DDR-Vergleiche "Gleichsetzung ist Bauernfängerei"
Verfasst: 3. August 2019, 12:25
Der Berliner Historiker Patrice Poutrus weist die Behauptung zurück, die heutigen Verhältnisse seien ähnlich wie die in der DDR. Gleichsetzungen seien Bauernfängerei, so Poutrus im Interview.
ARD-faktenfinder: Inwieweit ähneln die derzeitigen Verhältnisse denen in der DDR, wo gibt es Unterschiede?
Patrice Poutrus: Die gegenwärtigen Verhältnisse in Ostdeutschland sind deutlich verschieden zu denen im SED-Staat. Dies gilt für die politische Ordnung der Bundesrepublik, aber ebenso und wenn nicht noch viel spürbarer für die ökonomischen, ökologischen, sozialen und kulturellen Lebensumstände hierzulande. Diese rasanten Veränderungen haben viele Ostdeutsche als Zumutung und Überforderung empfunden und nicht wenige hegen deshalb einen Groll gegen die aktuellen Verhältnisse. Das trübt offenbar das Urteil über die untergegangene DDR und die Gründe für diesen Untergang, der ja maßgeblich von den Ostdeutschen herbeigeführt wurde. Das ermöglicht paradoxerweise zugleich eine krude Romantisierung der tatsächlichen Verhältnisse im SED-Staat.
Es geht also auch hier nicht um einen auf Fakten beruhenden systematischen Vergleich mit überwundenen Verhältnissen, sondern um eine willkürliche - gefühlte - Bezugnahme auf eine Geschichte, die es in der Vergangenheit so nicht gab. Die von namhaften AfD-Kadern aufgestellte Behauptung, wir würden heute in einer Diktatur leben, dient meiner Meinung nach der Legitimierung der antidemokratischen Ziele dieser Leute - und dieser Behauptung muss deshalb deutlich widersprochen werden.
"Bauernfängerei"
ARD-faktenfinder: Sehen Sie Ähnlichkeiten beim Vorgehen der Stasi und der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der AfD oder beim Vorgehen gegen Hatespeech?
Poutrus: Bei aller persönlichen Skepsis gegenüber den Zielen und Methoden des Verfassungsschutzes und vor allem der tatsächlichen Verfassungstreue mancher seiner Mitarbeiter, ist diese Gleichsetzung von VS und MfS/Stasi schlicht irreführend bzw. Bauernfängerei. Das MfS war in seiner Zielsetzung, seiner Zusammensetzung und seinen Methoden nicht an eine festgeschriebene Verfassung und deren Grundsätze gebunden und musste sich weder öffentlicher Kritik aussetzen, noch war es parlamentarischen Gremien gegenüber berichtspflichtig.
Dass AfD-Kader aber in dieser Weise gegen vorhandene Regularien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung polemisieren und zugleich sich auch nicht am Normenkatalog des Grundgesetzes, insbesondere Artikel 1, messen lassen wollen, zeigt nach meiner Meinung, wie weit das Personal dieser Partei von einer Anerkennung der Verfassungsordnung der Bundesrepublik entfernt ist - und wie wenig ihre Politik auf eine Sicherung bzw. den Ausbau demokratischer Verhältnisse ausgerichtet ist. Vielmehr steht zu erwarten, dass diese Behauptungen dazu dienen werden, gegenüber politischen Gegnern - Stichwort Volksverräter - so vorzugehen, wie es das MfS tat. Das Argument wäre dann aber: Das machen doch alle so.
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/ ... e-101.html
ARD-faktenfinder: Inwieweit ähneln die derzeitigen Verhältnisse denen in der DDR, wo gibt es Unterschiede?
Patrice Poutrus: Die gegenwärtigen Verhältnisse in Ostdeutschland sind deutlich verschieden zu denen im SED-Staat. Dies gilt für die politische Ordnung der Bundesrepublik, aber ebenso und wenn nicht noch viel spürbarer für die ökonomischen, ökologischen, sozialen und kulturellen Lebensumstände hierzulande. Diese rasanten Veränderungen haben viele Ostdeutsche als Zumutung und Überforderung empfunden und nicht wenige hegen deshalb einen Groll gegen die aktuellen Verhältnisse. Das trübt offenbar das Urteil über die untergegangene DDR und die Gründe für diesen Untergang, der ja maßgeblich von den Ostdeutschen herbeigeführt wurde. Das ermöglicht paradoxerweise zugleich eine krude Romantisierung der tatsächlichen Verhältnisse im SED-Staat.
Es geht also auch hier nicht um einen auf Fakten beruhenden systematischen Vergleich mit überwundenen Verhältnissen, sondern um eine willkürliche - gefühlte - Bezugnahme auf eine Geschichte, die es in der Vergangenheit so nicht gab. Die von namhaften AfD-Kadern aufgestellte Behauptung, wir würden heute in einer Diktatur leben, dient meiner Meinung nach der Legitimierung der antidemokratischen Ziele dieser Leute - und dieser Behauptung muss deshalb deutlich widersprochen werden.
"Bauernfängerei"
ARD-faktenfinder: Sehen Sie Ähnlichkeiten beim Vorgehen der Stasi und der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der AfD oder beim Vorgehen gegen Hatespeech?
Poutrus: Bei aller persönlichen Skepsis gegenüber den Zielen und Methoden des Verfassungsschutzes und vor allem der tatsächlichen Verfassungstreue mancher seiner Mitarbeiter, ist diese Gleichsetzung von VS und MfS/Stasi schlicht irreführend bzw. Bauernfängerei. Das MfS war in seiner Zielsetzung, seiner Zusammensetzung und seinen Methoden nicht an eine festgeschriebene Verfassung und deren Grundsätze gebunden und musste sich weder öffentlicher Kritik aussetzen, noch war es parlamentarischen Gremien gegenüber berichtspflichtig.
Dass AfD-Kader aber in dieser Weise gegen vorhandene Regularien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung polemisieren und zugleich sich auch nicht am Normenkatalog des Grundgesetzes, insbesondere Artikel 1, messen lassen wollen, zeigt nach meiner Meinung, wie weit das Personal dieser Partei von einer Anerkennung der Verfassungsordnung der Bundesrepublik entfernt ist - und wie wenig ihre Politik auf eine Sicherung bzw. den Ausbau demokratischer Verhältnisse ausgerichtet ist. Vielmehr steht zu erwarten, dass diese Behauptungen dazu dienen werden, gegenüber politischen Gegnern - Stichwort Volksverräter - so vorzugehen, wie es das MfS tat. Das Argument wäre dann aber: Das machen doch alle so.
https://www.tagesschau.de/faktenfinder/ ... e-101.html