Wie die Stasi die Familien ihrer Leute ruinierte

Alles zum Thema Geheimdienste und Sicherheit in der DDR und in der BRD

Wie die Stasi die Familien ihrer Leute ruinierte

Beitragvon Interessierter » 13. Juni 2018, 14:20

Wie notwendig die Aufarbeitung ist, zeigt ein Blick auf die Zahlen: Eine Viertelmillion Menschen arbeiteten hauptamtlich für die Staatssicherheit, 91.000 noch im Oktober 1989, Menschen, die bei ihrem Berufsantritt einen lebenslangen Eid auf die Stasi ablegen mussten. Mindestens 600.000 waren in den vier Jahrzehnten der DDR zusätzlich als Inoffizielle Mitarbeiter registriert. Die meisten von ihnen waren Männer – und Väter. Einher ging damit, wie Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte Hohenschönhausen, sagte, eine "Reproduktion des Apparats in der Familie", die in der Historie beispiellos sei.

In den Berichten der dreizehn Kinder, die in Hoffmanns Buch zu Wort kommen, offenbart sich nicht nur die perfide Akribie, mit der der MfS jede Bewegung seiner Angestellten überwachte. Sie zeigen auch den Druck, der auf den Familien lastete und der Verpflichtung geschuldet war, sich und seine Angehörigen "auf Linie" zu halten. Hoffmann entwirft ein Bild jenseits festgelegter Typologien, wiewohl mit wiederkehrenden Motiven.

Lieder werden vom Vater bewilligt

Da ist Frank Dohrmann, dessen Vater in der Abteilung Grenzkontrolle und Tourismus am Flughafen Berlin-Schönefeld die Pässe der Ein- und Ausreisenden kontrolliert und auch zu Hause ein klares Regiment verfolgt. Jedes Lied, das gehört wird, muss zuvor vom Vater bewilligt, jede Einkaufsliste der Mutter vorgelegt werden, dazwischen Frank, der an der kühlen Beherrschtheit der Eltern fast zerbricht. ( Scheint so, als hätte man extra für den karnak über den Vater von Frank Dohrmann berichtet ) [wink]

Da ist Martin Kramer, dessen Vater in der Spionageabwehr schnell aufsteigt und der dem Sohn, der ausgerechnet in Russisch schlechte Noten nach Hause bringt, brüllend die Hefte auf den Tisch knallt. Einige Väter sind aufstrebende MfS-Funktionäre mit mustergültigem Lebenslauf, andere Mitläufer, denen die Eintrittskarten für den Vergnügungspark Plänterwald wichtiger sind als das Parteiabzeichen.

Der Vater als Antiheld: Wie sehr der Gesichtsverlust das Leben der Kinder bis heute prägt, zeigte das Aufeinandertreffen von Thomas Raufeisen und Edine Gade, die Hoffmann in ihrem Buch ebenfalls porträtiert und deren Lebensläufe auf abstruse Art miteinander verwoben sind. Raufeisen wuchs in Hannover auf, wo sein Vater für das MfS den Touristikkonzern Preussag ausspionierte. Als ein Oberleutnant des MfS – Werner Stiller, Edine Gades Vater – 1979 in die BRD überlief und Teile des DDR-Spionagenetzes enttarnte, drohte auch ihm die Verhaftung.

Zwei Jahre in Bautzen II

Das MfS beorderte seinen Agenten in die DDR; dort erfuhren die Söhne vom Doppelleben des Vaters, der innerhalb von Sekunden, wie Raufeisen sagte, ein Fremder wurde. Die Familie, unzufrieden mit der DDR, plante ihre Flucht, flog auf, wurde verhaftet. Thomas Raufeisen verbrachte zwei Jahre in der Haftanstalt Bautzen II.

Edina Gade indes machte sich nach der Wende auf die Suche nach dem verlorenen Vater. Der hatte in der Zwischenzeit auf dem Gardasee Surfen gelernt, in Tokio und Paris gelebt und sich in Frankfurt am Main ein luxuriöses Leben aufgebaut. Den Kontakt habe sie mittlerweile abgebrochen, sagte Gade. Nachfrage aus dem Publikum: "Weil er zu lange weg war?" "Nein", sagte Gader, "weil er doch mein Land verraten hatte."

https://www.welt.de/kultur/history/arti ... ierte.html
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Re: Wie die Stasi die Familien ihrer Leute ruinierte

