Die Akte Burkhard Schulz

Alles zum Thema Geheimdienste und Sicherheit in der DDR und in der BRD

Die Akte Burkhard Schulz

Beitragvon pentium » 28. Oktober 2022, 11:14

Wismut Aue, die Stasi und ein Staatsfeind beim Tortenkauf: Die Akte Burkhard Schulz

Teil I

Im August dieses Jahres verstarb überraschend einer der bekanntesten Auer Fußballanhänger. In seinem Nachlass befinden sich Dokumente aus der Stasi-Unterlagenbehörde. Der Operative Vorgang "Blitz" zeigt auch, dass es den Fans heute viel besser geht als denen früher in der DDR.
Aue.

Es ist exakt 14.28 Uhr, als Burkhard Schulz die Haupttribüne III im Otto-Grotewohl-Stadion in Aue betritt. Er holt ein Sitzkissen aus seiner Umhängetasche, legt es auf eine der kalten Bänke und setzt sich. Vermutlich weiß Schulz nicht, dass an diesem Tag jede seiner Handlungen ganz genau beobachtet wird.

Es ist der 2. März des Jahres 1985. Wismut Aue spielt in der DDR-Fußball-Oberliga gegen den BFC Dynamo, die Lieblingsmannschaft des verhassten wie gefürchteten Stasi-Chefs Erich Mielke. Und weil der Staat mit Ausschreitungen rechnet, sitzen unter den 19.000 Zuschauern auch Spitzel des Ministeriums für Staatssicherheit. Die kennen ihre Pappenheimer. Burkhard Schulz aus dem nur ein paar Kilometer von Aue entfernten Städtchen Zwönitz gehört zu den Köpfen der Auer Fanszene und hat Kontakte zu Vereinen und Fußballanhängern im Westen. Nicht ausgeschlossen, dass Leute wie er bei so einem Spiel wie gegen den BFC Dynamo auf dumme Gedanken kommen.

Vor zwei Monaten ist Burkhard Schulz im Alter von 61 Jahren überraschend gestorben. Bis zuletzt galt er als genialer Fußballstatistiker und Chronist und deswegen auch als dankbarer Gesprächspartner. Ein paar Wochen vor seinem plötzlichen Tod traf sich der Experte noch einmal mit der "Freien Presse", um auch darüber zu reden, wie die Stasi einst bei besonders brisanten Fußballspielen im Stadion zugange war, um Aktionen und Proteste gegen den Arbeiter-und-Bauernstaat und Sympathiebekundungen für den Westen zu verhindern.

Schulz kam pünktlich zu dem Treffen, holte eine Mappe aus der Tasche, in der ein dicker Stapel DIN- A4-Seiten abgeheftet war. "Hier, meine Stasiakte", sagte er. "Mach was draus." Jetzt ist die brisante Dokumentation quasi Bestandteil seines Nachlasses - und gibt Einblick in die Welt eines Nachrichtendienstes, die zwar bereits ausführlichst beschrieben ist, aber immer wieder neue Details und Facetten offenbart.

An jenem ersten Samstag im März des Jahres 1985 beginnt das Ministerium für Staatssicherheit bereits um neun Uhr am Morgen mit der Observierung von Burkhard Schulz. Vielleicht will es schon im Vorfeld des Fußballspiels in Aue irgendwelche Vorbereitungen auf eine DDR-feindliche Aktion unterbinden. Aber Schulz hat andere Dinge zu erledigen. Er setzt sich an diesem Morgen auf sein Moped, einen rot-grauen Spatz, und fährt zum Bäcker. Laut dem Beobachtungsprotokoll der Stasi betritt Schulz den Laden exakt um 9.17 Uhr. "Kurz darauf verließ er die Bäckerei wieder und trug einen Tortenkarton bei sich", heißt es in dem Bericht weiter. Mehrfach wird Schulz aus dem Hinterhalt fotografiert. Er befestigt schließlich den Tortenkarton an seinem Moped und düst zurück nach Hause, wo er dann um 9.27 Uhr eintrifft.

