Von Marion Gräfin Dönhoff
21. Juni 1951, 8:00 Uhr
Kemritz, ein Rechtsanwalt, der während der Hitlerzeit im Vorstand der NS-Anwaltskammer saß, eröffnete nach dem Zusammenbruch im Ostsektor von Berlin eine Praxis. Bedeutsamer aber als seine eigentliche Anwaltspraxis war seine Tätigkeit als Menschenhändler. Er pflegte Deutsche, an denen die NKWD interessiert war und die im Westsektor lebten, in sein Büro zu bestellen und die Ahnungslosen hier der Sowjetpolizei zu überantworten. So verschwand in seinem Büro der Rechtsanwalt von Gersdorf, dem es später gelang, aus russischer Haft wieder zu entkommen und der diese Vorgänge im einzelnen geschildert hat. In vielen Fällen, begnügte Kemritz sich auch damit, Mitbürger anzuzeigen und das weitere der NKWD zu überlassen. So denunzierte er einen ehemaligen leitenden Angestellten der Ufa, Hans Jürgen von Hake, der daraufhin in ein sowjetisches KZ verschleppt wurde und dort gestorben ist. Es sind mehrere Dutzend Fälle, die Kemritz zur Last gelegt sind und die er in der Mehrzahl auch zugegeben hat.
Dieses Subjekt nun besaß die Unverfrorenheit, eines Tages nach Westdeutschland umzusiedeln und in Bad Homburg wiederum eine Praxis aufzumachen. Im Juli 1950 wurde von der Witwe eines seiner Opfer Strafantrag gegen ihn gestellt. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft leitete ein Ermittlungsverfahren und die Anwaltskammer ein Ehrengericht ein. Beide Verfahren mußten jedoch auf Befehl der amerikanischen Behörden eingestellt und die Akten ausgeliefert werden – sie sind übrigens seither verschwunden.
Hier geht es mit dieser widerlichen Geschichte weiter:
https://www.zeit.de/1951/25/der-fall-kemritz