Beitragvon karnak » 13. Juni 2018, 14:48

[flash] Also ich habe trotz aller Stasi ein völlig normales Familienleben geführt, habe mir noch nicht mal von der Firma die Butter vom Brot nehmen lassen was mein Privatleben angeht. Und die Butter hat man nebenbei gesagt auch nicht eingefordert, es gab ein paar spezielle Regeln für so einen Verein, die wusste ich mit Eintritt und an die habe ich mich gehalten, damit war es aber dann auch gut, niemand hat von mir mehr verlangt oder sich um mich gekümmert. Und so hatte ich auch keine Veranlassung mich zu irgendwelchen Klappsereien hinreißen zu lassen. Das hat zur Folge, dass Ehe und Familie bis zum heutigen Tag funktioniert, ohne Brüche durch Stasi und Diktatur. Und mit Sicherheit konnte jeder sein Leben so organisieren und auf die Füße stellen. Aber natürlich ist es einfacher wenn irgendjemand Schuld ist, Hauptsache man hat selbst keinen Anteil daran. Sowas nennt man verfehlte Selbstreflektion. [grin]
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Re: Wie die Stasi die Familien ihrer Leute ruinierte

Beitragvon augenzeuge » 13. Juni 2018, 15:07

karnak hat geschrieben:Und mit Sicherheit konnte jeder sein Leben so organisieren und auf die Füße stellen.

Nein, das konnte nicht jeder. Viele konnten das nicht. Leider nicht. Und weil das viele nicht konnten, war auch irgendwann Schluss. Das solltest du langsam wissen....hast du denn im Forum gar nichts gelernt? [angst]
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Re: Wie die Stasi die Familien ihrer Leute ruinierte

Beitragvon karnak » 13. Juni 2018, 15:40

Na gut, einverstanden, eine Diktatur kann da schon brutal sein und ein gewisses "Gefühl " für die individuellen Umstände vermissen lassen. Allerdings haben es sensible und außerhalb der Norm tickende Charaktere heute auch nicht immer einfach. Dafür sorgt natürlich nicht das politische System, allerdings kann das heutige ökonomische System brutal und nicht sonderlich feinfühlig mit solchen umgehen. Ich habe das in den letzten 28 Jahren mehr als einmal erlebt. Ich persönlich bin da gut dran, ich kann solchen Dingen ausweichen, falle nicht auf und kann in der Masse unsichtbar werden, dass macht das Leben manchmal einfacher, in jedem System. [grin]
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Re: Wie die Stasi die Familien ihrer Leute ruinierte

Beitragvon Spartacus » 13. Juni 2018, 17:25

falle nicht auf und kann in der Masse unsichtbar werden


Gelernt ist halt gelernt. [flash]

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Re: Wie die Stasi die Familien ihrer Leute ruinierte

Beitragvon Grenzwolf62 » 13. Juni 2018, 17:34

Und wenns so gewesen wäre, na und?
Wurde wohl keiner gezwungen in die Dienste des Ministeriums zu treten.
Also die Krokodilstränen die unser DDR- und Ostdeutschlandfachmann scheinbar nun auch noch vergießt wegen den gestrietzten Strietzern, naja, meine Erschütterung hält sich da in Grenzen.
Fehlt bloß noch wie die SED ihre Politbüromitglieder in Wandlitz einkerkerte für den wohligen Schauer.
Alles wird, vielleicht, gut.
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Re: Wie die Stasi die Familien ihrer Leute ruinierte

Beitragvon pentium » 13. Juni 2018, 17:51

Ein Thema für Historiker. Politisch gesehen hat sich das Thema doch schon längst erledigt. Mal davon abgesehen fehlt mir da irgendwie der Bezug oder die Kenntnisse...

...
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Re: Wie die Stasi die Familien ihrer Leute ruinierte

Beitragvon Interessierter » 28. August 2019, 15:05

pentium » 13. Jun 2018, 18:51
Ein Thema für Historiker. Politisch gesehen hat sich das Thema doch schon längst erledigt. Mal davon abgesehen fehlt mir da irgendwie der Bezug oder die Kenntnisse...


Vieles wo noch heute drüber diskutiert wird, ist aus politischer Sicht längst Geschichte. Wem Bezug und Kenntnisse fehlen, der muss es ja nicht lesen. Wenn andere Menschen meinen darüber berichten oder diskutieren zu müssen, so ist das schlichtweg nichts Anderes als Meinungsfreiheit.
Mit dem Hinweis auf Historiker will man die doch wohl nicht einschränken?

Es ist nur ein deutsch-deutsches Schicksal, aber eines so bitter wie Galle - Begegnung im ... Ein Sohn des Stasi-Agenten Raufeisen

Modische Anzüge, nobles Einfamilienhaus, dickes Bankkonto. So stellte sich Thomas Raufeisen seine Zukunft vor. Damals, als er in die elfte Klasse eines Gymnasiums in Hannover ging. Die Weichen für eine Karriere waren gestellt. Raufeisen stammte aus einer gut situierten Familie. Der Vater arbeitete in leitender Stellung bei Preussag.

