Am 05. Juni 2010 lief auf RBB zum wiederholten Male die Dokumentation "Entführung aus Liebe". In dem Film wird dokumentiert, wie zwei DDR Bürger ein Linienflugzeut der polnischen Luftfahrtgesellschaft LOT nach West-Berlin entführen.
Der Flug sollte eigentlich in Berlin-Schönefeld beendet werden. Die Frau, die Kellnerin Ingrid Ruske und ein ehemaliger Kollege, ebenfalls Kellner, Detlef Tiede zwangen das Flugzeug, welches mit 62 Insassen besetzt war zu der Kursänderung. Von den Insassen waren 50 Bürger der DDR. Ingrid Ruske wollte mit Hilfe ihres Geliebten über Polen mit gefälschten Papieren mit einer Fähre nach Travemünde fliehen. Der Bekannte Tiede diente dazu, zu testen, ob es bei den Kontrollen irgendwelche Probleme gab. Er hatte vorher bereits sieben Ausreiseanträge gestellt, diese waren alle abgelehnt worden. Der westdeutsche Geliebte war auf der Bahnfahrt von Westberlin nach Polen im Zug von den Sicherheitsorganen der DDR verhaftet worden. Die Stasi hatte von den Fluchtplänen erfahren. In den Absätzen des Mannes fanden die Stasi Mitarbeiter Gummistempel für die Ein- und Ausreise. Als der Mann nicht wie vereinbart in Danzig auftauchte warteten Tiede und Ruske noch vier Tage. Dann stand für die beiden fest, das irgendetwas mit dem Geliebten der Ruske passiert sein mußte. Sie verkauften auf Märkten ihre gesamte mitgeführte Habe und erwarben mit diesen Mitteln Tickets für einen Flug nach Berlin-Schönefeld. Tiede führte eine Kinderpistole aus Plastik mit. Als das Flugzeug kurz vor der Landung in Ost-Berlin war, stand Tiede auf, ging nach vorn und nahm mit Hilfe der Spielzeugpistole einen Steward als Geisel und befahl der Besatzung nach Berlin-Tempelhof in West-Berlin zu fliegen. Dem polnischen Piloten blieb keine ander e Wahl. Die Maschine landete in West-Berlin. Sieben weitere DDR Bürger nutzten spontan ihren Aufenthalt in West-Berlin und blieben ebenfalls im Westen. Diese Flugzeugentführung wurde allein von den US-Amerikanern juristisch aufgearbeitet. Kurz zuvor hatte auch die US-Regierung ein internationales Abkommen unterzeichnet, in dem jede Entführung eines Flugzeugs als terroristischer Akt gewertet wurde. In der Folgezeit wurden gegen Tiede und Ruske die Anklagen vorbereitet.
Erstmals in der Geschichte wurde ein eigenes nicht-militärisches US-amerikanisches Gericht (der United States Court for Berlin) eingerichtet. Als zuständiger Richter wurde Herbert J. Stern aus Newark bei New York nach Berlin geschickt. Die Hoffnung auf ein sehr schnelles Ende des Verfahrens scheiterte an der Gewissenhaftigkeit und an der Auffassung über Recht des Richters. Er bestellte ca. 500 West-Berliner ein, um aus ihnen per Losverfahren 12 Geschworene auszuwählen. In diesem wurde das Verfahren gegen Ingrid Ruske eingestellt, da sie als Beschuldigte nicht ordnungsgemäß über ihre Rechte belehrt wurde. Detlef Tiede wurde zu neun Monaten Haft verurteilt. Diese Zeit war bereits durch die Untersuchungshaft abgegolten.
Der Geliebte von Ingrid Ruske, Horst Fischerwurde in DDR abgeurteilt. Kurz vor der Verhandlung wurde die Anklage von Fluchthilfe auf Menschenhandel geändert, da hierdurch eine längere Strafe möglich war. Er wurde von einem Gericht zu 8 Jahren verurteilt und nach gut zwei Jahren von der Bundesrepublik freigekauft. Während seiner Haft hatte er zwei Schlaganfälle erlitten.
Die Flugzeugentführung vom 30. August 1978 war damit juristisch und politisch aufgearbeitet.
Links:
Ein Bericht über die Doku des RBB: http://www.rbb-online.de/fernsehen/prog ... 56261.html
Ein ausführlicher Bericht: http://www.freitag.de/2008/32/08322101.php
In Englisch für Berliner : http://www.dw-world.de/dw/article/0,214 ... 71,00.html
und ein Bericht in "Zeit Online" : http://www.zeit.de/1979/23/Berlin-Wolle ... Richter-11