Die Zusammenarbeit der bulgarischen Staatssicherheit mit dem MfS

Alles zum Thema Geheimdienste und Sicherheit in der DDR und in der BRD

Die Zusammenarbeit der bulgarischen Staatssicherheit mit dem MfS

Beitragvon augenzeuge » 13. Januar 2024, 11:23

Das wohl einschneidenste Datum in der Zusammenarbeit zwischen dem MfS und der DS war der 13.8.1961. Im Sommer 1962 war ein rasanter Anstieg von versuchten und gelungenen Fluchten von DDR-Bürgern an den Grenzen Bulgariens mit Griechenland und der Türkei zu verzeichnen. Die „Abstimmung mit den Füßen“ durch die Ostdeutschen aufhalten, konnte das MfS oder die DS auch in Bulgarien nicht, denn die Gesamtzahl der Fluchtversuche blieb auf dem höchsten Niveau außerhalb Deutschlands.

Von nun an verlief die „verlängerte Mauer“ auch in Bulgarien. Bemerkenswert war dabei, dass die Fluchtbewegungen von DDR-Touristen, die die Gefahr der bulgarischen Grenzen wohl irrtümlich stark unterschätzten, für die DS und die bulgarischen Grenztruppen weniger Auswirkungen hatten als für das MfS. Die „Mauer“ an Bulgariens Grenzen stand nämlich schon seit spätestens 1953, als per Erlass des Innenministers ein Schießbefehl an der Staatsgrenze angeordnet wurde. Dieser hatte bis in die 90er Jahre Bestand und kostete, laut Schätzungen des Innenministers Dimitar Ludzhev von 1992, mindestens 339 Menschen das Leben, darunter mindestens 20 Bürger der DDR.

Darüber hinaus wurden über die Jahre hunderte bulgarische und ost-deutsche Bürger bei dem Versuch, die Grenze in den Westen zu überqueren, verletzt, gefangen, gefoltert und wegen „Republikflucht“ oder „Landesverrat“ jahrelang eingesperrt. Hierfür wurde über die Jahre ein perfides System aus Spitzeln in den Touristen- und Grenzgebieten, Grenzstreifen, Signalgrenzzäunen und dichter Überwachung durch Grenzsoldaten etabliert. Die Stasi trug dazu durch die Entsendung ihrer eigenen Operativgruppe bei, die zunächst nur saisonal in Varna, später auch in Burgas und ganzjährig in Sofia arbeitete. Mit sich brachten sie ein dichtes Netz aus sog. „Reise-IM“, die Fluchtsignale rechtzeitig melden sollten; Beobachtungsgruppen wurden getarnt auf Zeltplätzen untergebracht und jährliche Absprachen der zuständigen Abteilungen im Frühjahr sollte die Zusammenarbeit verbessern. Wie in andere Länder auch, so exportierte die Stasi sogar die MfS-eigenen Passabfertigungskabinen nach Bulgarien, um die Bruderländer mit derselben Technik wie die Grenzübergangsstellen der DDR auszurüsten.

In den 1970er Jahren tat sich eine der Chimären auf, an denen die kommunistischen Staatssicherheitsdienste letztlich zerbrechen sollten. Ihrer Konzeption nach als Kinder des Kalten Krieges stalinistischer Prägung, interpretierten KGB, MfS und DS die Entspannungspolitik und das „politische Tauwetter“ als neuen Versuch der „politisch-ideologischen Diversion“ des Westens.

Hinter der Friedens- und Annährungsrhetorik meinte man stets neue Maßnahmen zur ideologischen Zersetzung der sozialistischen Gemeinschaft erkennen zu können. So waren es gerade die „langen 70er Jahre“ nach dem Prager Frühling, in denen es die Staatssicherheitsdienste mit Dissidenten zu tun hatten, von denen Al. Solschenizyn, Wolf Biermann oder Georgi Markov nur die spektakulärsten waren. Obgleich die Repressionsapparate in vielfältigster Weise darauf reagierten und vor keinem Mittel zurückschreckten, war hierbei keine klare Linie zu erkennen. Dies galt auch für die Zusammenarbeit der Stasi mit der bulgarischen DS. Spätestens seit 1968 war die sog. „politisch-ideologische Diversion“ ein Dauerthema des Erfahrungsaustauschs zwischen den ost-deutschen und bulgarischen Genossen.


