Der Spion, der aus der Kirche kam

Alles zum Thema Geheimdienste und Sicherheit in der DDR und in der BRD

Der Spion, der aus der Kirche kam

Beitragvon Interessierter » 28. Oktober 2018, 03:09

Im März 1990 flog in Oldenburg ein Stasi-Spitzel, der erste westdeutsche Kirchen-Spion, auf. Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen. Noch heute lebt er in Oldenburg.

Oldenburg Er legte seine Jacke auf den Stacheldraht, so wie sie es ihm gezeigt hatten. Dann kletterte er über die Grenze, der Trick mit der Jacke funktionierte: Er verletzte sich nicht. Er rannte los, hinter ihm fielen wie verabredet die Schüsse.

Herr S. war jetzt im Westen. Es war der 12. August 1966, später Nachmittag; er war 22 Jahre alt.


23 Jahre und sieben Monate später stellen sich zwei Beamte des Landeskriminalamtes bei der Oldenburgischen Landeskirche vor. Sie haben einen Durchsuchungsbeschluss für ein Büro im Landesjugendpfarramt dabei. Den Jugendbildungsreferenten S., 46 Jahre alt, nehmen sie fest. Der Vorwurf: Verdacht auf geheimdienstliche Tätigkeit gegen die Bundesrepublik Deutschland.

S. ist der erste Stasi-Spion im Dienst der Kirche, der in der Bundesrepublik enttarnt wird. Der Fall macht deutschlandweit Schlagzeilen.

Und in Oldenburg, am westlichsten Zipfel der Republik, fragt man sich: Wieso interessiert sich der Osten für unsere kleine Kirche?

Hier geht es weiter:
https://www.nwzonline.de/politik/nieder ... 18192.html
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Re: Der Spion, der aus der Kirche kam

Beitragvon augenzeuge » 28. Oktober 2018, 11:26

Toller Erfolg fürs MfS.
31 000 Mark in 23 Agentenjahren...aber „ein tatsächlicher Schadenseintritt für die Bundesrepublik war nicht festzustellen“.


Na sowas? Die haben bestimmt nicht richtig gesucht. Oder die heute Untersuchenden waren auch Spitzel. Wer weiß... [angst]

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Re: Der Spion, der aus der Kirche kam

Beitragvon Merkur » 28. Oktober 2018, 11:51

Das kannst Du doch gern nachholen AZ. [wink]
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
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Re: Der Spion, der aus der Kirche kam

Beitragvon augenzeuge » 28. Oktober 2018, 12:00

Merkur hat geschrieben:Das kannst Du doch gern nachholen AZ. [wink]


Nee, lass mal. Mir würde das keine Befriedigung verschaffen. Ich denke, der Mann hat seine Dinge gelernt.
Und was für den Westen kein Schaden war, kann doch für den Osten dennoch ein Gewinn gewesen sein. So wirds wohl gewesen sein. [grins]

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Re: Der Spion, der aus der Kirche kam

Beitragvon zonenhasser » 28. Oktober 2018, 19:27

Als er 1964 einen zweiten Vorstoß wagte, vielleicht doch noch Germanistik studieren zu dürfen, empfing ihn im Protektorat für Studienangelegenheiten ein Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS).

In finsteren Zeiten gab's mal ein Protektorat Böhmen und Mähren, hier wohl eher ein Prorektorat.
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Re: Der Spion, der aus der Kirche kam

Beitragvon Interessierter » 29. Oktober 2018, 10:03

Begegnung mit Opfer des Oldenburger Kirchenspions

„Ich hatte solch eine Stinkwut!“, sagt Ulrich Singer über den vermeintlichen Freund, der ihn ausspioniert hat. Hier erzählt er, welche Folgen der Verrat für sein Leben hatte. Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen.

