War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Besondere Vorkommnisse in der Zeit des kalten Krieges

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 28. Oktober 2015, 15:14

Der 17. Juni 1953 darf nicht vergessen werden
von Günter Matiba

Am 17. Juni 1953 schossen und walzten modernste, russische Panzer einen Volksaufstand in der jungen "Deutschen Demokratischen Republik" (DDR) mit äußerster Brutalität nieder. Aus einem Streik der Bauarbeiter in der damaligen Stalinallee in Berlin gegen willkürlich erhöhte Arbeitsnormen war rasend schnell ein allgemeiner Volksaufstand in – laut Zeitzeugen – nahezu 500 Städten geworden.

Die DDR umfasste die sowjetische Besatzungszone und den sowjetischen Sektor von Berlin, obwohl für die deutsche Hauptstadt das "Viermächteabkommen über Berlin" galt und von den Siegermächten rein rechtlich nur gemeinsam verwaltet werden durfte. Aber das kümmerte im Kalten Krieg den Kreml und das SED-Regime überhaupt nicht.

Den hunderten stählernen Kriegsmaschinen mit Kanonen und Maschinengewehren standen hauptsächlich Arbeiter, aber auch viele andere Menschen aus allen Schichten des Volkes protestierend und schutzlos gegenüber. Ihre physische Bewaffnung: Bloße Fäuste, Stöcke und Steine wie schon bei den Urmenschen, vielleicht hier und da ein Molotow-Cocktail als ihre modernste Waffe. Aber sie besaßen unbesiegbare, geistige Waffen: Unbändigen Freiheitswillen, die Menschenrechte und den gerechten Zorn auf das verhasste, diktatorische Regime, das sich nicht auf die Mehrheit des Volkes, sondern auf die hochgerüstete, sowjetische Besatzungsmacht stützen konnte. Die Bonzen der "Sozialistischen Einheitspartei" (SED) in unheiliger Allianz mit dem "Freien Deutschen Gewerkschaftsbund" (FDGB) forderten immer höhere Arbeitsnormen bei gleicher Bezahlung. Sie ernannten linientreue "Hennecke-Typen" (angebliche Normübererfüller) zu Helden der Arbeit und dekorierten sie mit großem Pomp.

Das vorläufige Ende ist bekannt: Ein Blutbad mit vielen Toten und Verwundeten, Verhaftungen, Zuchthaus und Hinrichtungen, Menschenverachtung, Willkür und dumpfe Knechtung des Geistes - weitere quälende 36 Jahre lang.

Wie gut, dass die Abgeordneten im Bundestag der Bundesrepublik Deutschland damals den 17. Juni zum Tag der deutschen Einheit und zum gesetzlichen Feiertag erklärt hatten. Somit ist über Jahrzehnte hinweg immer wieder an die Hoffnung und den Wunsch nach Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands in Frieden und Freiheit erinnert worden.

http://www.erinnerungswerkstatt-norders ... 720_gm.php
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Beethoven » 29. Oktober 2015, 07:11

Interessierter hat geschrieben:Hier noch einige Fotos vom Aufstand

http://www.sueddeutsche.de/politik/volk ... .1698133-2



Bild 6 und 7 zeigen dann ja auch die "hochmodernen" sowjetischen Panzer, von den der Schreiber faselt und ein Bild weiter, schreibt selbst der Machen dieser Zeilen, von der "Niederschlagung der Protestbewegung".

Nun, dem füge ich mal nichts hinzu.

In diesem Sinne - Die Lüge ist wie ein Schneeball: Je länger man ihn wälzt, desto größer wird er. M. Luther
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Kumpel » 29. Oktober 2015, 07:37

Ob der T34 damals noch ein moderner Panzer war weiß ich nicht aber
wie weit unten muß ein System sein , das in Städten Kriegsgerät gegen die eigene Bevölkerung einsetzt.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 29. Oktober 2015, 08:55

Alfred Wagenknecht
28.11.1909 - 21.6.1953
gest. unter ungeklärten Umständen im Untersuchungsgefängnis in Niesky


Bild
Alfred Wagenknecht mit seinem Sohn

Alfred Wagenknecht wird am 28. November 1909 in Lauban (heute Luban) geboren, er arbeitet im elterlichen Fuhrgeschäft und der dazugehörigen Landwirtschaft in Rothenburg/Lausitz und macht sich 1935 dort als Fuhrunternehmer selbständig. Ein Bierverlag und ein Omnibus kommen hinzu, das Geschäft floriert; Alfred Wagenknecht ist verheiratet und hat fünf Kinder, als er 1939 zur Wehrmacht gezogen wird. Nach dem Krieg ist das Unternehmen - Rothenburg war Kampfgebiet - stark in Mitleidenschaft gezogen, doch schon im Juli 1945 wird der Juniorchef aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, und man kann damit beginnen, das Fuhrgeschäft wieder aufzubauen; eine Flüchtlingsfamilie hilft in der Landwirtschaft. Der tägliche Milchtransport bleibt das Hauptgeschäft und sorgt für ein konstantes Einkommen.

Am 17. Juni 1953 fährt Alfred Wagenknecht die Milch aus den umliegenden Dörfern zur Molkerei nach Görlitz. Auf dem Rückweg nimmt er einen in Görlitz befreiten Häftling mit nach Rothenburg und erfährt so von den Ereignissen in der Kreisstadt. Als er am 19. Juni gegen 18.00 Uhr von seiner Tour heimkehrt, wird er vor seinem Haus verhaftet. Er geht, wie er gekommen ist, in seinen Arbeitssachen mit den Polizisten, führt auch das Fahrrad mit, weil er nachher noch aufs Feld will. Er ist sich keiner Schuld bewusst und beruhigt die Kinder: "Habt keine Angst, ich gehe mit und kläre das."

