.

Schützling Mielkes

Sichtlich entsetzt zeigten sich die Überwacher auch darüber, wie Dorr seine Frau und seine Kinder behandelte. Seine Kinder müssten den grössten Teil des Tages im Bett liegen oder Hausarbeit leisten. Seine 13-jährige Tochter bekomme zudem regelmässig Schläge mit der Hundeleine. Ständig stänkere er auch mit seiner Frau, bekomme Wutanfälle wegen Nichtigkeiten und schlage sie dann. Einmal habe er sie mit einer durchgeladenen Pistole bedroht und angekündigt, erst sie, dann die Kinder und dann sich selbst zu erschiessen. Ein ganzes Kapitel widmet der Bericht Dorrs «Methoden, die dazu angetan sind, bei seiner Frau Selbstmord hervorzurufen».

Warum die Stasi den Arzt so lange gewähren liess, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Wahrscheinlich betrachtete man ihn als persönlichen Schützling Mielkes, den er manchmal auch medizinisch beriet. Deshalb war es möglicherweise kein Zufall, dass Dorrs Stellvertreter plötzlich im Dezember 1961 ein 13-seitiges Beschwerdeschreiben an die Leitung aufsetzte. Die Vorwürfe darin waren so massiv, dass sie eigentlich nur einen Schluss zuliessen – dass der Krankenhauschef dringend abgelöst werden muss. Nicht nur behandle er seine Mitarbeiter völlig inakzeptabel und setze sie ständig für private Zwecke ein. Auch kümmere er sich nicht um die Gefangenen oder behandle sie sogar falsch. Schliesslich verschwende er die knappen Mittel, indem er teure medizinische Geräte ungenutzt herumstehen lasse. Trotzdem dauerte es noch ein Dreivierteljahr, bis Mielke den Häftlingsarzt 1962 suspendierte.

In Psychiatrie eingewiesen

Damit wäre die Geschichte des Häftlingsarztes der Stasi eigentlich zu Ende, hätte sie nicht noch ein Nachspiel gehabt. Zunächst wurde Dorr nämlich nur von der Arbeit freigestellt, drei Jahre lang. Dann sollte er an der Charité sein Facharztexamen ablegen, habilitieren und anschliessend einen hohen Posten im DDR-Gesundheitswesen einnehmen. Doch benahm sich Dorr hier bald ähnlich dubios wie am Haftkrankenhaus und kam irgendwann überhaupt nicht mehr zur Arbeit. Sein Stasi-Betreuer notierte, dass er sich zunehmend merkwürdig verhalte, lallend spreche, grundlos kichere oder weine und verlange, dass man ihm seine Anerkennung als Facharzt «operativ» beschaffe. Zudem sei sein Haus völlig verwahrlost, seine Kinder gingen kaum noch zur Schule und seine Frau sitze willenlos herum, weil er sie mit Beruhigungsmitteln vollgestopft habe.

Mit Mielkes Segen griff die Stasi deshalb im Juni 1969 zu einer Methode, die einst Dorrs Spezialität gewesen war: Der Chef des Medizinischen Dienstes ordnete an, den Häftlingsarzt in die Psychiatrie einzuweisen. Der Chefarzt der Klinik Herzberge diagnostizierte bei ihm einen vorzeitigen Hirnabbau ohne Aussicht auf Besserung.

Der Autor ist Historiker und leitete 18 Jahre die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.

© Neue Zürcher Zeitung 04.04.2020
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Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon HPA » 4. April 2020, 19:48

Solche Dienste scheinen von solchen Soziopathen angezogen zu werden wie die Fliegen vom Licht.

Hier noch ein Artikel von 2011 zu Dorr und Konsorten

https://www.spiegel.de/geschichte/stasi ... 47401.html
HPA
 

Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon augenzeuge » 4. April 2020, 21:25

Es ist schon verrückt, wen die Stasi so alles in ihren Reihen duldete.

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Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon Volker Zottmann » 4. April 2020, 21:29

Da wird einem schlecht!
Eure 3 langen Berichte werden aber einigen wenigen Usern wieder mächtig aufstoßen. Denn in Wirklichkeit war doch der DDR-Geheimdienst der humanste des ganzen Universums und solche Zustände sind sicher glatte Verleumdung.... [sick]

Gruß Volker
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Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon zonenhasser » 5. April 2020, 09:07

HPA hat geschrieben:Hier noch ein Artikel von 2011 zu Dorr und Konsorten
https://www.spiegel.de/geschichte/stasi ... 47401.html


Ich habe das Buch, aus dem der Spiegel zitiert, gelesen:

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Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon HPA » 5. April 2020, 09:28

Oh, mit einem Vorwort des Leibhaftigen! [grin]
HPA
 

Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon Interessierter » 5. April 2020, 10:18

Dieser Dorr war weder Mensch noch Arzt; er war einfach ein besonderes Monster unter den Stasi - Ärzten. Wobei diese Stasi - Ärzte eben einfach widerwärtige und verachtenswerte SED Diktatur - Schergen waren, die Schande über ihren Berufsstand brachten.

