Die DDR und die Religion

Alles zum Thema Kirche und Religion in beiden deutschen Staaten

Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon Sirius » 5. April 2013, 20:04

augenzeuge hat geschrieben:Wäre ohne die Kirche die DDR nicht untergegangen?

Animiert zu diesem Thread wurde ich durch die Aussage eines Ex-.MfS-Offiziers.

Er schrieb:
"...man (hätte) bereits bei der Staatsgründung (der DDR) die Chance hätte nutzen (müssen), und mit der ganzen Kirchenfrage ein für allemal hätte Schluß machen müssen. Enteignung sämtlichen Besitzes, Schleifens aller Kirchenbauten, Verbot der Religionsausübung, Einführung des wissenschaftliche Atheismus als Pflichtfach... all das hätte uns vieles erspart und dem Gegner seine Zentren und Basen auf einen Schlag entrissen.
Na ja, am Ende auch nur eine von vielen verpassten Chancen bis 1989."

Offene Worte eines "Möchtegerndiktators", die möglicherweise manch einem den Mund offen stehen lassen..... [blush]

AZ


Das hast Du also auch gelesen. Das hat ja einige Aufregung verursacht, selbst ein anderer ehem. MfS-Mitarbeiter war mehr oder weniger entsetzt. Allerdings ist es mir lieber, wenn die Menschen offen und ehrlich ihre Meinung sagen/schreiben, als "Kreide zu fressen", um den gerade herrschenden Zeitgeist zu bedienen, oder das zu schreiben, was die Mehrheit hören will - es ist somit aufrichtiger, als bei den ganzen Opportunisten und Wendehälsen.

Der Vorschlag mit dem Schleifen der Kirchen ist schon ziemlich heftig, da sie sicherlich zu den Höhepunkten der Baukunst und Architektur zählen. Das hat dann schon etwas von kultureller Frevelei. Da denkt man dann auch an Ereignisse wie die Zerstörung der Buddha-Statuen von Bamiyan durch die Taliban. Das Beschriebene geht jedenfalls noch weiter als das Vorgehen gegen die Kirchen während der französischen Revolution. Die Säkularisation in Frankreich war angesichts dessen, was die Kirche auf dem "Kerbholz" hatte, schon nachzuvollziehen. Wenn ich ehrlich bin, dann sehe ich in Religionen nicht allzu viel Positives, in der Bilanz eindeutig Negatives.

Ob die DDR ohne die Kirchen nicht untergegangen wäre? Die Unzufriedenheit war ja vorhanden. Die Kirchen waren zwar der Ort, an dem sich die Unzufriedenen versammelten, diskutierten und sich der Protest formierte. Hätte es keine Kirchen gegeben, wäre die Unzufriedenheit aber nicht verschwunden. Die Unzufriedenen in Ost-Berlin und an anderen Orten am 17. Juni 1953 hatten keine Kirchen benötigt, um sich zu formieren und durch die Straßen zu ziehen. Ohne die Kirchen wäre die Entwicklung Ende 1989 möglicherweise gewalttätiger, spontaner, eruptiver verlaufen, die Kirchen hatten da vermutlich einen Beitrag zur Gewaltlosigkeit. Wie die Entwicklung dann Ende 1989 ohne die Kirchen verlaufen wäre, ist aber schwer abzuschätzen.
Zuletzt geändert von Sirius am 5. April 2013, 20:34, insgesamt 9-mal geändert.
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Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon ratata » 5. April 2013, 20:14

Die DDR hat doch die KIrche gehaßt ,wie der Teufel das Weihwasser. Es gab besondere Gebiete wo die Religionsfreiheit ausgeprägter war. Eichsfeld , Spreewald .
Die Gegend hier um das rote Magdeburg war ja von den Nichtchristen, schon immer geprägt. In den jahren der DDR , mußte ich den Lehrer meines Jungen
schon mal beibringen ,das es in der DDR auch christliche Bürger gibt und eine Religionsfreiheit herrscht. Auch wurde ihm im Rahmen des wehrpolitischen Unterrichtes erklärt , er könnte auf Grund seines Glaubens nie Berufsoffizier werden . mfG ratata
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Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon vs1400 » 6. April 2013, 00:43

augenzeuge hat geschrieben:Wäre ohne die Kirche die DDR nicht untergegangen?

Animiert zu diesem Thread wurde ich durch die Aussage eines Ex-.MfS-Offiziers.