Bild
Alfred und Helga Wagenknecht
Quelle: Privatarchiv Helga Urban

Nach zwei Tagen bekommt seine Frau Herta einen Anruf vom Volkspolizeikreisamt (VPKA) Niesky, dass ihr Mann im Gefängnis verstorben sei. (2) Im verschlossenen Sarg darf sie ihn abholen, wobei man ihr mitteilt, dass er erhängt in seiner Zelle aufgefunden worden sei und der Sarg nicht mehr geöffnet werden dürfe. (3) An dieses Verbot hält sich Herta Wagenknecht nicht: Ein herbeigerufener Arzt kann keine Strangulierungsmerkmale erkennen, statt dessen stellt er Verbrennungen an Fußsohlen und Schienbeinen, durch Schläge verursachte starke innere und Kopfverletzungen fest. (4) Freunde und Bekannte kommen, um den Toten zu sehen. Nun greift die Volkspolizei ein und ordnet die sofortige Beerdigung an. (5) Der Pfarrer lässt bei der Überführung auf den Rothenburger Friedhof die Glocken läuten und wird daraufhin einen Tag festgesetzt. Herta Wagenknecht wird angewiesen, mit niemandem über die Todesursache ihres Mannes zu reden.

Doch unter den zahlreichen Beerdigungsgästen hat sich längst herumgesprochen, dass sich dieser Mann nicht selbst getötet hat. So vermerkt die SED-Kreisleitung Niesky in einem Bericht: "In Rothenburg und den umliegenden Gemeinden tritt noch stark das Argument auf, dass der von den Staatsorganen festgesetzte Provokateur Wagenknecht aus Rothenburg, der in der Zelle Selbstmord beging, erschlagen worden wäre. Die Genossen in diesen Gemeinden haben nicht die Kraft, diesem Argument wirksam zu begegnen." (6) Alfred Wagenknecht hat ein Grab auf dem Rothenburger Friedhof, in der Schmiedegasse der Stadt erinnert seit dem Jahr 2000 ein Gedenkstein an ihn.

http://www.17juni53.de/tote/wagenknecht.html
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Beethoven » 29. Oktober 2015, 11:38

Kumpel hat geschrieben:Ob der T34 damals noch ein moderner Panzer war weiß ich nicht aber
wie weit unten muß ein System sein , das in Städten Kriegsgerät gegen die eigene Bevölkerung einsetzt.



Ich will nicht schon wieder die alte Harfe zupfen. [shocked]

Soweit ich weiß, waren die Erhebungen in Berlin, ergo in einem Teil von Deutschland. Nun ist mir jedenfalls nicht bekannt, dass dort gepanzerte Technik eingesetzt worden, die von Angehörigen der KVP bedient wurde oder zur KVP gehörte, sondern vornehmlich sowjetische Technik.
Wann war der Tag, es muss mir völlig entgangen sein, dass die Bevölkerung der DDR, zur Bevölkerung der Sowjetunion gezählt wurde.

In diesem Sinne - Die Menschen werden nicht als Staatsbürger geboren, sondern erst dazu gemacht. Spinoza
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Kumpel » 29. Oktober 2015, 13:50

Nun , da die herrschende SED ausschließlich von Moskaus Gnaden abhing kann man getrost sagen , daß auch die sowjetischen Panzer die gegen die deutsche Bevölkerung aufgefahren sind dies auf Bitten und ganz im Sinne und im Namen der SED taten.
Ich sehe keinen Unterschied in der damaligen Besatzungsarmee und der KVP , beide dienten dazu die ostdeutsche Bevölkerung in Schach zu halten um das stalinistische Regime zu halten.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Beethoven » 29. Oktober 2015, 15:20

Hm, Deine Sicht lieber Kumpel, sei Dir unbenommen. [hallo]

Ich gehe da zwar nicht mit aber das ist ja nicht Ausschlag gebend. Jeder kann hier ablassen was er will. Es ist ja ein demokratische Forum, gelle?

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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon HPA » 29. Oktober 2015, 15:33

Hä? Durch die Verhängung des Kriegsrechts durch die russischen Besatzer hatten ebenjene am gleichem Tag faktisch die Regierungsgewalt übernommen.
Eben schon mit Billigung der SED.
Die DDR Machthaber und ihre " Organe" waren da nur noch willige Hiwis und Vollstrecker.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Beethoven » 29. Oktober 2015, 16:05

Meine Rede HPA. Jedoch meinst Du, dass der OK der damaligen GSSD irgend jemanden um dessen Billigung befragt hat?
Eher wohl nicht.

Wie ich schon mal schrieb. Im Jahre 53, also 8 Jahre nach Beendigung des Krieges, hätten die Sowjets alles getan, damit die junge DDR nicht aus dem Bündnis bricht. Wäre die DDR ja sowieso nicht aber vorbeugen ist besser.