Bereits 2008 titelte die ÄrzteZeitung:

Ärzte im Dienst der Stasi - "man blickt hier in einen Abgrund tiefster Morallosigkeit!"

"IM Gert Fröhlich", dessen wahrer Name bekannt ist, hat als Arzt jahrelang Kollegen für die Stasi bespitzelt. Eine Dokumentation zeigt: Es gab zu DDR-Zeiten nicht wenige Ärzte, die den gleichen Spitzel-Job machten.

"Deshalb ist dieser Kreis auch sehr schwer aufzuklären, weil sie die Spielarten beherrschen, Vertrauen zu erwecken, so zu tun, als ob sie die Wahrheit sagen. Im gewissen Sinne sind sie alle Schauspieler", schreibt IM Gert Fröhlich über seine Kollegen, die Ärzte. Im Allgemeinen seien sie gewohnt zu lügen. "…wenn jemand Krebs hat, wird man ihm nicht sagen, er hat Krebs, man wird ihm sagen, er hat eine Leberentzündung oder irgend etwas anderes, man wird ihm das bösartige Leiden verschweigen. Auch das trainiert über Jahre hinweg im Lügen und deshalb sind sie eben auch so geschickt in der Tarnung."

Als Medizinstudent von der Stasi angeworben

"IM Gert Fröhlich", dessen wahrer Name bekannt ist, mag als bestes Beispiel seiner eigenen Charakteristik gelten, hat er seine Kollegen doch jahrelang bespitzelt und seine Tätigkeit vor ihnen geheim gehalten. Der 1939 geborene Arzt wurde 1963 von der Stasi angeworben, damals noch Medizinstudent an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

1968 durchlief er ein halbes Jahr lang eine Ausbildung als Spion der Hauptverwaltung Aufklärung (HV A), für die er im sozialistischen Ausland eingesetzt werden sollte. Doch nach Einschätzung dieser Diensteinheit eignete sich der IM nicht für einen Auslandseinsatz, was man ihm allerdings nicht mitteilte. 1968 begann er seine Facharztausbildung als Chirurg am Kreiskrankenhaus Werningerode. Von 1973 bis 1979 war er Oberarzt, dann Chefarzt der Klinik für Chirurgie des Bezirkskrankenhauses Karl-Marx-Stadt. Bis 1989 diente er dem Ministerium für Staatssicherheit.

"IM Gert Fröhlich" entwickelte sich "zu einem IM, wie es sich das MfS nur wünschen konnte", schreibt Dr. Ulrich Mielke im 14. Forschungsheft über Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit im Gesundheits- und Sozialwesen des Bezirkes Magdeburg, das kürzlich erschienen ist. "Er hat während seiner gesamten IM-Zeit zu etwa 187 Personen berichtet. Der IM erhielt ständig Prämierungen und Auszeichnungen." Aber auch Geld bekam der Arzt für die Bespitzelung seiner Kollegen und Patienten, allein 1973 und 1974 insgesamt 4000 Mark, die er für die Neueinrichtung seiner Wohnung nutzte.

IM Fröhlich erhielt ständig Auszeichnungen - und Geld.

Seine Spitzeltätigkeit führte "IM Gert Fröhlich" so gewissenhaft aus, dass er dafür auch seine ärztliche Schweigepflicht brach. Darüber hinaus gab der Arzt Gespräche mit Verwandten weiter. "In dem Zusammenhang ist eine Äußerung von Frau (…) mir gegenüber interessant, wo sie sagte, sie hätte den Eindruck, die DDR würde Ärzte gegen Devisen verkaufen", schrieb "IM Fröhlich" etwa am 22. Juli 1973. "Ich habe das energisch als Spinnerei zurückgewiesen."

Der Chirurg aus Werningerode war sicher einer der eifrigsten und skrupellosesten Stasi-Spitzel im Gesundheitswesen des Bezirks Magdeburg, der einzige war er nicht. In ihrer 14. Dokumentation listen die Autoren vom Bürgerkomitee Sachsen-Anhalt insgesamt 36 IM auf. Von "IM Gaertner", einem 1975 angeworbenen Facharzt für Allgemeinmedizin, sind etwa 170 Treffen mit dem MfS dokumentiert, der letzte Treffbericht datiert vom 19. Oktober 1989.

