Harald Blöchle saß drei Jahre lang im Stasi-Gefängnis - unter den Folgen leidet er noch heute.Die Nächte sind lang für Harald Blöchle. Oft sitzt er auf seinem Balkon in Hannover-Wülfel und raucht eine Zigarette nach der anderen. "Seit meiner Zeit im Gefängnis schlafe ich schlecht", sagt er. Der Frührentner ist eines von vielen Opfern der Staatssicherheit. Seine Geschichte mit der Stasi beginnt Mitte der 1970er-Jahre und endet mit drei Jahren Haft in Stasi-Gefängnissen. Was ihm in diesen drei Jahren passiert, verändert sein Leben grundsätzlich. "Gleich am ersten Tag in U-Haft wirst du vollkommen entmenschlicht. Du kriegst eine Nummer. Deine Zellennummer. Strafgefangener 1 ist dann dein Name. Da hast du schon deine Würde verloren", sagt Blöchle und blättert durch seine dicke Stasi-Akte auf dem Wohnzimmertisch. Sie umfasst mehr als 800 Seiten und beinhaltet jedes Detail seiner Haftzeit. Ins Gefängnis kommt Blöchle nach DDR-Gesetzen wegen staatsfeindlichen Menschenhandels.
Stasi enttarnt den Fluchthelfer am GrenzpostenDer gebürtige Schwabe kommt 1974 auf der Suche nach Arbeit nach West-Berlin. Dort lernt er den Unternehmer Rainer Schubert kennen. Der ist Mittelsmann der kommerziellen Fluchthilfe-Organisation Aramco AG eines Schweizer Unternehmers aus Zürich. In einem "Zeit"-Artikel von 1976 gibt Schubert an, insgesamt 97 DDR-Bürgern zur Flucht in den Westen verholfen zu haben. Womit der Berliner Mittelsmann sein Geld verdient, erfährt Blöchle anfangs nicht. Er übernimmt Botengänge nach Ost-Berlin, übergibt dort Dokumente und Geld. Bald wird der Schwabe dann selbst zum Fluchthelfer. Er soll Ost-Flüchtlinge im Auftrag von Schubert über die Grenze schleusen. Blöchle sieht seine Arbeit als "Dienst an der Freiheit", sagt er. Er will damit auch ein Zeichen gegen das SED-Regime setzen. Damals ist er 21. Der Gedanke von der Freiheit aller Deutschen beflügelt ihn, sagt er heute. Wie gefährlich die Fluchthilfe-Aktionen wirklich sein würden, ist ihm damals nicht klar. Zum Schutz vor der Stasi erhält Harald Blöchle eine falsche Identität mit dem Decknamen "Klaus Klinger". Eine illegale Praxis, die die Fluchthelfer vor der Stasi schützen soll. Bei seinem ersten Auftrag befindet sich im Kofferraum seines weißen Opels eine ostdeutsche Familie. Vater, Mutter, ein Kind. Er sollte sie über die Grenze fahren. Doch dieser erste Auftrag endet für Blöchle in den Gefängniszellen der Stasi.
Stasi - Verhör: Stundenlang geblendet und ausgefragtDenn die Stasi erwischt ihn und die Familie knapp vor der Grenze. Der Schrecken beginnt. Sie werden abgeführt, müssen sich nackt an eine kalte Mauer stellen. Sie werden von den Beamten gedemütigt, überall am Körper abgetastet. Danach sieht Blöchle die Familie nie wieder. Seine Untersuchungshaft verbringt er im berüchtigten Gefängnis der Stasi in Berlin-Hohenschönhausen. An die Details erinnert er sich noch gut: "Ich hatte die erste Zelle rechts. Darin ein Bett, ein Stuhl - alles eingemauert. Und ein Eimer. Da wurde mir schlagartig bewusst, was passiert ist: Du bist im Knast."
Es folgen Wochen der psychischen Gewalt. Ein Gemisch aus Foltermethoden von Isolation und körperlichen Schmerzen bis hin zu stundenlangen Verhören durch Beamte der Staatssicherheit. "Beim Verhör hat die Stasi dir eine Lampe ins Gesicht geknallt. Du wirst geblendet, stundenlang. Dann wirst du befragt. Wieder und wieder die gleichen Fragen. Anfangs jeden Tag", sagt Blöchle. Zwischen den Verhören darf er am Anfang nicht schlafen. Er ist völlig erschöpft. Und allein. Die Beamten, die ihn verhören, bleiben über Monate sein einziger menschlicher Kontakt. Die Gefangenen verbringen so manchmal sogar Wochen alleine in der Zelle, erzählt Blöchle.Hier geht es weiter:
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