Der Fall Petar Semerdzhiev
Die „Entlarvung“ der „ideologischen Diversion“ des Westens wurde im Zuge der Unterzeichnung der Schlussakte von Helsinki 1975 zu einer immer wichtigeren Aufgabe der Aufklärungsdienste des Ostblocks. Auch die dafür zuständigen Abteilung X der HV A des MfS und Abteilung VIII der PGU-DS entdeckten hier ihre gemeinsamen Interessen. Wie Arbeitspläne der Abteilungen belegen, wurden spätestens seit 1966/67 gemeinsame „aktive Maßnahmen“ geplant und durchgeführt. Selbige stellten oftmals unter hohem Aufwand ausgearbeitete Desinformations-, Falschmeldungs- und getarnte Propagandaaktionen dar, die auf „weiche“ Einflussnahme auf die öffentliche Meinung abzielte. Ein besonders unappetitliches und perfides Beispiel für die Zusammenarbeit der Stasi mit der DS auf diesem Gebiet zur Diskreditierung bietet der Fall Petar Semerdzhiev.

Semerdzhiev, ein den stalinistischen Säuberungswellen zum Opfer gefallener Anwärter auf eine Mitgliedschaft im ZK der BKP, wurde nach seiner Emigration zu einem der aktivsten und bekanntesten bulgarischen Dissidenten. Vor allem über Radio Free Europe verbreite er für die bulgarischen Kommunisten unerträgliche Angriffe, die sich nicht zuletzt gegen die Person Todor Zhivkovs persönlich richteten. Zusammen mit dem anderen großen Dissidenten, Georgi Markov, wollte er sogar eine von der offiziellen Darstellung abweichende Biographie des Generalsekretärs und Staatsoberhaupts herausgeben. Dafür war im von der Auslandsaufklärung der bulgarischen Staatssicherheit auch ein ähnliches Schicksal wie dem 1978 in London ermordeten Markov angedacht worden. Einzig seine gute Abschirmung im Exil in Jerusalem und seine persönliche Vorsicht machten den Liquidierungsplänen der DS einen Strich durch die Rechnung.

Bei den Genossen von der Abteilung X der HV A in Ost-Berlin ließ man anfragen, ob es möglich sei, ein Dokument zu fälschen, dass eine Spitzeltätigkeit Semerdzhievs für die Gestapo, SS oder eine andere nazistische Spezialeinheit während seiner Internierungszeit im Lager in den 40er Jahren beweisen sollte. Gefälschte Nazi-Dokumente, wie auch z.B. der Fall von Bundespräsident Lübke beweist, waren eine Spezialität des MfS. Auch in diesem Fall gelang es den Spezialisten des MfS ein angebliches Schreiben des Reichssicherheitshauptamtes zu fälschen, in dem von einem Spitzel der berüchtigten bulgarischen Geheimpolizei namens Petar Semerdzhiev berichtet wird, der nicht nur bereit sei, mit der Gestapo zusammenzuarbeiten, sondern auch selbst durch seine Informationen bei Suche und Liquidierung von Juden geholfen habe. Den Höhepunkt bildete dabei der Einschub, Semerzhdiev habe sich auf Anweisung der Geheimpolizei an seine spätere Ehefrau angenähert, um Vertrauen in jüdischen Kreisen zu gewinnen.

Den Inhalt des Dokuments hatten dabei weitestgehend die bulgarischen Genossen ausgearbeitet, die Form hingegen das MfS. Das Dokument erschien zusammen mit einem feindseligen Artikel in der französischen Tageszeitung Le Mond im Sommer 1976, wobei bislang unklar ist, welcher Dienst dort seine Agenten hatte. Doch die erhoffte Reaktion blieb aus, weder offizielle israelische Stellen noch die Mitstreiter Semerdzhievs wandten sich von ihm ab.

Das Beeindruckend-Verstörende an dem Beispiel P.Semerdzhievs ist wohl nicht zuletzt die offensichtliche Skrupellosigkeit der Staatssicherheitsdienste, ein Opfer und Lagerinsasse als Täter und Nazi-Kollaborateur darzustellen. Weitere Beispiele aus den 70er Jahren zeigen ebenso, dass gerade die Stasi gewillt war, Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit für ihre Interessen zu fördern. Auch vor der Verbreitung von Flugblättern mit fremdenfeindlichem Gedankengut schreckte man nicht zurück, wie die Operation „AM Rigas“ aus dem Jahre 1974 belegt.