In diesem Sinne - Jede Großmacht besteht aus Kleinstaaten. Daniel Mühlemann
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Kumpel » 29. Oktober 2015, 16:46

Nun letztendlich verzapft hatten diesen Aufstand 1953 die SED Genossen selbst. Mit ihren Holzhammermethoden in Politik und Wirtschaft drängten sie die Bevölkerung geradezu zum Aufstand.
Die Russen retteten dann ihre Genossen, die vollkommen unfähig auf diesen Aufstand reagierten. Vergeblich suchte man noch jahrelang nach angeblichen Drahtziehern aus dem Westen.
Diese Lügenphrasen mußten dann noch bis 1989 herhalten um das rigide SED System zu legitimieren.
Kumpel
 

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 29. Oktober 2015, 18:22

Die Volkserhebung an der Oder-Neiße-Grenze in Görlitz am 17.6.1953

Originalbericht



Görlitz, jüngste Großstadt der Ostzone mit 110.000 Einwohnern, die Stadt an der Friedensgrenze, die Stadt, in der Grotewohl und Dertinger ihre Namen unter einen Vertrag setzten, durch den die Ostgebiete an Polen abgetreten wurden.

Görlitz, die deutsche Grenzstadt am Rande Asiens, deren Mauern die größte Waggonfabrik und das größte HO-Kaufhaus der Ostzone bergen.

Diese Stadt war am 17. Juni 53 im offenen Aufstand, in einem Aufstand, der an Geschlossenheit und verhältnismäßiger Größe der Erhebung von keiner anderen Stadt der Zone übertroffen wird.

Wie hat diese Stadt den 17. Juni erlebt?



7 Uhr früh:

In dem VEB LOWA Werk II, Waggonfabrik, Christoph-Lüder-Straße (Belegschaft ca. 6.000 Mann) hat eben die Frühschicht begonnen. In Halle 2 wird über die Vorgänge in der Stalinallee diskutiert. "Was die Maurer in Berlin können, das können wir auch" ruft ein Arbeiter über seinen Werktisch hinweg den anderen zu. "Klar", meint ein Kollege, "gehen wir doch alle raus auf den Hof und halten wir eine Protestversammlung ab". Dieser Vorschlag wird unter Beifall angenommen. Alle verlassen ihre Arbeitsplätze und strömen hinaus auf den Hof. Die Nachbarhalle schließt sich an. Bald ruht die Arbeit im gesamten Werk, der Hof wird zu eng, der Werkschutz wird beiseite gedrängt, die Tore fliegen auf, der Marsch durch die Stadt, der Marsch in die Freiheit beginnt.

8 Uhr:

2 - 3.000 LOWA-Arbeiter ziehen zum Werk I der VEB LOWA in der Brunnenstraße. Die dortigen Arbeiter - ca. 4.000 - schließen sich an. Vereint geht es weiter zum VEB Fein-Optik (früher Meyer) - Belegschaft ca. 250 Mann - auf der Fichtestraße. Hintereinander folgen: VEB Maschinenbau (EKM) - ca. 3.000 Mann Belegschaft -, VEB Kems Maschinenbau (früher Raupsch) - ca. 2.000 Mann Belegschaft -, Mattke & Sydow, Süßwarenfabrik -Belegschaft ca. 400 Mann -. Im letzteren Betrieb wird der dortige Treuhänder und frühere 2. Bürgermeister, der Volkskammerabgeordnete Sommer, LDP, von der wütenden Menge erwischt und verprügelt.

9.30 Uhr:

Langsam nähert sich der Zug dem Bahnhof und schwenkt in die Berliner Straße, der Hauptstraße von Görlitz, ein. Nun sind es bereits 12 - 15.000, die da Schulter an Schulter im langsamen Schritt der Stadtmitte sich nähern. Voran die Schlosser und Schweißer der LOWA, in ihren Werksanzügen, die Gesichter schweißverklebt, in Reihen zu zwanzig und mehr.

Sprechchöre ertönen: "Wir wollen freie und geheime Wahlen", "Senkt die Normen". und eine Weile später: "Gebt die politischen Gefangenen frei", und schließlich: "Wir wollen frei und keine Sklaven sein".

Wie gebannt steht zunächst die Bevölkerung auf den Bürgersteigen, in den Türen der Geschäfte, stürzt zu den Fenstern - und dann begreifen sie, das ist die Stunde, auf die sie alle 8 Jahre lang gewartet haben, das ist die Stunde der Befreiung! Ein Jubel der Begeisterung bricht an. Nun gibt es kein Halten mehr, alles eilt auf die Straße und schließt sich dem Zuge an. Die Rollos der Fenster rattern herab, Gewerbetreibende und Handwerker verlassen ihre Geschäfte, die gesamte Stadt ist im Aufbruch. Da marschieren sie gemeinsam Schulter an Schulter: die Schlosser der LOWA neben dem kleinen Gewerbetreibenden, der Arzt neben dem Koch aus dem HO-Hotel, der Angestellte neben dem Handwerker, die Verkäuferin neben dem Rechtsanwalt. Ein nie vorher gekanntes Gefühl der Gemeinsamkeit, der Solidarität hat alle ergriffen. Alle spüren, unseren Marsch kann keiner mehr aufhalten. Das ist der Anbruch der neuen Zeit für die Ostzone.

Das große HO-Kaufhaus am Domianiplatz taucht auf. Rufe ertönen: "Rauskommen! Mitmachen!" Die Verkäuferinnen zögern, fürchten für ihre Waren auf den Ladentischen vor ihnen. Da werden die ersten hinter ihren Verkaufstischen hervorgeholt, und nun gibt es auch für die anderen Verkäuferinnen kein Halten mehr; sie rechnen schnell ab, schaffen die Kassen in das oberste Stockwerk und reihen sich in den Demonstrationszug ein. Während dieser Zeit wird auch nicht eine Scheibe von den 20 großen Schaufensterscheiben eingeschlagen oder irgend etwas geplündert.

9,45 Uhr:

Der Zug erreicht den Obermarkt, zieht die Fleischerstraße hinunter zu den Tuchfabriken. (Belegschaft: VEB Volltuch ca. 400 Mann - VEB Feintuch ca. 300 Mann). Auch diese Werke schließen sich an.

