Die Selbstverbrennung des Pfarrers Rolf Günther

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Die Selbstverbrennung des Pfarrers Rolf Günther

Beitragvon pentium » 9. August 2016, 15:57

Am 17.September 1978 nahm sich der evangelische Pfarrer Rolf Günther vor den Augen seiner Gemeinde sächsischen Falkenstein das Leben.

Die Geschichte in der FAZ:
Dass Pfarrer Rolf Günther mitten im Lied „Wir glauben all an einen Gott . . .“ in der Sakristei verschwindet, erscheint keinem der 300 Gläubigen in der Falkensteiner Kirche „Zum Heiligen Kreuz“ ungewöhnlich. Günther ist für seine extravagante Gottesdienstgestaltung bekannt. Als nach dem Ende des Lieds die Kinder zum Kindergottesdienst ins Gemeindehaus gebracht worden sind, kommt der Pfarrer mit zwei großen Milchkannen zurück. Sicher ist es eine Anspielung auf den Predigttext, denken viele.
Günther schüttet den Inhalt der Kannen auf den Teppich vor dem Altar. Aber statt mit der Predigt zu beginnen, breitet er seine Arme über die Altarkerzen. Sofort steht sein Talar, den er in der Sakristei mit Benzin getränkt hat, lichterloh in Flammen. Mit einem lauten Schrei springt Günther in die Benzinpfütze. Explosionsartig verwandelt sich der ganze Altarraum in ein Flammenmeer. Irgendwie gelingt es ihm noch, ein großes Transparent mit der Aufschrift „Wacht endlich auf!“ zu entrollen. Dann verbrennt Pfarrer Günther vor den Augen der Gottesdienstbesucher, an diesem 17. September.
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Erst vor kurzem entdeckte Frau Lepping im Nachlass ihres Vaters eine „Niederschrift“. Günther verfasste sie Ende August 1978 in Vorbereitung auf seine Selbstverbrennung. „Das Dokument unterstützt die Einschätzung, dass es keine politische Tat war.“

Hintergrund waren vielmehr persönliche und theologische Differenzen zwischen den drei Falkensteiner Pfarrern. Die Konflikte gipfelten in einem Streit über das Spenden des Abendmahls und die Segnung von Kindern im Gottesdienst. In seinem Ringen gegen „Sektierer“ sah sich Günther von der Amtskirche alleingelassen. Zwar war er sich bewusst, dass er mit der Selbstverbrennung sein Ordinationsgelübde brechen würde, doch war er überzeugt, so seinen Glauben zu bekunden.
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Wie die Stasi den Fall nutzte, um in die Kirche einzudringen, und die Selbstverbrennung Günthers damit doch noch zu einem Politikum machte, zeigt das Buch „Das Fanal von Falkenstein“ des Kirchenhistorikers Edmund Käbisch. „Die Stasi sah die einmalige Gelegenheit, unter dem Vorwand der Legalität in die sächsische Landeskirche einzudringen“, so Käbisch.

Direkt nach der Tat schickte die Stasi Mitarbeiter ins Vogtland; unter ihrer Führung wurden Zersetzungsbriefe an Leitungskräfte der sächsischen Kirche versandt, um Zwietracht zu säen und Konflikte zwischen unterschiedlichen Glaubensrichtungen anzufachen. In einem fünfseitigen Maßnahmenplan wurde festgelegt, den „Differenzierungsprozess innerhalb der Evang.-Luth. Landeskirche“ anhand des Falls Falkenstein „zu forcieren“. Die Kirchenleitung in Dresden müsse gezwungen werden, „sich in erster Linie mit ihren eigenen innerkirchlichen Problemen zu beschäftigen (sowie) ihre Einmischung in staatliche Belange und Angelegenheiten zu unterlassen“.
...
Sogar auf eine Spaltung der Kirche hoffte die Stasi. Es half ihr, dass Günthers guter Freund und Testamentsvollstrecker einer ihrer Inoffiziellen Mitarbeiter war, viele weitere IM waren auf die Sache angesetzt. Die Abteilung Kirchenfragen im Rat des Bezirks Karl-Marx-Stadt wurde faktisch zur Außenstelle des Ministeriums für Staatssicherheit, weil die Stasi dort eigene Offiziere als Referenten installierte. Diese Methode wurde dann für die ganze DDR zum Vorbild....

http://www.faz.net/aktuell/politik/inla ... 98593.html

Pressemitteilung des Kirchenvorstandes Falkenstein-Grünbach zum Umgang der Kirchgemeinde mit der Selbstverbrennung von Pfarrer Rolf Günther 1978
http://www.elukifa.de/ge/20080521.php

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Re: Die Selbstverbrennung des Pfarrers Rolf Günther

Beitragvon pentium » 13. August 2016, 18:22

In der Ausstellung "Die Bibel in den beiden Diktaturen des 20. Jahrhunderts" wird auch die Selbstverbrennung Rolf Günthers dokumentiert.

http://www.dr-kaebisch.de/index.php?sit ... erbrennung

Kurzes Zitat_
Beginn einer neuen Stasi-Methode

Offiziere im besonderen Einsatz (OibE) wurden als staatliche Referenten für Kirchenfragen eingesetzt. Sie führten die Verhandlungen und Gespräche mit der Kirchenleitung. Essen und Empfänge wurden organisiert. Die Referenten bedrängten die Kirchenleitung, kirchliche Mitarbeiter, die für den Staat zu kritisch waren, zu disziplinieren (z. B. Dr. Theo Lehmann, Bernd Albani, Eberhard Heiße, Christoph Wonneberger, Michael Wagner, Joachim Krause, Dr. Edmund Käbisch...).

Die Referenten hatten die staatskonformen Pfarrer zu steuern und zu lenken. Vertrauliche Gespräche wurden geführt. Dabei wurde das Gegenüber abgeschöpft und Informationen gewonnen. Mit Vergünstigungen und Bevorteilungen wurde gearbeitet. Das war ein Weg, mit dem der DDR-Staat auf die Kirche Einfluss nahm und Mitarbeiter abhängig machte. Kirche sollte nicht getreu nach der Bibel leben...]

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