Er schrieb:
"...man (hätte) bereits bei der Staatsgründung (der DDR) die Chance hätte nutzen (müssen), und mit der ganzen Kirchenfrage ein für allemal hätte Schluß machen müssen. Enteignung sämtlichen Besitzes, Schleifens aller Kirchenbauten, Verbot der Religionsausübung, Einführung des wissenschaftliche Atheismus als Pflichtfach... all das hätte uns vieles erspart und dem Gegner seine Zentren und Basen auf einen Schlag entrissen.
Na ja, am Ende auch nur eine von vielen verpassten Chancen bis 1989."

Offene Worte eines "Möchtegerndiktators", die möglicherweise manch einem den Mund offen stehen lassen..... [blush]

AZ


moin Jörg,
bewusst nahm ich dieses thema erst war als meine schwester ihr fs-studium in halle war nahm und irgendwann mit dem sohn eines evangelischen pfarrers antrabte.
das war anfang der 80iger und schon damals war diese kirche ein anlaufpunkt für andersdenkende und antragsteller.
ohne diesen hintergrund hätten es wohl einige nie gewagt und daher hatten die kirchen wohl einen nicht unerheblichen anteil an dieser wende.
für mich damals negative erfahrungen konnte ich mit jenen und welchen machen.
menschliche entscheidungen kamen sehr schnell abhanden, man war sich seiner position durchaus bewusst.

gruß vs [hallo]
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Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon pentium » 6. April 2013, 17:26

Was bitte ist wissenschaftlicher Atheismus? Kirchen wurden genug gesprengt in der ehemaligen DDR.
Vielleicht ist oder war das wissenschaftlicher Atheismus?

Wie war das doch gleich? Ach ja an Bord eines sinkenden Schiffes, auf hoher See, soll es plötzlich keine Atheisten mehr geben!

mfg
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Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon pentium » 6. April 2013, 21:07

Ich habe die Turmrede schon einmal in einem anderen Thema zitiert:

„Ja! Wir werden Türme haben, zum Beispiel einen Turm fürs Rathaus, einen Turm fürs Kulturhaus. Andere Türme können wir in der sozialistischen Stadt nicht gebrauchen."

Walter Ulbricht, "Turmrede", 7. Mai 1953, Stalinstadt (Eisenhüttenstadt).

Diese Turmrede bestimmte künftig die Planungen in der Hauptstadt und den Bezirksstädten der DDR: Gesprengt wurden nach jetzigem Kenntnisstand 17 Kirchen in Berlin, 10 in Magdeburg, 10 in Dresden, 4 in Leipzig, 4 in Chemnitz, 3 in Rostock, 3 in Potsdam, 1 in Wismar u.v.m.

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Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon Sirius » 7. April 2013, 00:48

pentium hat geschrieben:Was bitte ist wissenschaftlicher Atheismus? Kirchen wurden genug gesprengt in der ehemaligen DDR.
Vielleicht ist oder war das wissenschaftlicher Atheismus?

Wie war das doch gleich? Ach ja an Bord eines sinkenden Schiffes, auf hoher See, soll es plötzlich keine Atheisten mehr geben!

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Bislang hat sich der ehem. MfS-Offizier, von dem der Vorschlag eines "Pflichtunterrichts im Fach wissenschaftlicher Atheismus" stammt, leider nicht mehr geäußert, um zu erläutern, was er darunter versteht. Was könnte man darunter verstehen? Vielleicht wenn man die aktuellen Forschungsergebnisse der Evolutionstheorie der Schöpfungsgeschichte der Bibel gegenüberstellt? Es geht dann nicht nur um die älteren Erkenntnisse Darwins, sondern auch um den aktuellen Forschungsstand der Wissenschaft, die man den Theorien der sog. Kreationisten gegenüberstellen könnte. Wie vertragen sich z.B. die Fundstücke der Paläontologen, deren Alter man mittels wissenschaftlicher Methoden datiert mit der Behauptung, dass die Erde vor 7000 Jahren erschaffen worden sei.