10,30 Uhr:

Teile des Zuges haben den Untermarkt erreicht. In dem mittleren Gebäude ist eine getarnte Zweigstelle des Innenministeriums, die als Wehrbezirkskommando gilt, untergebracht. Kasernierte Vopo hat sich dort hinter die verschlossenen Türen zurückgezogen. Die Menge vermutet in ihrem Schutz den Oberbürgermeister Ehrlich, SED, einen Mann, gegen den sich in dieser Stunde der Haß und die Empörung der Bevölkerung richtet. Einige junge Arbeiter klettern an der Fassade hoch, eine Scheibe im ersten Stock wird eingedrückt und durch die so geschaffenen Öffnung Verhandlungen mit den Vopos im Innern aufgenommen. Ehrlich soll ausgeliefert werden. Nach einiger Zeit erscheint der Kopf eines Arbeiters am Fenster. Er teilt der Menge mit, daß der Oberbürgermeister das Stadtgebiet von Görlitz bereits verlassen habe. Die Bevölkerung antwortet mit Johlen und Pfeifen.

Die Empörung richtet sich jetzt gegen das Rathaus. Das Amtzimmer von Ehrlich im ersten Stock des alten historischen Rathausgebäudes wird gestürmt. Man räumt den Schreibtisch ab, Akten, Verfügungen, Schriftstücke usw. flattern wie ein weißer Regen durch die Fenster auf den Marktplatz. Die Menge klatscht Beifall. Dann kommen Bilder von Pieck, Grotewohl und Ulbricht im hohen Bogen durch die Fenster geflogen. Die Rahmen zersplittern auf dem Pflaster und die Größen der SED enden unter den Stiefeln und Fußtritten der Menge.

Weiter mit dem interssanten, längeren und packenden Beitrag hier:
http://www.17juni53.de/forum/forum/dach.html
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Beethoven » 30. Oktober 2015, 10:15

Kumpel hat geschrieben:Nun letztendlich verzapft hatten diesen Aufstand 1953 die SED Genossen selbst. Mit ihren Holzhammermethoden in Politik und Wirtschaft drängten sie die Bevölkerung geradezu zum Aufstand.
Die Russen retteten dann ihre Genossen, die vollkommen unfähig auf diesen Aufstand reagierten. Vergeblich suchte man noch jahrelang nach angeblichen Drahtziehern aus dem Westen.
Diese Lügenphrasen mußten dann noch bis 1989 herhalten um das rigide SED System zu legitimieren.


Das sehe ich auch so, lieber Kumpel. Bis auf die Sache mit den "Drahtziehern". Die sehe ich schon, wenn auch nicht ursächlich. Da war die Führung der DDR selber schuld.

Stupides erhöhen von Normen ohne dafür die Grundlagen zu schaffen bzw. den Arbeitern auch ein entsprechenden Anreiz zu geben, kann nur nach hinten los gehen. Da sind wir uns wohl einig. Hätten die Burschen da oben auch nur geahnt, was sie damit vom Zaune brechen, hätten sie vermutlich die Arbeitsnormen verringert. Nun, das Kind lag im Brunnen und die Arbeiter standen auf der Straße und schimpften und machten ihrem berechtigten Unmut Luft.

Das allein ist jedoch lange kein Volksaufstand. Nun erkannte RIAS (natürlich gelenkt) die Situation und heizte an. Und da viele Bürger unzufrieden waren, eskalierte die Situation in das, was heute die Westjournalie und eben auch die Gläubigen dieser Blätter als "Volksaufstand" bezeichnen.

Ich gehe ja noch mit, wenn man das als "Aufstand" bezeichnen würde. Aber selbst das fällt mir schon schwer.

Was ist ein Aufstand? Ich würde sagen, das ist ein gewaltsamer, durchaus militärisch geführter, bewaffneter Kampf, gegen eine Staatsgewalt, mit dem Ziel, den Überbau des Staates zu beseitigen und sich selber in diese Position zu bringen.

Ob das so richtig ist, kann ja gerne diskutiert werden.

Aus meiner Sicht waren die Handlungen der Arbeiter durchaus gewaltsam (wenn auch mehr auf Randale bedacht), militärisch geführt war es auf keinen Fall. Gegen die herrschende Staatsgewalt waren die Insurrkenten auf jeden Fall. Sie hätten selbst ohne das Eingreifen der sowjetischen Kräfte, den Überbau der DDR nicht beseitigen können und deren Position einnehmen können.
Insofern war es nur teilweise ein "Aufstand" und den gibt es nicht. Entweder "Aufstand in allen Facetten oder es ist eben keiner. Ein Volksaufstand war es mit Sicherheit nicht. Dazu waren viel zu wenig Bürger auf der Straße und haben sich aktiv an den Handlungen der Insurrktion beteiligt.

So sehe ich das zu mindestens. Jetzt könnt Ihr gerne losschlagen. [grins]

In diesem Sinne - Eine kleine Rebellion ab und zu ist eine gute Sache und ebenso notwendig in der politischen Welt
wie Stürme in der Physischen. T. Jefferson
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Volker Zottmann » 30. Oktober 2015, 10:57

Beethoven hat geschrieben:
Aus meiner Sicht waren die Handlungen der Arbeiter durchaus gewaltsam (wenn auch mehr auf Randale bedacht), militärisch geführt war es auf keinen Fall. Gegen die herrschende Staatsgewalt waren die Insurrkenten auf jeden Fall. Sie hätten selbst ohne das Eingreifen der sowjetischen Kräfte, den Überbau der DDR nicht beseitigen können und deren Position einnehmen können.
Insofern war es nur teilweise ein "Aufstand" und den gibt es nicht. Entweder "Aufstand in allen Facetten oder es ist eben keiner. Ein Volksaufstand war es mit Sicherheit nicht. Dazu waren viel zu wenig Bürger auf der Straße und haben sich aktiv an den Handlungen der Insurrktion beteiligt.