Ausstieg war durchaus möglich

"IM Gaertner" war von 1980 bis zum Ende der DDR Ärztlicher Direktor der Poliklinik Mitte in Magdeburg. Der Fall des "IM Jörg Göranson" (auch "IM Gey"), ebenfalls Facharzt für Allgemeinmedizin, belegt, dass man die Zusammenarbeit mit der Stasi trotz seiner Verpflichtungserklärung durchaus wieder aufgeben konnte. Der Kreissportarzt spitzelte zwischen 1976 und 1979, teilte dem MfS dann aber mit, dass ihn die inoffizielle Zusammenarbeit physisch zu stark belaste und auch seine Ehe wie sein berufliches Fortkommen erschwere.

"Die Recherchen kann man als unnachgiebig präzise bezeichnen", schreibt Ulrich Mielke in seinen Schlussbemerkungen. Von fast allen vorgestellten IM lägen die Verpflichtungserklärungen vor. Mielkes Kommentar zu "IM Gert Fröhlich", dessen Spitzeltätigkeit man "nur schweigend und fassungslos" zur Kenntnis nehmen könne, kann man stellvertretend für viele andere lesen: "Man blickt hier meines Erachtens in einen Abgrund tiefster Morallosigkeit."

https://www.aerztezeitung.de/Politik/Ae ... 60278.html
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Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon Olaf Sch. » 5. April 2020, 11:00

Und da haben wir doch die Ähnlichkeiten mit anderen Diktaturen. Diktaturen sind Arschlochmagneten. Kann man ja auch schon bei der AfD sehen.
Olaf Sch.
 

Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon Nostalgiker » 5. April 2020, 11:13

Dieses einfache, holzschnittartige "Denken" begeistert mich immer wieder.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

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Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon HPA » 5. April 2020, 11:17

AkkuGK1 hat geschrieben:Und da haben wir doch die Ähnlichkeiten mit anderen Diktaturen. Diktaturen sind Arschlochmagneten. Kann man ja auch schon bei der AfD sehen.


[super]
HPA
 

Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon augenzeuge » 5. April 2020, 11:19

Nostalgiker hat geschrieben:Dieses einfache, holzschnittartige "Denken" begeistert mich immer wieder.


Nun stell dir mal vor, Nostalgiker, jeder könnte dir in deinen außergewöhnlichen Denkweisen folgen. Du wärst doch da völlig unzufrieden. Mit dir. [grins]

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Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon Interessierter » 5. April 2020, 12:39

Der Nährboden für " Vergangenheits - Optimisten " ist die Provokation! Bei manchen Gesinnungsgenossen zusätzlich das Essen in den Kantinen von Ministerien in Diktaturen.... [flash]
Interessierter
 

Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon Nostalgiker » 5. April 2020, 12:48

Interessierter, du erreichst mit deinem letzten Beitrag ein neues Level von Peinlichkeiten welche die völlige Abwesenheit von Geist und Grips bei dir dokumentieren.

Ein Anderer, geistig tieffliegender User, würde sofort süffisant feststellen das du unter dem Lager/Quarantäne/Ausgangsbeschränkungkoller leidest.
Er würde irren, denn es ist deine geistige Ebene welche dem platten norddeutschem Land entspricht indem du siedelst.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

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Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon HPA » 5. April 2020, 12:55

Nosti Du irrst (wie so oft) , die Liga im Niveaulimbo auf dieser Plattform führst eindeutig Du an!

Mach mal den Selbsttest! Welche Deiner in diesem Thread unter Dich gemachten Ausdünstungen hat auch nur ansatzweise mit dem Thema zu tun??

Naaa? Jemand zuhause? [grin]
HPA
 

Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon Nostalgiker » 5. April 2020, 13:44

HPA hat geschrieben:Nosti Du irrst (wie so oft) , die Liga im Niveaulimbo auf dieser Plattform führst eindeutig Du an!

Mach mal den Selbsttest! Welche Deiner in diesem Thread unter Dich gemachten Ausdünstungen hat auch nur ansatzweise mit dem Thema zu tun??

Naaa? Jemand zuhause? [grin]


HPA, du bringst mich zum schmunzeln. wann hast du je im Zusammenhang auf meine Beiträge auch nur ansatzweise etwas zum Thema geäußert?
Jüngelchen, mach dich nicht vollends lächerlich.
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Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

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Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon HPA » 5. April 2020, 13:48

Opa, buddelst du jetzt bereits einen Graben um unter der Limbostange durchzukommen? [laugh]
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Re: Der Häftlingsarzt der Stasi – die unglaubliche Geschichte des Dr. Dorr

Beitragvon Olaf Sch. » 5. April 2020, 20:06

Nostalgiker hat geschrieben:Dieses einfache, holzschnittartige "Denken" begeistert mich immer wieder.


Da fühlt sich jemand von Diktaturen angezogen?
Olaf Sch.
 


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