Im Januar 1979 zerplatzte der Traum des 16-Jährigen. Stattdessen führt Raufeisen heute Besucher durch das ehemalige Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen - als Zeitzeuge. Der inzwischen 41-Jährige ist verbittert. "Sehen Sie, der Mann, der damals die ,Garage' betreute, betreibt heute, gleich um die Ecke einen Autohandel."

Die "Garage", auf die Raufeisen zeigt, ist die berüchtigte Schleuse in den neuen Zellentrakt der Untersuchungshaftanstalt. Der erste Berührungspunkt der Häftlinge mit der strengen Isolation. Keiner von den ehemaligen Handlangern der Staatssicherheit sei jemals zur Rechenschaft gezogen worden. Die Leute seien clever gewesen. "Keiner kennt ihre Namen. Für uns waren das nur Dienstgrade."

Raufeisen dreht an der Gucklochklappe einer Zelle im "U-Boot". Hier wurden von 1945 bis 1953 in feuchtkalten Kammern mutmaßliche politische Widersacher der Sowjetbesatzer unter übelsten Bedingungen gehalten. 1951 übernahm die Stasi. Die Verhörmethoden: Schlafentzug, stundenlanges Stehen, Aufenthalt in Wasserzellen, kein Tageslicht. "Das Personal von Bautzen II wurde in den Staatsdienst übernommen, ist heute verbeamtet. Davon kann ich nur träumen."

Jetzt hat sich die ARD für Raufeisens Schicksal interessiert, drehte die Dokumentation einer deutsch-deutschen Geschichte. 1979 hätten die Eltern in Hannover ihm und seinem damals 18-jährigen Bruder mitgeteilt, dass der Großvater, der in der DDR wohnte, im Sterben liege, schildert Raufeisen den Beginn seines Leidenswegs. Doch die Fahrt endete abrupt in Ostberlin. Dort erfuhren die Söhne die bittere Wahrheit. Die Nachricht vom kranken Großvater war eine Finte des Vaters um außer Landes zu kommen. Der wurde weiland als DDR-Spion eingeschleust, hatte jahrelang Preussag-Geheimnisse in den Osten ausgeplaudert. Jetzt war man ihm auf die Schliche gekommen. Die Verhaftung drohte. Also: Absetzen in die DDR.

Thomas und sein Bruder wussten nichts vom Doppelleben des Vaters. Der bereits volljährige Bruder verweigert seine Unterschrift unter das Einbürgerungsprotokoll. Thomas Raufeisen war minderjährig. Seine Entscheidung trafen die Eltern. Und das bedeutete, fortan: Bürger im "Arbeiter- und Bauernstaat".

Allerdings dauerte es nicht lange, bis der Vater kapierte, worauf er sich eingelassen hatte. "Warum er überhaupt für die DDR spionierte, ist der Familie heute noch unklar. Er hatte doch alles im Westen. Es müssen wohl ideologische Gründe gewesen sein", so Thomas Raufeisen heute. Nach 18 Monaten wollte die Familie raus aus der DDR. Man reiste nach Bukarest, konsultierte dort die deutsche Botschaft. "Die konnten auch nicht helfen." Man dachte an Flucht. 1981 plötzlich die Verhaftung. Die Stasi hatte vom Bukarest-Besuch Wind bekommen: Vorbereitung von Republikflucht und Kontaktaufnahme mit einer feindlichen Macht. "Das war die BRD."

Hier geht es weiter:
https://www.onetz.de/deutschland-und-di ... 07898.html
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Re: Wie die Stasi die Familien ihrer Leute ruinierte

Beitragvon Nostalgiker » 28. August 2019, 19:01

Das ganze gibt seit 2010 als Buch “Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei” von Thomas Raufeisen.

Herr Raufeisen hat ein gravierendes Problem mit seinem Vater, das Buch strotzt nur so von persönlichen Ressentiments.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
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Re: Wie die Stasi die Familien ihrer Leute ruinierte

Beitragvon pentium » 28. August 2019, 19:06

Nostalgiker hat geschrieben:Das ganze gibt seit 2010 als Buch “Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei” von Thomas Raufeisen.

Herr Raufeisen hat ein gravierendes Problem mit seinem Vater, das Buch strotzt nur so von persönlichen Ressentiments.


Gibt es sogar ein Thema dazu seit 2011

Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein ...

Beitragvon paultbayer » 24. Februar 2011, 11:08
24.03.2011 - 19:00

Der Tag, an dem uns Vater erzählte, dass er ein DDR-Spion sei

Einfach mal den Namen in die Forensuche eingeben...
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