So sehe ich das zu mindestens. Jetzt könnt Ihr gerne losschlagen. [grins]

In diesem Sinne - Eine kleine Rebellion ab und zu ist eine gute Sache und ebenso notwendig in der politischen Welt
wie Stürme in der Physischen. T. Jefferson



...Du wolltest sicher wieder klug wirken.... Doch was ist denn das, eine Insurrktion? Beide Worte gibt es nicht!
Meinst Du womöglich eine Erhebung, also eine Insurrektion?

Gruß Volker
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Wosch » 30. Oktober 2015, 11:15

Volker Zottmann hat geschrieben:
Beethoven hat geschrieben:
Aus meiner Sicht waren die Handlungen der Arbeiter durchaus gewaltsam (wenn auch mehr auf Randale bedacht), militärisch geführt war es auf keinen Fall. Gegen die herrschende Staatsgewalt waren die Insurrkenten auf jeden Fall. Sie hätten selbst ohne das Eingreifen der sowjetischen Kräfte, den Überbau der DDR nicht beseitigen können und deren Position einnehmen können.
Insofern war es nur teilweise ein "Aufstand" und den gibt es nicht. Entweder "Aufstand in allen Facetten oder es ist eben keiner. Ein Volksaufstand war es mit Sicherheit nicht. Dazu waren viel zu wenig Bürger auf der Straße und haben sich aktiv an den Handlungen der Insurrktion beteiligt.

So sehe ich das zu mindestens. Jetzt könnt Ihr gerne losschlagen. [grins]

In diesem Sinne - Eine kleine Rebellion ab und zu ist eine gute Sache und ebenso notwendig in der politischen Welt
wie Stürme in der Physischen. T. Jefferson



...Du wolltest sicher wieder klug wirken.... Doch was ist denn das, eine Insurrktion? Beide Worte gibt es nicht!
Meinst Du womöglich eine Erhebung, also eine Insurrektion?

Gruß Volker



ist es nicht egal was er meint?

Wosch. [hallo]
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Beethoven » 30. Oktober 2015, 11:26

Volker Zottmann hat geschrieben:[

In diesem Sinne - Eine kleine Rebellion ab und zu ist eine gute Sache und ebenso notwendig in der politischen Welt
wie Stürme in der Physischen. T. Jefferson



...Du wolltest sicher wieder klug wirken.... Doch was ist denn das, eine Insurrktion? Beide Worte gibt es nicht!
Meinst Du womöglich eine Erhebung, also eine Insurrektion?

Gruß Volker[/quote]

Hm, sind wir wieder so weit, dass wir uns Fehler in der Rechtschreibung vorhalten?
Besser wäre es, Du wärst auf den Inhalt eingegangen.

In diesem Sinne - Was nennen die Menschen am liebsten dumm? Das Gescheite, das sie nicht verstehen. Ebner- Eschenbach
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 30. Oktober 2015, 11:53

Beethoven hat geschrieben:Was nennen die Menschen am liebsten dumm? Das Gescheite, das sie nicht verstehen. Ebner- Eschenbach


Ja, guter Spruch. So ist es. Und die Schlimmsten meinen zu wissen, dass sie nur herabschauen können....
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Werner Thal » 30. Oktober 2015, 12:45

Zurück zum Eingangsthema:
Es gibt in diesem Forum wohl kaum Zeitzeugen mehr, die diese Ereignisse
erlebt haben. Fest steht jedoch, das SED-Regime hat hinterher z. T. grausame
Rache an der erlittenen Schmach geübt. Und dieses Trauma wurde dieses
System NIE WIEDER LOS!!

Beispiel: 13. August 1961

Um nicht noch einmal ein Déjà-Vu-Erlebnis zu erzeugen, wurde DIESER TAG von
entsprechenden Stellen akribisch vorbereitet, einschließlich aller konspirativen
Methoden. Nicht allein deshalb war dieser Tag X ein Sonntag, nur ein Sonntag
kam in Frage, denn damals galt ja noch die 6-Tage-Arbeitswoche.

Fazit: Ein einmal erlebtes Ereignis vergisst man nicht mehr!

W.T.
Wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Volker Zottmann » 30. Oktober 2015, 13:24

Beethoven hat geschrieben:Hm, sind wir wieder so weit, dass wir uns Fehler in der Rechtschreibung vorhalten?
Besser wäre es, Du wärst auf den Inhalt eingegangen.

In diesem Sinne - Was nennen die Menschen am liebsten dumm? Das Gescheite, das sie nicht verstehen. Ebner- Eschenbach


Nein @beethoven, das hat nichts mit Verbessern zu tun. Beim 2. Wort fehlte demnach nur ein E. Das erste Wort aber gibt es überhaupt nicht. Daher weiß kein Mensch, was Du eigentlich willst. Einfach mal halb so gebildet tun und mit einfachen Worten erklären, führt schneller ans Ziel.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Beethoven » 30. Oktober 2015, 13:35

Lieber Volker, was Du glaubst zu wissen ist doch nur dann interessant, wenn es ums Thema geht. Alles andere ist doch nur Redundanz.

Wie würdest Du denn "Aufstand" oder "Revolution" definieren (?), wäre zum Thema passend.

