In den Fängen der Staatssicherheit

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In den Fängen der Staatssicherheit

Beitragvon Interessierter » 1. Februar 2019, 14:21

Wie Wolfgang Thoms von „Horch und Guck“ als Spion angeworben werden sollte

Ellenberg / Wistedt. Wenn der gebürtige Ellenberger Wolfgang Thoms heute an die Geschichte vom Sommer 1966 denkt, läuft es dem 85-Jährigen immer noch kalt den Rücken herunter.

Denn: Der Altmärker, der 1955 die damalige Ostzone verlassen hatte und mit Frau und Kindern im niedersächsischen Stöcken bei Wittingen lebte, geriet in geradezu abenteuerlicher Weise in das Spinnennetz der Stasi.

Ich hatte damals wahnsinnige Angst“

Thoms sollte sogar als Spitzel angeworben werden, doch er schaffte es rechtzeitig, die Notbremse zu ziehen. „Ich hatte damals wahnsinnige Angst“, erzählt Thoms. Dabei begann alles ganz harmlos: „Mit meinem Sohn Rainer fuhr ich im Sommer 1966 in den Osten nach Wistedt im Kreis Salzwedel. Meine Schwester, die damals in Salzwedel wohnte, hatte für mich die Einreiseerlaubnis eingereicht“, erinnert sich Wolfgang Thoms. Doch was dann kam, riss den gebürtigen Ellenberger aus den Socken, denn in Salzwedel erwartete ihn ein Stasi-Mann in Zivilkleidung. Der stellte sich als „Herr Stefan“ vor und Thoms war sofort sicher, dass dies nicht sein richtiger Name war.

„Herr Stefan“ wusste alles

„Ich war verblüfft über das Wissen von ,Herrn Stefan’ über meinen niedersächsischen Heimatort Stöcken. Er kannte die Namen der Zöllner und sogar die Damen, die mit den damals dort stationierten Engländern am Tresen der Stöckener Wirtschaft saßen, wenn sie bei der Grenzkontrolle montags Quartier auf dem Saal der Wieneckschen Gastwirtschaft bezogen“, erinnert sich Wolfgang Thoms.

Doch „Stefan“ wusste auch, dass der Ostbesucher gerne zum 70. Geburtstag seines Vaters Adolf Thoms wieder in die DDR kommen wollte und erpresste ihn damit: Der Stasi-Mann forderte einen Stadtplan von Wittingen, Infos über die taktischen Zeichen der englischen Fahrzeuge und weitere strategische Details von der Grenzsicherung im Westen. Wolfgang Thoms „ging die Muffe“, wie er heute offen zugibt. Er tat damals aus seiner Sicht das einzig richtige: Er bat einen Kegelbruder um Rat, der seinerzeit einen höheren Bundeswehr-Rang bekleidete und offenbarte sich über die Abteilung Werkschutz des VW-Werkes beim Militärischen Abschirmdienst (MAD). „Der Verbindungsmann bei meinem damaligen Arbeitgeber im VW-Werk war sofort hellhörig und nahm meine Aussage zu Protokoll“, berichtet Thoms.

Am Bahnhof wartete eine schwarze Limousine

Man gab ihm nur einen guten Rat, bloß nicht mit der Stasi zu kooperieren, sondern zu versuchen, „die Jungs zu verscheißern“. Zu diesem Zweck hatte Thoms statt der geforderten Infos nur zwei lapidare Ansichtskarten der Langen Straße in Wittingen im Gepäck.

Dann kam der 70. Geburtstag und die Fahrt in die Altmark am 17. Dezember 1966. Wolfgang Thoms fuhr mit gemischten Gefühlen in den Osten. Er hatte ja die Stasi im Nacken. Die Geburtstagsfeier in Wistedt verlief harmonisch, doch die Stasi beobachtete das Haus und als der Besucher aus dem Westen dort allein war, klingelte das Telefon. „Es war wie im Krimi. Am Bahnhof wartete eine schwarze Limousine, die hintere Tür wurde geöffnet und ich musste einsteigen“, berichtet Wolfgang Thoms. Drinnen saßen drei Herren. Sie begleiteten den West-Besucher nach Salzwedel. Die Fahrt endete im Hof des Amtsgerichtes. „Als ich ihre Fragen nur mit Ausreden beantwortete, wurden sie aufdringlicher“, so Thoms. Die „Bezahlung“ in Höhe von 50 DM für die Ansichtskarten lehnte er ebenso ab wie ein weiteres Treffen in Berlin oder Leipzig. Sogar ein düsteres Stasi-Treffen in einem Kiefernwald sollte es geben ...

„Ich dachte nur daran, mit meiner Familie wieder heil in den Westen zu gelangen“, berichtet der gebürtige Altmärker. Bei der Zugfahrt über Oebisfelde in die Bundesrepublik traf Wolfgang Thoms „Herrn Stefan“ wieder – dieses Mal übrigens in einer hoch dekorierten Uniform. Wieder wurde Druck ausgeübt.

„Verdacht auf landesverräterische Beziehungen“

Seine Ängste wurde Thoms erst los, als er in Wolfsburg aus dem Zug stieg. Endlich drüben im Westen angekommen, berichtete Thoms alles haarklein der Kripo. Am Ende sah die Sache ganz harmlos aus und musste wegen „Geringfügigkeit“ niedergeschlagen werden, doch auch der Strafsenat des Oberlandesgerichtes in Celle griff die Angelegenheit „wegen des Verdachts auf landesverräterische Beziehungen zum Ministerium für Staatssicherheit“ auf. „Aber dabei kam natürlich auch nichts heraus. Innerlich war ich voller Wut, meine Zeit mit solchen Faxen vergeudet zu gaben“, sagte Wolfgang Thoms abschließend.

Doch – derart eingeschüchtert – war für ihn bis 1989 eine Reise in die geliebte Altmark tabu. Umso mehr freute er sich, als die Wende kam und er nun ungehindert von der Stasi zu seinen Verwandten in den Osten reisen konnte. „Doch erst nach den Ost-Verträgen traute ich mich wieder über die Grenze“, so Thoms. Von der Stasi hat er nie wieder etwas gehört.

https://www.az-online.de/altmark/beetze ... 24165.html
Interessierter
 

Re: In den Fängen der Staatssicherheit

Beitragvon augenzeuge » 1. Februar 2019, 17:45

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