Statt bei der Vorbereitung auf eine subversive Aktion schießt die Stasi Fotos von einem mutmaßlichen Staatsfeind beim Tortenkauf. Das hat was, da fällt einem vielleicht eher Leander Haußmanns "Stasikomödie" ein als ein nervenaufreibender Spionagefilm, in dem es ums Eingemachte geht. Doch so komisch geht es natürlich nicht immer zu. Die Fußballfanszene in der DDR gilt als Subkultur abseits staatlicher Kontrollen und Reglementierungen und damit aus der Perspektive von Partei und Staat als große Gefahr. Da muss die Stasi ran, um zu verhindern, dass nichts aus dem Ruder läuft. Burkhard Schulz ist inzwischen Kassenwart im Fanclub "Blauer Hirsch", und schnell hat die MfS-Kreisdienststelle Aue einen seiner besten Kumpels als Spitzel in die Gruppe eingeschleust. Der Name des Operativen Vorgangs, den die Genossen anlegen, lautet: Blitz.

Damit hat der Geheimdienst seinen Fuß in der Tür. Von Schulz weiß er alsbald, dass er im Mai 1984 nicht wählen gehen will. In dem Arbeiter- und-Bauernstaat ist das ein Sakrileg. Anders als heute in demokratischen Verhältnissen müssen die Nichtwähler in der DDR mit ernsthaften Folgen rechnen. "Schulz begründet seine Entscheidung mit seiner Unzufriedenheit über die allgemeine Lage in der DDR betreffs Straßenwesen und der Versorgung", so der Spitzel an seinen Führungsoffizier.

Schulz & Co. geraten immer mehr ins Fadenkreuz von Horch & Guck. Es gibt Verhöre und Hausdurchsuchungen. Fast der komplette Fanclub wird inzwischen ausspioniert. Auch Uwe Nitzsche hat seine Stasiakte studiert, und man reibt sich heute immer noch die Augen, was die Stasi alles so an wichtigen und unwichtigen Dingen herausgefunden hat. "Die haben uns bespitzelt nach Strich und Faden. Die wussten sogar, wie in meinem Zimmer das Kabel zur Westantenne führte", erzählt Nitzsche der "Freien Presse" am Telefon. Er ist zurzeit als Bauarbeiter auf Montage in der Nähe von Stuttgart. Ein Blick in die Akte zeigt, wie aufmerksam sich der Zuträger in der Wohnung von Nitzsche umgeschaut hat. Eintrag in einem Bericht an die Auer Stasizentrale: "An der Wand hängt ein Plakat aus Prag von der Eishockey-Weltmeisterschaft mit dem BRD-Spieler Erich Kühnhackl." Nitzsche ist übrigens auch ein Beweis dafür, dass die Fanclubs tatsächlich auch ein Sammelbecken von Jugendlichen waren, die mit der DDR nicht allzu viel am Hut hatten. Er habe das Land mehrfach als "Scheißzone" und die Regierung als Verbrecher bezeichnet, steht in den Akten.
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
Anton Günther

Freundeskreis Schloss Hubertusburg e. V.
http://www.freundeskreis-hubertusburg.de
Benutzeravatar
pentium
 
Beiträge: 45561
Bilder: 133
Registriert: 9. Juli 2012, 16:12
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge

Re: Die Akte Burkhard Schulz

Beitragvon pentium » 28. Oktober 2022, 11:15

Teil II

Burkhard Schulz war eher der ruhigere Typ. Auch bei dem Treffen mit der Zeitung redete er nicht viel, er sagte nur, dass er manchmal, wenn er zum Verhör musste, Blut und Wasser geschwitzt habe. Ansonsten stehe doch alles in seiner Akte. Tatsächlich hat sich der Geheimdienst hauptsächlich für seine Westkontakte interessiert.

Die Stasi weiß, dass er Poster, Zeitschriften, Aufnäher und Anstecknadeln von Mannschaften aus der Bundesrepublik und Österreich besitzt. Der Inoffizielle Mitarbeiter, der auf Schulz angesetzt ist, berichtet, dass der Kassierer des "Blauen Hirsches" besonders enge Briefkontakte zur Geschäftsstelle der Spielvereinigung Fürth unterhält. Von dort bekomme Schulz immer die aktuellen Spielansetzungen her.

Die Genossen der Kreisdienststelle leiten eine Hausdurchsuchung bei Schulz in die Wege. Sie beschlagnahmen "59 Briefe aus der BRD, Österreich und England, eine Mappe mit 98 Briefen ohne Umschlag aus der BRD, 50 Zeitschriften aus der BRD und Österreich, neun Fotos und zwei Aufnäher".