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Re: Die Zusammenarbeit der bulgarischen Staatssicherheit mit dem MfS

Beitragvon augenzeuge » 13. Januar 2024, 11:23

Um einerseits die bundesdeutschen Geheimdienste zu beschäftigen und andererseits diplomatische Verwerfungen zwischen der BRD und vor allem den NATO-Südstaaten Griechenland und Türkei zu erreichen, erdachten sich MfS und DS folgende Aktion: Konzipiert wurde von „kreativen Köpfen“ der Abteilung X der HV A ein fremdenfeindlicher Aufruf im Namen der DVU gegen Gastarbeiter in der BRD, wobei die HV A den Stil der tatsächlichen DVU-Hetze bemerkenswert gut kopierte. Selbiger führte, wie erwartet, zu einem Verfahren gegen die DVU und deren Vorsitzenden Frey, die ihrerseits wiederum ein Verfahren gegen Unbekannt einleiteten. Da 1974 außer der Tätigkeit deutscher Gerichte keine Reaktionen von offiziellen Stellen in Marokko, Griechenland, Türkei, Italien und Jugoslawien festzustellen war, sollte die DS dort fortfahren, die Flugblätter in Umlauf zu bringen. Die HV A hingegen wollte sich darum kümmern, den Aufruf in Gastarbeiterorganisationen in der BRD zu verteilen.

Ebenfalls in die 70er Jahre fiel der wohl einzige größere Konflikt zwischen dem MfS und der DS, der sich auf höchster Ebene abspielte. Gegenstand der Auseinandersetzung war die Verhaftung des Terroristen Till Meyer und seiner Kampfgefährtinnen von der „Bewegung 2. Juli“ im Sommer 1978 an der Schwarzmeerküste durch das BKA. Stasi-Chef Erich Mielke war höchst verärgert über den Alleingang der bulgarischen Genossen, die einem Eilgesuch der BRD stattgegeben hatten und das BKA nicht nur ins Land ließen, sondern auch bei der Verhaftung halfen.

Das MfS, das seinerseits beste Beziehungen zur linksextremistischen Szene in der BRD unterhielt, wurde von dem bulgarischen Bruderorgan erst im Nachhinein und erst auf eigene Anfrage über den Vorfall informiert. Die Hilfestellung für das BKA ging einher mit Gegenleistungen durch das bundesdeutsche Innenministerium, besonders bei der technischen Ausstattung der bulgarischen Rauschgiftfahndung, aber auch mit einer offiziellen diplomatischen Annährung der VRB und BRD. Mielke, genau wie sein tschechischer Kollege, fühlte sich von den Bulgaren brüskiert.

Je schlechter die Wirtschaft funktionierte, desto größer war die Paranoia der Staatssicherheitsdienste. Dies veranlasste selbige noch weiter in die Wirtschaft einzugreifen, Innovationsimpulse und Geschäftskontakte ins Ausland zu ersticken, was die marode wirtschaftliche Situation letzten Endes noch verschlimmerte.

Ganz ähnlich stellte sich das Dilemma in der Auslandsaufklärung dar. Grundsätzlich sind sich die meisten Experten der Geheimdienstforschung darüber einig, dass im Bereich der Wirtschafts- und Industriespionage die östlichen Geheimdienste, allen voran KGB, HVA und PGU-DS außerordentlich erfolgreich waren. Den Grund dafür sehen die meisten in den offeneren Gesellschaftsmechanismen des Westens, die ein leichteres „Einfallsportal“ für Agenten des Ostens boten.

So z.B. fragte der Leiter der bulgarischen Aufklärung Vlado Todorov 1988 beim Leiter der HV A Werner Grossmann an, ob die Stasi eine komplette technologische Dokumentation für automatische Telefonzentralen auf Basis der Systeme der amerikanischen Firma AT & T liefern könnte.