Oldenburg /Dresden Er schläft noch, als die Männer in das Acht-Bett-Zimmer platzen; es ist noch nicht einmal Sieben. „Kommen Sie bitte mit“, sagen sie zu ihm, „zur Klärung eines Sachverhalts.“

„Darf ich mich waschen und anziehen?“, fragt er.

„Ja, aber schnell“, antworten die Männer.

Auf dem Flur stehen weitere Männer, sie besetzen die Ausgänge. Draußen wartet ein Wartburg, die Männer fahren ihn zur Kreisdienststelle der Stasi in Jena. Sie bringen ihn in den Keller. Er muss seinen Gürtel abgeben und seine Schnürsenkel. Er muss sich auf einen Schemel setzen, die Hände unter die Oberschenkel. Das Verhör beginnt. Es wird 14 Stunden dauern.

Es ist der 9. März 1966, Ulrich Singer ist 20 Jahre alt.

Wütende Studenten

Was ist ein schwerer Fall?

Im Oktober 1993 verhandelte das Oberlandesgericht Celle den Fall eines DDR-Spions: Vor Gericht stand Herr S. aus Oldenburg, 49 Jahre alt, ein ehemaliger Studienkollege von Ulrich Singer. S. war 1966 in den Westen gekommen, mehr als 23 Jahre lang lieferte er als IM (Inoffizieller Mitarbeiter) Informationen an die Stasi. Seine Berichte füllten sechs Aktenordner. Viele davon betrafen die Oldenburgische Landeskirche, bei der S. 17 Jahre lang angestellt war.

Das Gericht befand: Ein „schwerer Fall“ sei das nicht. S. habe keine „besonders herausgehobene Bedeutung“ für die Stasi gehabt; ein „tatsächlicher Schadenseintritt für die Bundesrepublik“ sei nicht festzustellen.

Die Richter verurteilten S. zu einer Haftstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Außerdem musste er eine Geldstrafe in Höhe von 10 000 Euro zahlen, die Summe entsprach seinem Agentenlohn. Strafmildernd berücksichtigte das Gericht, dass der Angeklagte „als Folge der Tat“ seinen Job bei der Kirche verloren hatte.

Ein schwerer Fall – in der DDR sah der so aus: Fünf Studenten, fünf Freunde, sitzen im Oktober 1965 schlecht gelaunt in der Dorfbücherei von Hohenschönberg, Mecklenburg-Vorpommern. Sie haben den ganzen Tag auf dem Kartoffelacker gearbeitet, der Ernteeinsatz ist Pflicht für Studenten in DDR. Es ist kalt, ein Kaminofen bollert hilflos.

Die Studenten trinken Alkohol. Im Schwarzweiß-Fernseher läuft Westfernsehen. Draußen liegt die Deutsche Bucht, die Bundesrepublik scheint zum Greifen nah. Einer brummt: „Wir sitzen hier in der Scheiße, und da drüben...?“

In den Bücherregalen der Dorfbücherei stehen Klassiker der marxistisch-leninistischen Literatur. Ein Buch landet im Kaminofen: Stalin. Noch eines: Dserschinski.

Die Studenten kleben eine Briefmarke mit dem Bild des Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht an die Tür. Ein Wettspucken beginnt.

„Harmlos war das“, sagt Ulrich Singer heute, „wir waren jung.“

Aber dann saß er plötzlich im Stasi-Keller.


Weiter geht es hier:
https://www.nwzonline.de/kultur/weser-e ... 82856.html
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Re: Der Spion, der aus der Kirche kam

Beitragvon zonenhasser » 29. Oktober 2018, 10:33

Dann der Prozess in Celle. Seine Zeugenaussage spielte keine große Rolle; das Wirken des IM im Osten „hat der Senat nicht in seine strafrechtliche Bewertung einbezogen“, heißt es später im Urteil. „Er war schwer enttäuscht“, erinnert sich Ingrid Strunz.
Aus Sicht der Betroffenen unverständlich. Was kümmert es die Westjuristen, was in der DDR geschah.
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