Natürlich wurde im Osten Deutschlands nicht nur die Fanszene ausspioniert. Immerhin fanden sich unter den DDR-Bürgern genügend Leute, die bereit waren, für ein paar hundert Mark oder auch nur eine Schachtel Pralinen ihre Nachbarn, Arbeitskollegen und Freunde an die Stasi zu verpfeifen. Manchmal gab es auch eine Flasche teuren Schnaps. Der Spieler und spätere Trainer Konrad Schaller, der als IM Klaus Schreiber die Auer Oberligamannschaft bespitzelt hat, durfte sich 1987 zu seinem Geburtstag über eine Flasche Helios freuen. Besorgt hatten die Führungsoffiziere den griechischen Brandy vorher für 39 Mark in der HO-Kaufhalle "Freundschaft" in der Niederschlemaer Straße in Aue. Die Quittung befindet sich in der Täterakte von Konrad Schaller, die die Stasi-Unterlagenbehörde Chemnitz der "Freien Presse" zur Verfügung gestellt hat. Deshalb weiß man das heute alles noch so genau.


Die Physiotherapeutin der Auer Fußballer hat noch im September 1989 eine Prämie von 200 Mark bekommen, weil sie nicht nur die Spieler der Oberliga-Elf gepflegt, sondern auch die Stasi zufriedenstellend mit Informationen verarztet hat. So war das Ministerium von Erich Mielke quasi auf allen Positionen vertreten.

Burkhard Schulz verlässt an jenem 2. März des Jahres 1985 gleich nach Spielende das Stadion. Wismut Aue und der BFC Dynamo haben 1:1 gespielt, für die Mannschaft aus dem Erzgebirge ist das gegen den großen Favoriten ein gutes Resultat. 16.55 Uhr erreicht Schulz sein Moped, das er auf einem Parkplatz gleich in Stadionnähe abgestellt hat. Es habe während des gesamten Spielverlaufes keine Demonstrativhandlungen des Schulz gegeben, heißt es in dem Beobachtungsbericht.

Als Schulz wenig später zu Hause ankommt, kann vermutlich auch der Stasimitarbeiter endlich Feierabend machen. Immerhin ist auch er seit dem Morgen auf den Beinen.

Freie Presse (Hinter der Bezahlschranke)
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
Anton Günther

Freundeskreis Schloss Hubertusburg e. V.
http://www.freundeskreis-hubertusburg.de
Benutzeravatar
pentium
 
Beiträge: 45561
Bilder: 133
Registriert: 9. Juli 2012, 16:12
Wohnort: Sachsen/Erzgebirge

Re: Die Akte Burkhard Schulz

Beitragvon Merkur » 28. Oktober 2022, 13:07

Für mich ist dieser Fall, so wie er sich hier darstellt, eine Verschwendung operativer Kapazitäten und eines überzogenen Sicherheitsdenkens.
Zumindest lese ich keinen Bezug auf Gewalt im Stadion oder Umfeld bzw. Kontakte zu Hooligans heraus. Es geht also um Kontakte unter normalen Fans. Allerdings kenne ich den kompletten Vorgang nicht und die Begründung für die Einleitung der Maßnahmen wäre interessant.
Für die Presse sicherlich nicht uninteressant aber es gab im Bezirk KMS wesentlich interessantere und vor allem relevantere Dinge.
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
Merkur
 
Beiträge: 4648
Registriert: 15. Juni 2010, 17:21

Re: Die Akte Burkhard Schulz

Beitragvon Spartacus » 28. Oktober 2022, 17:59

Merkur hat geschrieben:Für mich ist dieser Fall, so wie er sich hier darstellt, eine Verschwendung operativer Kapazitäten und eines überzogenen Sicherheitsdenkens.


Einer von tausenden solcher Fälle. Was für so einen Kokolores für ein Aufwand betrieben wurde, ist schon fast nicht zu glauben. Und so unwichtig dieser Fall war, so wurden doch in diesem
Rahmen IMs rekrutiert, die Privatsphäre verletzt und sicherlich wurde da später die ein oder andere vermeintliche Freundschaft beendet.

Danke fürs Einstellen Pentium und schade das der Herr Schulz schon so früh gehen musste.

Sparta


Ich bin stolz darauf, kein Smartdingsbums zu besitzen.
Nicht Deutschland schafft sich ab, sondern Deutschland schaltet sich ab.
Habeck und Baerbock in die Produktion. Die Grünen sind eine fortschrittsfeindliche Sekte.