In diesem Sinne - und getreu dem Motto: "Kaum verloren wir das Ziel aus den Augen, verdoppelten wir unsere Anstrengungen." M. Twain
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon pentium » 30. Oktober 2015, 13:37

Herrlich, köstlich, in diesen eigentlich ernsten Thema, da wollte jemand den User "Superschlau" geben und rumms...

@Beethoven: Insurgenten statt Insurrkenten
Insurrektion statt Insurrktion

Also weniger schlaue Sprüche und Fremdwörter...

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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 30. Oktober 2015, 14:13

Herbert Wehner und der 17. Juni - Er erfand den "Tag der deutschen Einheit"
Von Christoph Meyer

Was heute der 3. Oktober, war früher, in der alten Bundesrepublik, der 17. Juni, nämlich der "Tag der deutschen Einheit", also der nationale Feiertag, an dem des Arbeiteraufstandes von 1953 gedacht wurde. Es war der gebürtige Dresdner Herbert Wehner, von 1949 bis 1966 Vorsitzender des Bundestagsausschusses für gesamtdeutsche Fragen, der diesen Feiertag im Bundestag durchsetzte und ihm seinen Namen gab.

Vom Aufstand im Osten zum Feiertag im Westen

Als Arbeiter und Bevölkerung in der gesamten DDR sich am 16., 17. und 18. Juni 1953 gegen das SED-Regime erhoben, stießen sie in der Bundesrepublik auf breite Sympathie in allen politischen und gesellschaftlichen Gruppen. Aber eingreifen wollte (und konnte) der Westen nicht. Zu groß wäre die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung gewesen. Aber die Demonstrationen im Osten boten von Anfang an Anlaß zu Demonstrationen im Westen.
Schon am 17. Juni 1953 selbst veranstaltete die SPD in West-Berlin eine Solidaritätskundgebung mit 10.000 Teilnehmern. Auch in Westdeutschland setzten sich Menschen in Bewegung, so die Aachener Studentenschaft mit einem Schweigemarsch am Abend des 18. Juni sowie die Bürger von Marl am 20. Juni. Am 23. Juni 1953 gedachten schließlich vor dem Schöneberger Rathaus mehrere zehntausend Menschen der Opfer des Aufstandes.

Es bot sich also geradezu an, den 17. Juni zu einem Tag der Bekenntnisse zur Wiedervereinigung zu machen. Als erstes schlug, am 24. Juni 1953, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen "Nationalen Gedenktag" vor, und schon wenige Tage später forderte die SPD, den 17. Juni zum "Nationalfeiertag" zu erheben. In einer Bundestagsdebatte zum Aufstand sprachen für die SPD ein junger Abgeordneter aus Berlin namens Willy Brandt und Herbert Wehner. Dieser zitierte Karl Marx, als er formulierte: "Die Arbeiter sind zwar geschlagen worden, aber sie sind nicht besiegt! Besiegt sind ganz andere, das wird die Geschichte zeigen!" Die Anträge zum Gedenk- bzw. Feiertag wurden in die Ausschüsse überwiesen.

In der Ausschußsitzung am 2. Juli sprach die CDU sich zunächst gegen den Feiertag aus. Der 17. Juni solle lediglich ein "Nationaler Gedenktag des deutschen Volkes" werden. Die oppositionelle SPD, angeführt von ihrem Ausschußvorsitzenden Herbert Wehner, bestand jedoch auf der Einführung eines Feiertages. Herbert Wehner war es, der den Namen "Tag der deutschen Einheit" vorschlug. Die Regierungsfraktionen wollten sich keine Blöße geben. Denn mit ihrem einseitigen Westbindungskurs trug die Adenauer-Regierung de facto zur Vertiefung der deutschen Teilung bei. Für dieses Handeln nun auch noch durch die Ablehnung eines der Wiedervereinigung gewidmeten Feiertags ein Symbol zu setzen, das wäre wenige Monate vor den Bundestagswahlen von 1953 eine gute Argumentationsgrundlage für die deutsche Wiedervereinigungspartei der fünfziger und sechziger Jahre, nämlich die SPD, gewesen. Und so wurde schon am 3. Juli 1953, also gut zwei Wochen nach dem Aufstand, mit den Stimmen aller Parteien außer der KPD das "Gesetz über den Tag der deutschen Einheit" verabschiedet.

Reden zum Tag der deutschen Einheit


Bei der wechselvollen Entwicklung des "Tages der deutschen Einheit" war Herbert Wehner (fast) immer mit von der Partie. Im Jahre 1954 gehörte er zusammen mit Jakob Kaiser (CDU), Erich Ollenhauer (SPD), Thomas Dehler (FDP), Wilhelm Wolfgang Schütz und anderen zu den Begründern des Kuratoriums Unteilbares Deutschland. Jahr für Jahr veranstaltete diese Organisation zum 17. Juni Demonstrationen, Feierstunden, Schweigemärsche, Fahnenstafetten und vieles mehr. Die Beteiligung lag Ende der fünfziger bis Mitte der sechziger Jahre alljährlich bei weit über einer Million Menschen. Tausende von Politikern sprachen auf Kundgebungen in allen Orten der Bundesrepublik und West-Berlin.

Wehner als Sozialdemokrat war stolz darauf, so meinte er am 17. Juni 1961, daß gerade "die arbeitende Bevölkerung" mit "bloßen Händen" die "Embleme der Diktatur von den Postamenten riß". Er geißelte in seinen Reden den "kommunistischen Separatismus", kritisierte scharf das undemokratische SED-Regime. Aber er wies auch darauf hin, daß die Machthaber in der DDR Möglichkeiten zu menschlicheren Entscheidungen hatten. Und er forderte sie auf, diese Möglichkeiten zu nutzen, Gefangene freizulassen.

