Im Nachfolgenden wird der Versuch unternommen, der HV A XI eine Gestalt zu geben, was ihre Aufgaben, ihre Mitarbeiter und vor allem ihre Quellen betrifft.
Autor/in: Helmut Müller-Enbergs
Dies wird durch den Umstand erschwert, dass zu dieser Abteilung kaum archivarische Überlieferungen bei der Stasi-Unterlagenbehörde vorliegen, da es den Mitarbeitern gelang, bis Juni 1990 entsprechende Bestände nahezu vollständig zu vernichten. Übrig geblieben ist lediglich die von der HV A angelegte und verfilmte Kartei, die unter dem Namen »Rosenholz« bekannt ist und deren Daten seit 2004 in Deutschland in der Stasi-Unterlagenbehörde zugänglich sind. Bis dahin befanden sich die »Rosenholz«-Dateien im Besitz der USA, und die CIA sorgte dafür, dass bei ihrer Rückgabe alle Bezüge zu amerikanischen und anderen nicht-deutschen Staatsbürgern zurückgehalten wurden. Ferner ist eine besondere Datei mit dem Namen SIRA, dem System der Informationsrecherche der HV A, überliefert bzw. wurde mühsam wieder rekonstruiert.
In diesen elektronischen Datenbanken der HV A sind u. a. die von den inoffiziellen Mitarbeitern (IM) beschafften Unterlagen mit ihren Titeln, die Decknamen der IM und ihre individuellen Registriernummern sowie die von den Auswertern vergebenen Beurteilungen verzeichnet. Außerdem existieren vereinzelte IM-Akten, die wegen ihrer geringen Bedeutung nicht im Archiv der HV A, sondern in dem des MfS abgelegt wurden. Darüber hinaus haben einzelne Offiziere dieser Abteilung ihre Erinnerungen veröffentlicht bzw. sind mit Stellungnahmen an die Öffentlichkeit getreten. Schließlich trugen Ermittlungsbehörden Angaben zu einzelnen IM und ihren Offizieren zusammen, die herangezogen wurden, wenn es zu Anklagen und Verurteilungen kam. Diese Quellenlage lässt erahnen, dass die Rekonstruktion der HV A XI einem überwiegend unvollständigen Puzzle gleicht.
Die im Februar 1971 als eigenständige Abteilung gebildete HV A XI befasste sich mit allen Fragen politischer und militärischer Natur, die mit den USA (und Kanada) in Beziehung standen. Die operative Arbeit gegen die amerikanischen Nachrichtendienste oblag einer anderen Struktureinheit der HV A, namentlich der HV A IX,4 und die Arbeit gegen die NATO übernahm die HV A XII. Die breiter angelegte nachrichtendienstliche Arbeit in den USA wurde erst zu dem Zeitpunkt aufgenommen, als eine staatliche Anerkennung der DDR absehbar war, die es auch der DDR ermöglichte, diplomatische Vertretungen zu eröffnen. Das Aufklärungsprogramm war großzügig gefasst; es wurde zwischen Haupt- und Basisobjekten unterschieden. »
Unter den Hauptobjekten galt das Interesse vor allem dem Weißen Haus, dem US-Verteidigungsministerium, dem Kongress und dem Pentagon. Dabei stand die HV A jeweils vor beachtlichen Problemen. Da sie im Weißen Haus einen häufigen Personalwechsel beobachtete, schien ihr die Methode des »Herausbrechens« für das nachrichtendienstliche Eindringen als besonders viel versprechend. Es galt also eine dort bereits tätige Person für sich zu gewinnen. Beim Verteidigungsministerium und beim Kongress erschien es der HV A kaum realistisch, Quellen zu platzieren, da dort ausschließlich US-Bürger tätig sein durften, die mindestens seit sieben Jahren in den Staaten lebten und darüber hinaus den obligatorischen Einsatz eines Lügendetektors zu überstehen hatten.
Da es der HV A schwerfiel, in die personellen Strukturen des Weißen Hauses einzudringen, interessierte sie sich für entsprechende Einrichtungen in dessen Umfeld. Dazu gehörten so bekannte Institute wie
• die Heritage Foundation (Washington, D. C.),
• das Institute for Contempary Studies for Public Policy Research (San Francisco),
• das American Enterprice Institute (Washington, D. C.),
• die Hoover Institution on War, Peace and Revolution (Stanford University,
Kalifornien),
• das Centre for Strategic and International Studies (Georgetown University),
• die School of International Affairs (Columbia University, New York),
• die RAND-Cooperation (Santa Monica, Kalifornien),
• die School of Advanced International Studies (Johns Hopkins University,
Washington, D. C.),
• die Fletcher School of Law and Diplomacy (Tufts University, Medford),
• das Massachusetts Institute of Technology (Cambridge).
Für diese verschiedenen Zielobjekte waren innerhalb der HV A XI die Leitung und diverse Referate mit insgesamt 61 Mitarbeitern zuständig, wobei die bedeutendsten Einrichtungen der Leitung selbst vorbehalten blieben. Um das unglaubliche Ausmaß der Aufgaben erfüllen zu können, suchte die HV A XI inoffizielle Mitarbeiter, »die den Kampf auf Leben und Tod zu führen gewillt sind!«.
Die Leitung der HV A XI war allein mit zwölf Zielobjekten in den USA befasst, von denen die drei wichtigsten das Pentagon, das Weiße Haus und das Außenministerium waren.
Als erster Leiter war mit Heinz Geyer11 ein erfahrener Mann bestimmt worden, der wesentlich am Aufbau dieser Abteilung beteiligt gewesen ist. Ihm folgte sein bisheriger Stellvertreter Jürgen Rogalla,12 der bis zum Ende der DDR die HV A XI leitete. Rogalla standen zunächst Horst Klugow, dann Manfred Kleinpeter15 und zuletzt als 1. Stellvertreter Armin Grohs zur Seite. Jeder von ihnen war für bestimmte Referate zuständig, die in den folgenden Kapiteln näher beschrieben werden.
Oberst Jürgen Rogalla
Einschleusungen / Übersiedlungen in die USA
US-Streitkräfte in Europa
Auswertung und Information
Oberst Armin Grohs
US-Botschaft in Bonn / US-Bürger in der Bundesrepublik
Ausbildung und Kadergewinnung
Oberst Manfred Kleinpeter
US-Bürger in Europa
UNO-Vertretung in den USA
USA-Forschung in der DDR
US-Streitkräfte in West-Berlin / Militärmission in Potsdam
..... wird fortgesetzt.
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