Benutzeravatar
Spartacus
 
Beiträge: 25937
Bilder: 0
Registriert: 28. März 2013, 19:01
Wohnort: Bayern

Re: Die Akte Burkhard Schulz

Beitragvon augenzeuge » 28. Oktober 2022, 18:06

Spartacus hat geschrieben:
Merkur hat geschrieben:Für mich ist dieser Fall, so wie er sich hier darstellt, eine Verschwendung operativer Kapazitäten und eines überzogenen Sicherheitsdenkens.


Einer von tausenden solcher Fälle. Was für so einen Kokolores für ein Aufwand betrieben wurde, ist schon fast nicht zu glauben. Und so unwichtig dieser Fall war, so wurden doch in diesem
Rahmen IMs rekrutiert, die Privatsphäre verletzt und sicherlich wurde da später die ein oder andere vermeintliche Freundschaft beendet.

Danke fürs Einstellen Pentium und schade das der Herr Schulz schon so früh gehen musste.

Sparta


Diese Vorgehensweise war eben nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Unwichtige Dinge konnten sich so hoch stilisieren, dass man am Ende dank vieler Zuträger zig Infos hatte, und eine Entscheidung traf, aber wirklich begriffen hat man den Sachverhalt nicht. Und wenn einer am Anfang eine Einschätzung dokumentiert hatte, traute sich keiner diese später auch nur teilweise infrage zu stellen.

AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84814
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen

Re: Die Akte Burkhard Schulz

Beitragvon Merkur » 29. Oktober 2022, 09:01

augenzeuge hat geschrieben:Diese Vorgehensweise war eben nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
AZ


Hm, ich bin hinsichtlich dieser Pauschalaussagen immer irritiert. Wer mag das bezogen auf das Gesamtaufkommen der Vorgänge beurteilen? Dazu ist doch der Öffentlichkeit insgesamt viel zu wenig bekannt. Aber ich gebe zu, dass ausschließliches Medienwissen zu einer solchen Einschätzung führen kann.
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
Merkur
 
Beiträge: 4648
Registriert: 15. Juni 2010, 17:21

Re: Die Akte Burkhard Schulz

Beitragvon augenzeuge » 29. Oktober 2022, 09:47

Nicht nur Medienwissen, auch persönliches Wissen. Natürlich kann ich das aus meiner Sicht nicht korrekt beurteilen, aber es gibt Indizien, dass es so gewesen ist.
Denn ich gehe einfach nicht davon aus, dass ich, oder mir bekannte Personen alle zur Ausnahme gehören. [wink]

Was war denn der Grund der in den letzten 10 DDR Jahren stetig wachsenden Zahl von MfS Hauptamtlichen? Ganz sicher nicht eine Überprüfung solcher Fälle mit dem Ziel, effektiver zu arbeiten.
Das hätte man doch dann erkennen müssen, oder?

AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84814
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen

Re: Die Akte Burkhard Schulz

Beitragvon Merkur » 29. Oktober 2022, 10:02

Auch das sehe ich etwas differenzierter. Es müsste doch erst einmal geprüft werden, in welchen konkreten Bereichen das MfS wesentlich verstärkt worden ist. Waren es schwerpunktmäßig die Bereiche, die sich mit solchen Lappalien beschäftigten?
Es geht doch auch insgesamt nicht darum, ob es Dich oder ein paar Dutzend Dir bekannt Fälle betraf, die es zweifelsohne gab. Es geht darum, dass die aufarbeitende Behörde und andere Medien es in 30 Jahren nicht geschafft haben, bestimmte Bereiche und Vorgänge darzustellen, die eben nicht Lappalien bearbeitet und Kokolores aufgeschrieben haben. Warum lesen wir dazu nichts? Aufarbeitung dahingehend nicht geschafft, zu wenig Personal, nicht gewollt? Es geht mir nicht darum, Fälle wie Schulz zu negieren, es geht um die Unausgewogenheit der Darstellung der Gesamtthematik.
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
Merkur
 
Beiträge: 4648
Registriert: 15. Juni 2010, 17:21

Re: Die Akte Burkhard Schulz

Beitragvon Nostalgiker » 29. Oktober 2022, 10:14

Ach ja die knallharten Indizien ........

Augenzeuge, als Umkehrschluss zu deinen vermuteten Indizien, weil solche Vorgänge in deinem Umfeld wohl auftraten, könnte ich behaupten das dem nicht so war. Einfach weil mir keinerlei "Vorgänge" betreffs Stasi-Observation und daraus resultierenden, umfangreichen Akten bekannt sind kann es also so nicht gewesen sein.
Was also war die Regel?
Die zigtausende Fälle als die oder die besonderen Fälle wo jemand durch unnormiertes Verhalten, besonders "negativ-feindliche Äußerungen" (was immer auch das war), auffiel und da schon aus Interesse nachgegraben wurde.