Herbert Wehner suchte, so drückte er es am 17. Juni 1957 in Dortmund aus, "die Verbindung zu den Herzen" derjenigen, die nach dem Aufstand inhaftiert worden waren. Die Fluchtbewegung nahm Wehner aufmerksam zur Kenntnis. Am 17. Juni 1961 sagte er den Bau der Mauer voraus: Er behauptete, daß SED-Chef Ulbricht bei Chruschtschow darauf dränge, "daß Berlin und die Zone hermetisch gegen das übrige Deutschland abgeriegelt werden". Acht Wochen später wurde die Mauer errichtet.
Herbert Wehner war, wie seine Reden zum 17. Juni zeigen, einer der klarsichtigsten Deutschlandpolitiker der Bundesrepublik. Während viele Beiträge anderer Politiker sich auf platte antikommunistische Propaganda beschränkten, im wesentlichen einen Kalten Krieg führten, sind die Reden Wehners von einer tiefen Menschlichkeit und Mitgefühl gekennzeichnet, wie es wohl nur einer empfinden konnte, der selbst von seiner sächsischen Heimat geprägt war - und der - dank seiner Moskauer Emigrationszeit - das kommunistische Regime von innen kannte.

Herbert Wehner beschränkte sich nicht aufs Reden. Er half den Menschen in der DDR. Als Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen (1966-1969) verstärkte er die Bemühungen um den Freikauf politischer Häftlinge, und als Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion (1969-1983) setzte er diese Anstrengungen fort. Natürlich geschah dort vieles auf verdeckten Kanälen, handelte es sich um die Bestechung eines korrupten Systems. Aber hier ging es um die Schicksale von Personen, um konkrete Menschlichkeit. Tausende von Menschen haben ihre Freiheit den Bemühungen von Herbert Wehner zu verdanken.

http://www.17juni53.de/forum/forum/popup_meyer.html

Für mich war Herbert Wehner ein ganz grosser, wenn auch kantiger und oft verkannter Politiker. Wenn ich da an heutige SPD - Politiker denke, dann graust mir einfach.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Wosch » 30. Oktober 2015, 16:09

Werner Thal hat geschrieben:Zurück zum Eingangsthema:
Es gibt in diesem Forum wohl kaum Zeitzeugen mehr, die diese Ereignisse
erlebt haben.
Fest steht jedoch, das SED-Regime hat hinterher z. T. grausame
Rache an der erlittenen Schmach geübt. Und dieses Trauma wurde dieses
System NIE WIEDER LOS!!

Beispiel: 13. August 1961

Um nicht noch einmal ein Déjà-Vu-Erlebnis zu erzeugen, wurde DIESER TAG von
entsprechenden Stellen akribisch vorbereitet, einschließlich aller konspirativen
Methoden. Nicht allein deshalb war dieser Tag X ein Sonntag, nur ein Sonntag
kam in Frage, denn damals galt ja noch die 6-Tage-Arbeitswoche.

Fazit: Ein einmal erlebtes Ereignis vergisst man nicht mehr!

W.T.



Zugegeben, es werden immer weniger Zeitzeugen die den 17. Juni´s 1953 in "persönlicher" Erinnerung behalten haben.
Ich wohnte (elfjährig) zum Zeitpunkt des Geschehens in Ludwigslust, einer mecklenburger Kreisstadt mit einer großer russischen Garnision, und kann mich noch sehr genau an die an diesen Tagen allseits vorhandenen russischen aufmunitionierten Soldaten in ihren "Pellerinen" mit aufgesetzten Stahlhelmen und Maschinenpistolen vor der Brust erinnern. Mit meinen 11 Jahren erfaßte ich diesen Tag damals noch nicht in seiner ganzen "Bandbreite", die an "strategisch" wichtigen Punkten stationierten "T 34"-Panzer erzeugten bei uns Kinder mehr Neugierde als Furcht, daß diese Tage aber ganz anders waren als der normale Alltag, das merkten wir schon.
Die Tage danach gingen einher mit den endlosen Verhaftungen und darauf folgenden Verurteilungen all Derer, die sich kritisch dem Regime gegenüber geäußert hatten, oder wenigstens in diesen Ruf gekommen waren. Die durch russische Truppen "gerettete" SED-Herrschaft nahm ihr "Überleben" sogleich als Anlaß ihr defacto "faschistisches" Regime noch unmenschlicher zu installieren als wir Kinder es bis dahin erfahren hatten.
Von den damaligen Erwachsenen wurden wir Kinder in dieser Zeit zum Stillschweigen in der Öffentlichkeit "vergattert", wenn es darum ging was zu Hause erzählt wurde und zumindestens ich hatte das mit meinen 11/12 Jahren schon verstanden.
Natürlich war der 17. Juni 1953 eine Volkserhebung gegen das Regime, er war auch ein Aufstand gegen die Diktatur einer nicht frei gewählten kriminellen "Polit-Bande", die gestützt auf russische Bajonette ein ganzes deutsches Teilvolk in persönlicher Gefangenschaft hielt, wenn auch ein "mißglückter"
Man sollte das nicht vergessen und sich nicht einreden lassen das Wilhelm Pieck, Ulbricht und Grotewohl in der DDR beliebt waren, nein-man wollte sie zum "Teufel" jagen und mit ihnen die ganze SED, man wollte "FREI" sein!