Bulgarien hatte im Rahmen des Programms zur Entwicklung der RGW-Staaten bis zum Jahre 2000 auf dem Gebiet der Telekommunikation die Aufgabe übernommen, ein solches System zu entwickeln. Diese Aufgabe konnte die bereits am Boden liegende Volkswirtschaft jedoch nicht erfüllen. Daher wurde die Auslandsaufklärung mit der Beschaffung beauftragt, doch auch diese scheint hierbei nicht vorangekommen zu sein. Wieder einmal hätte Bulgarien seine Verpflichtungen, gerade gegenüber der UdSSR, nicht einhalten können, weshalb die Stasi aushelfen sollte.

Einen, bis heute immer wieder kurios diskutierten Extremfall stellte das Attentat auf Papst Johannes Paul II. durch Mehmet Ali Ağca und die sog. „bulgarische Spur“ dar. In den 1990er und 2000er Jahren verging fast kein Jahr, in dem keine Presseberichte über angebliche neue Stasi-Akten aufkamen, die die Hintergründe des Attentats in dieser oder jener Weise beleuchten. Stand der Forschung jedoch ist, dass eine Anstiftung Ağcas zum Mord durch das MfS oder die DS bislang nicht sicher nachgewiesen werden kann. Fakt jedoch ist, dass sich wiederum die Abteilung für Desinformation der bulgarischen Auslandsaufklärung im Gefolge des Attentats hilfesuchend an die Kollegen der HV A wandten, um gemeinsam gegen die „antibulgarische Kampagne“ der westlichen Medien vorzugehen. In mehreren gemeinsam geplanten und realisierten Operationen wurde durch Publikationen versucht, Zweifel an der „bulgarischen Spur“ zu sähen und stattdessen die These in Umlauf zu bringen, die CIA habe den Papst ermorden lassen wollen, um es dem KGB in die Schuhe zu schieben.

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Re: Die Zusammenarbeit der bulgarischen Staatssicherheit mit dem MfS

Beitragvon augenzeuge » 13. Januar 2024, 11:24

Zum Jahreswechsel 1989/90 brachte es die Stasi dabei auf 91015 hauptamtliche und rund 180000 inoffizielle Mitarbeiter, der höchste Wert im ganzen Ostblock. Für Bulgarien sind bis heute keine belegbaren Zahlenwerte veröffentlicht worden; bei Recherchen des Autors wurde für das Jahr 1978/79 eine Gesamtmitarbeiterzahl des bulgarischen Innenministeriums von ca. 43000 gefunden , von denen jedoch über die Hälfte bei der Volksmiliz und Feuerwehr und nicht für die Staatssicherheit arbeiteten. Die Zahl der Agenten und informellen Mitarbeiter war über die gesamte Transformationsperiode bis heute ein Geheimnis, über das sich absurdeste Spekulationen und gewaltige Unter- sowie Übertreibungen aneinanderreihten. Einige erstmals eingesehene Akten belegen eine Zahl von ca. 36000 Agenten und ca. 25000 sogenannten „Vertrauenspersonen“ (dovereni lica) im Juli 1986 (ohne die Agenten der Auslandsaufklärung).

Dem MfS wurde nahezu völlige Freiheit bei Anwerbungen von bundesdeutschen Bürgern in den Sommerkurorten Bulgariens eingeräumt. Jeden Sommer bevölkerten ganze Gruppen verschiedener Diensteinheiten, allen voran die Auslandsaufklärung und Spionageabwehr, Bulgariens Feriengebiete auf der Suche nach geeigneten Kandidaten. Nach der Einrichtung der bundesdeutschen Botschaft in Sofia 1974/75 wurden in Abstimmung mit der bulgarischen Spionageabwehr spezielle Maßnahmen ausgearbeitet, um west- und ost-deutsche Agenten an Botschaftsangehöriger, vor allem Sekretärinnen und Fremdsprachenkorrespondentinnen, „anzuschleusen“. Diese Maßnahmen waren, nach den Eigenaussagen und zugänglichen Akten zu urteilen, teilweise durchaus erfolgreich. Auch rühmte sich die bulgarische Aufklärung damit, die Ehefrau eines hochrangigen west-deutschen Diplomaten in Sofia angeworben zu haben, was auch den Genossen in Ost-Berlin mitgeteilt wurde.