Auch ist mir die Zahl der IM's suspekt.
Kann es sein das die sich aufsummiert auf die Gesamtlaufzeit der 40 Jahre bezieht. Ebenso die 300.000 politischen Häftlinge die gleichzeitig in DDR Gefängnissen gesessen haben sollte entpuppen sich bei näherer Betrachtungsweise nicht als grundsätzlich falsch aber eben nicht gleichzeitig sondern wieder über die Laufzeit von 40 Jahren.

Aufbauschen dieser unbestreitbaren Fakten trägt nicht gerade zur sachlichen Aufarbeitung bei, es hat mehr den Geschmack einer beleidigten Abrechnung mit einem Kadaver.
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin

Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin

Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund
Benutzeravatar
Nostalgiker
 
Beiträge: 13708
Registriert: 28. August 2012, 12:36

Re: Die Akte Burkhard Schulz

Beitragvon augenzeuge » 29. Oktober 2022, 10:24

Ja, das sollte man differenziert betrachten. Dennoch bleiben genügend Fälle ähnlicher Überwachungsmethoden übrig. Und man hatte bis zuletzt den Eindruck, dass es noch viel schlimmer werden würde. Denk an die MfS-Helfer, die gegen Plakate gekämpft haben, sie herunterrissen, denk an die bis an die tschech./ungar. Grenze fahrenden VP/MfS-Mitarbeiter, die Fluchten verhindern mussten. Denk an die Verfolgung jener, welche die Zerstörung der Umwelt dokumentierten und allein deshalb verfolgt wurden. Und da du einige Ex MFS Größen ja sprechen konntest, was sagten die denn dazu? War es nicht so, dass sie ihr Tun am Ende eher verstärken, als überprüfen wollten? Jeder Kritik wurde dokumentiert, verfolgt durch einen großen Helferkreis in den Betrieben, die ständig Rechenschaft ablegen mussten. Soll heißen, die Zahl derer, welche "Zuarbeiten" machen mussten, wuchs doch noch stärker. Und genau das vermittelt doch diese Akte Schulz.

Ok, du hast aber auch recht. Man muss die Zahl und Tätigkeiten dieser MfS-Mitarbeiter mit der Gesamtheit vergleichen.

AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84814
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen

Re: Die Akte Burkhard Schulz

Beitragvon Merkur » 29. Oktober 2022, 11:35

augenzeuge hat geschrieben: Denk an die Verfolgung jener, welche die Zerstörung der Umwelt dokumentierten und allein deshalb verfolgt wurden. Und da du einige Ex MFS Größen ja sprechen konntest, was sagten die denn dazu?
AZ


Es kam auf die Verantwortung der Einzelnen an und ob dieses Thema sie in ihrer Tätigkeit tangiert hatte. Es gab auf der Linie XX auch Kräfte, die gesagt haben, dass man mit diesen Personen hätte reden müssen und das diese Thematik nicht in das Aufgabengebiet des MfS fällt. Leider hatten die politischen Entscheidungsträger dahingehend eine andere Linie vorgegeben. Das war falsch und hat dazu geführt, dass solche Dokumentationen in den Westen gingen und dort veröffentlicht wurden. Das wiederum führte zu Konflikten mit dem Gesetz. Ein Kreislauf, der für beide Seiten nicht gut war.
Selbstverständlich muss jeder seine individuelle Sicht bzw. Meinung haben und schreiben. Quelle: Augenzeuge.
Merkur
 
Beiträge: 4648
Registriert: 15. Juni 2010, 17:21

Re: Die Akte Burkhard Schulz

Beitragvon augenzeuge » 29. Oktober 2022, 13:04

Ich glaube, so selten ist es auch heute nicht, dass gewisse Dienste cleverer als politische Entscheidungsträger sind. Leider. [denken]
AZ
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.
Benutzeravatar
augenzeuge
Flucht und Ausreise
Flucht und Ausreise
 
Beiträge: 84814
Bilder: 6
Registriert: 22. April 2010, 07:29
Wohnort: Nordrhein-Westfalen


Zurück zu Geheimdienste und Sicherheit

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 2 Gäste

cron