War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Besondere Vorkommnisse in der Zeit des kalten Krieges

Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon Edelknabe » 18. Juni 2023, 07:51

Nostalgiker mit dem hier:

"Ein Mitarbeiter des Betriebsschutzes wurde von einer wütenden Menschenmenge erschlagen." Textauszug ende

War das zufällig in Leipzig passiert? Weil, der Lebensgefährte(verstorben um 2021) meiner Mutter erzählte einmal davon, das der Pförtner seines Elektro VEB (wohl überzeugter Kommunist) sich mit Arbeitskollegen geprügelt hatte, die damals zu Demos gehen wollten.

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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 18. Juni 2023, 08:38

Ergänzend zu Nostalgikers Beitrag

Den Rechercheergebnissen einer Forschergruppe unter Leitung von Edda Ahrberg, Hans-Hermann Hertle und Tobias Hollitzer aus dem Jahr 2004 zufolge sind 55 Todesopfer durch Quellen belegt, unter ihnen vier Frauen:

34 Demonstranten, Passanten und Zuschauer wurden am 17. Juni und den Tagen danach (bis zum 23. Juni) von Volkspolizisten und sowjetischen Soldaten erschossen bzw. starben an den Folgen der ihnen zugefügten Schussverletzungen

fünf Männer wurden von Instanzen der sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland zum Tode verurteilt und hingerichtet

zwei Todesurteile wurden von DDR-Gerichten verhängt und vollstreckt

vier Personen starben in Folge menschenunwürdiger Haftbedingungen

vier in Zusammenhang mit dem Juni-Aufstand Festgenommene begingen in der (Untersuchungs-)Haft Selbstmord, wobei zumindest in zwei Fällen Fremdeinwirkung nicht auszuschließen ist

ein Demonstrant verstarb beim Sturm auf ein Volkspolizei-Revier an Herzversagen

fünf Angehörige der DDR-Sicherheitsorgane wurden getötet: zwei Volkspolizisten und ein MfS-Mitarbeiter bei der Verteidigung eines Gefängnisses von Unbekannten erschossen, ein Mitarbeiter des Betriebsschutzes von einer wütenden Menge erschlagen und ein weiterer Volkspolizist versehentlich von sowjetischen Soldaten erschossen

Von 25 weiteren, vermeintlichen und ungeklärten Todesfällen ist bei sieben Personen belegt, dass sie nicht im Zusammenhang mit dem Volksaufstand ums Leben kamen.

Wegen angeblicher Befehlsverweigerung sollen in Berlin und Biederitz bei Magdeburg angeblich 41 sowjetische Soldaten erschossen worden sein. Dazu konnten bisher keine gesicherten Hinweise gefunden werden. Dem aktuellen Forschungsstand zufolge handelt es sich um eine Legende des Kalten Krieges.


Weitere Fotos und Infos:
https://www.bpb.de/themen/deutsche-teil ... juni-1953/

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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon pentium » 18. Juni 2023, 11:16

Nach dem Aufstand des 17. Juni
Ließ der Sekretär des Schriftstellerverbands
In der Stalinallee Flugblätter verteilen
Auf denen zu lesen war, daß das Volk
Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe
Und es nur durch verdoppelte Arbeit
Zurückerobern könne. Wäre es da
Nicht doch einfacher, die Regierung
Löste das Volk auf und
Wählte ein anderes?

Bertolt Brecht über Volk nach dem Gedicht: Die Lösung.
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon pentium » 21. Juni 2023, 15:12

Das Nachwirken des 17. Juni
Der Dichter Heiner Müller erzählt in seinem Erinnerungsbuch eine Anekdote, die ein Licht auf die Denkweise von Ulbricht und auf seine Sicht auf den 17. Juni 1953 wirft: „Irgendwann traf ich in Ahrenshoop Jan Koplowitz, einen DDR-Schriftsteller, er erzählte mir, er habe Ulbricht getroffen, und der habe ihn gefragt: ‚Nu, Genosse Koplowitz, was schreibst'n jetzt?' Koplowitz war noch im ,Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller' gewesen und sagte: ‚Ich will jetzt ein Buch über den 17. Juni schreiben.' Da hat ihm Ulbricht erklärt, wie er das schreiben muss: ‚Nu, pass uff, das musste so schreiben. Da ist ein Funktionär, ja, und der hat Mist gebaut und muss in die Produktion, an die Basis. Und nu hat er weeche Hände, Macht macht weeche Hände, und kann nicht arbeeten, und nu moopt er.' Also eine Erklärung des 17. Juni aus der Schwierigkeit eines Funktionars, der an die Basis versetzt wird und nicht mehr so richtig körperlich arbeiten kann.“

Die Ergebnisse des 17. Juni wirkten sich traumatisch aus. Deshalb gehörte es zu den wichtigsten Sätzen, die 1989 von Mund zu Mund gingen, dass diesmal die sowjetischen Panzer in den Kasernen bleiben und nicht fahren werden.

Die sowjetischen Panzer standen am Anfang der DDR, sie sicherten sie ab, und als sie nicht mehr dazu bereit waren, verschwand die DDR.
Wir brauchen den Gedenktag des 17. Juni als Feiertag der Demokratie nötiger denn je.

b Dr. Klaus-Rüdiger Mai ist Schriftsteller und Publizist. Soeben erschien „Der kurze Sommer der Freiheit. Wie aus der DDR eine Diktatur wurde“ (Herder).www.herder.de
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Re: War der 17. Juni 1953 eine Erhebung oder eine Revolution?

Beitragvon augenzeuge » 21. Juni 2023, 15:38

und nu moopt er.


Müsste man vielleicht übersetzen.....für die vielen Nichtsachsen hier.
Nu?! [flash]

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