Darüber hinaus belegen die Arbeitspläne, als auch gemeinsam durchgeführte Operationen, dass Bulgarien als sicherer Treffort und Trainingsbasis für getarnte Agenten, sowohl des KGB als auch der Stasi genutzt wurde. Durch die relative Abgeschiedenheit Bulgariens vor westlichen Augen sowie der geringen Dichte von Ausländern, sieht man einmal von den Sommerkurorten ab, war es als sichere Basis geeignet. Mindestens zweimal kam sogar der Chef der HV A Markus Wolf in den späten 60ern und 70ern persönlich nach Bulgarien, um mit offensichtlich hochrangigen Agenten aus dem „Operationsgebiet“ zusammenzukommen. Bei Operationen dieser Art wurden von den bulgarischen Gastgebern keine Kosten und Mühen gescheut, um sich des leiblichen und seelischen Wohls der Agenten und ihrer Führungsoffiziere anzunehmen. Mehrere Tausend Mark wurden für Unterkunft, Ausflüge, Alkohol und Speisen abgerechnet.

Spätestens in den 80er Jahren schickte die HV A auch Agenten-Kandidaten, die auf einen Einsatz im „feindlichen Ausland“ vorbereitet werden sollten, nach Bulgarien. Für ein Agentenpärchen IM „Main“ und IM „Elbe“ sind dazu die Absprachen und Trainingspläne mit den bulgarischen Genossen erhalten. Die Agenten wurden hier nach Instruierung durch das MfS für drei Wochen nach Bulgarien geschickt, wobei sie auf Schritt und Tritt von der DS überwacht wurden. Nahezu jeder persönliche Kontakt wurde durch Abhörtechnik oder informelle Mitarbeiter überwacht, jedes Gespräch und vermeintliche Regung registriert. Ziel dabei war es festzustellen, ob sich die Agenten vor Bekannten oder unter Alkoholeinfluss selbst enttarnen oder auffällig benehmen. Der Höhepunkt des Trainings bestand in einer Verhaftung samt Verhör durch die bulgarischen Sicherheitsorgane. Wiederum wurde beobachtet, ob und wie sich die Agenten an ihre „Legende“ hielten oder ob sie ihre Tarnung unter Druck fallen ließen. Solcherlei Maßnahmen scheinen in den Kooperationen der Geheimdienste im Kalten Krieg Gang und Gebe gewesen zu sein, wobei doch der enorme Aufwand in der Ausbildung großen Eindruck erweckt.

Mitarbeiter der Abteilung X der HV A entsandten seit Bestehen der Zusammenarbeit Ende der 60er Jahre fast durchweg dieselben Personen – Rolf Wagenbreth, Leiter der Abteilung, und Hans Knaust, sein Stellvertreter. Bei speziellem Bedarf für einzelne Operationen wurde selbige durch den vorgangsführenden Mitarbeiter begleitet. Wie Mielke persönlich, so wurden auch Knaust und Wagenbreth bereits 1978 für ihre Verdienste in der Kooperation zwischen dem MfS und der DS vom Politbüro der BKP mit Orden ausgezeichnet.

Diese Praxis verlief auf beiden Seiten gleichermaßen, denn auch das MfS zeichnete Mitarbeiter der DS auf allen Ebenen aus, vor allem wegen ihrer Verdienste bei der Verhinderung von „Republikflucht“. Damit verbunden war auch das zweite Charakteristikum, nämlich die Attraktivität Bulgariens als Einsatzort und Kooperationspartner. Auszeichnungen, und damit verbunden auch Geld- und Sachgeschenke, gehörten hier zum festen Ritual in den Beziehungen der Staatssicherheitsdienste.

Weiterhin war Bulgarien, gerade für die selbstisolierten Genossen des MfS, „immer eine Reise wert“ und ohne Zweifel einer der attraktivsten Urlaubsorte des sozialistischen Lagers. Wie z.B. die erhaltenen Programme für die Arbeitsaufenthalte belegen, wurde durchschnittlich nicht mehr als fünf Stunden für Arbeitsaustausch verwendet, die restliche Zeit hingegen für ein ausgedehntes Freizeitprogramm.

Quelle: Aus den veröffentlichten Forschungsergebnissen des Autors Christopher Nehring im Rahmen seiner Dissertation
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Re: Die Zusammenarbeit der bulgarischen Staatssicherheit mit dem MfS

Beitragvon augenzeuge » 24. Februar 2024, 10:51

Die Treffen der HV A in Bulgarien

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