Wosch. [hallo]
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Edelknabe » 30. Oktober 2015, 17:56

Siehe unser Wolfgang mit:

"Von den damaligen Erwachsenen wurden wir Kinder in dieser Zeit zum Stillschweigen in der Öffentlichkeit "vergattert", wenn es darum ging was zu Hause erzählt wurde und zumindestens ich hatte das mit meinen 11/12 Jahren schon verstanden."
Textauszug ende

Auch so ein wunderbarer Käse denn Wolfgang, wenn sich deine Eltern im Umfeld des Tages sinngemäß das Maul über die Kommunisten/die Russen zerrissen haben werden Sie wohl gerade den Sohnemann mit eingeschlossen haben. Ein Elfjähriger" köstlich, verstand sinngemäß schon den politischen Kram noch köstlicher". Dazu Muttern noch ...wars Lehrerin oder Direktorin? Und redet dann im Beisein des Sohnemannes mit eigenem Mann richtig Klartext....wem willst du das denn....vergiss es besser.

Rainer-Maria also ich denke eher, du träumst dir da heute was zusammen. Liegt ja auch schon paar Jahrzehnte zurück.Genauer über 62 Jahre. Ich überlegte gerade, was ich 1964 als Elfjähriger .....und leider fällt mir dazu nichts weltbewegendes ein.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Volker Zottmann » 30. Oktober 2015, 18:13

Ihr müsst ja ein träger Familienclan gewesen sein Rainer-Maria.
Natürlich war es an der Tagesordnung, dass Kinder instruiert worden, was sie hörten nicht wieder zu erzählen. Nicht in jeder Familie wurden die Kinder vor de Tür gestellt, wenn sich Eltern oder Freunde was erzählten. Von klein auf wurde uns das eingeimpft; Doppelzüngigkeit war doch DDR-Standard. Hast sicher so Einiges verpasst oder verdrängt.....

Gruß Volker
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Kumpel » 30. Oktober 2015, 18:39

Bei uns war das auch so. Alles was die Eltern sagten , speziell politische Gespräche in der Familie waren nach aussen absolutes Tabu.
Das wurde einmal von meinem Vater gesagt und ab da war das Gesetz. Die Notwendigkeit habe ich erst später richtig begriffen.
Manche politischen Gespräche wurden auch erst garnicht in Anwesenheit von uns Kindern geführt, ich als Steppke war aber sehr neugierig und habe mal an der Tür gelauscht und da ging es gerade um Wolf Biermann.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Edelknabe » 30. Oktober 2015, 18:42

"Von klein auf eingeimpft"...noch köstlicher Volker? Meine Kindheit war so unbedarft, so unkompliziert....und dann hätten noch meine Eltern or ne ich fasse es nicht.

Rainer-Maria aber ja doch, "es war ein vollkommen träger Familienclan, aber ja doch". Und ja Kumpel, da wart Ihr schon Drei.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 30. Oktober 2015, 19:08

Edelknabe hat geschrieben:"Von klein auf eingeimpft"...noch köstlicher Volker? Meine Kindheit war so unbedarft, so unkompliziert...


Gab es überhaupt bei euch politische Gespräche? Wie alt warst du da?
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 30. Oktober 2015, 19:34

Zitat Edelknabe:
Ein Elfjähriger" köstlich, verstand sinngemäß schon den politischen Kram noch köstlicher".


Es soll aber auch ehemalige DDR - Bürger geben, die es selbst nach 60 Jahren noch nicht verstanden haben. Ob das köstlich oder einfach peinlich ist, lasse ich einmal dahingestellt... [denken]
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Beethoven » 31. Oktober 2015, 08:19

Nu dreht ma nich so an de Knöppe.

Beim Kumpel bin ich verwundert, weil doch ein Bruder dann zur eigentliche ja "verhaßten" NVA gegangen ist.

Einer meiner Enkel ist jetzt 12 Jahre als. Wenn ich mir überlege, dass der politische Zusammenhänge begreifen sollte, die dann auch noch von Papi und Mami hinter vorgehaltener Hand besprochen wurden seien mir doch erheblich Zweifel erlaubt. Den Müll glaubt ihr doch selber nicht oder redet ihr Euch das in die Tasche, weil es so gut hier her passt? Schwachsinn.

Ich war 53 noch nicht geboren, habe aber zum Beispiel 68 noch in schwächster Erinnerung. Da war ich 13 Jahre alt und glaubt mir, ich komme aus einem politischen Elternhaus. Ohne jemanden zu nahe treten zu wollen, dass ist Schwachsinn, wenn jemand behauptet, dass er sich gut daran erinnern kann und zu jener zeit 11 Jahre alt war.

In diesem Sinne - Altern ist ein hochinteressanter Vorgang: Man denkt und denkt und denkt - plötzlich kann man sich an nichts mehr erinnern. Ephraim Kishon
Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat. J. W. v. Goethe

Das Gesetz ändert sich, die Gesinnung nicht.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Interessierter » 31. Oktober 2015, 09:23

Zitat Beethoven:
Ohne jemanden zu nahe treten zu wollen, dass ist Schwachsinn, wenn jemand behauptet, dass er sich gut daran erinnern kann und zu jener zeit 11 Jahre alt war.


Also ich kann mich noch sehr gut sogar an viele ( nicht alle ) Dinge erinnern, die ich noch vor meinem 11. Lebensjahr erlebte. So beispielsweise an meine Einschulung und Ereignisse in den ersten Schuljahren im Alter von 6 bis 10 Jahren. Bei Klassentreffen erinnern sich dann auch andere " Ehemalige " an ihre Erlebnisse in diesem Alter.
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