Man könnte auch wissenschaftlich die Entstehung von religiösen Glauben beim Menschen erläutern. Religiöse Dogmen werden bereits Kleinkindern eingeimpft. Dazu ein Hinweis an den “MfS-Offizier”, von dem der Vorschlag des "wissenschaftlicher Atheismus als verpflichtendes Schulfach“ stammt, sofern er hier mitliest: Auch politische
Dogmen werden bereits Kindern eingeimpft. Das müsste gerade er wissen! Diese schon Kindern eingeimpften Strukturen verfestigen sich dann mit der Zeit. Dazu muss man sich natürlich mit der Neurobiologie genauer auseinandersetzen, um die Wirkungsmechanismen besser zu verstehen. Als Erwachsener kann man sich dann von diesen Denkstrukturen so gut wie nicht mehr lösen, selbst wenn der Wille dazu da wäre. Dies als Hinweis an @Thoth, warum man gerade in totalitären Staaten mit ihren überaus bedeutsamen Dogmen auf Jugendorganisationen wie Jungvolk, junge Pioniere u.s.w. setzt und sich hier eben die Ähnlichkeiten dieser Systeme zeigen.

Religionen sind bei genauer Betrachtung nichts anderes als Todeskulte, die sich alle in irgendeiner Weise mit dem Jenseits beschäftigten, als Erklärung für die Ereignisse nach dem Tod. In frühen Zeiten, in denen der Mensch keine Erklärung für so etwas hatte, auch nicht für bestimmte Naturphänomene, wie Vulkanausbrüche, den Sonnenaufgang, Regen, Schnee, Erdbeben u.s.w. entstand dann der Glauben an eine überirdische Macht, die dafür verantwortlich ist, die das Ganze lenkt. Wenn man dieser Macht nun huldigt, ihr eventuell etwas opfert, dann wird diese Macht besänftigt und lenkt in beruhigender Weise den Gang der Welt. Es hatte nun nicht mehr lange gedauert, bis die Mächtigen es zu verstehen wussten, dieses Demutsverhalten der Menschen für eigene Ziele zu benutzen, auf eigene Zielvorstellungen umzulenken.
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Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon bruno » 7. April 2013, 10:22

ich bin am 4.mai 1989 zu den gt eingezogen wurden - am 15.september 1989 habe ich sowohl standesamtlich als auch kirchlich (rk) geheiratet,
da gab es keinen dummenspruch oder sonstiges. man hatte mich nur nicht gefragt, ob ich in uniform heiraten möchte...
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Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon pentium » 13. April 2013, 21:53

Allgemein gesagt.
Die Christen in der DDR, die sich aktiv am kirchlichen Leben beteiligt haben,
haben sich mit den Grundwerten der sozialiastischen Gesellschaft definitiv nicht identifiziert, das ist ein Factum!

Weil sich beides miteinander verträgt wie Teufel und Weihwasser!

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Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon Rupert Hübelbauer » 14. April 2013, 17:06

pentium hat geschrieben:Allgemein gesagt.
Die Christen in der DDR, die sich aktiv am kirchlichen Leben beteiligt haben,
haben sich mit den Grundwerten der sozialiastischen Gesellschaft definitiv nicht identifiziert, das ist ein Factum!

Weil sich beides miteinander verträgt wie Teufel und Weihwasser!

mfg
pentium

Hallo pentium, mein geringer Zugang ist ein etwas anderer.

Will mal ein wenig ausholen. Moses, der damals schon ein sozial denkender Mensch war, führte vor etwa 3200 Jahren die Sonntagsruhe (Sabbat) ein. Alle mussten ruhen! Herren, Sklaven und sogar die Tiere. Ebenso war es ihm und allen anderen Propheten ein großes Anliegen, das man die Armen, Witwen und Weisen unterstützt. Ich denke, Moses hat den Sabbat auch deshalb geschaffen, weil er eben ein kluger Mann mit sozialen Gewissen war, der in seinem Umfeld sehen konnte – wollte – musste, wie das Volk großteils schlecht behandelt und ausgenutzt wurde – bis hin zur Verwerflichkeit. Ja, das Leid konnte er sehen. So gesehen erlaube ich mir schon zu sagen, Moses war damals schon einer der ersten Urväter – auch der Sozi.
Mich ärgert es immer wieder, wenn ausgerechnet manche Christdemokraten – allein des Geschäftes wegen - die Sonntagsruhe auch für den Handel abschaffen wollen. Klar, heute hat man in der Regel an anderen Tagen frei. Aber trotzdem........

Als Moses sich nun die Frage stellte, was mit denen zu tun sei, die sich nicht an seine Gebote hielten, ordnete er an, sie zu steinigen – sie auszumerzen, also abzumurksen. Sogar die alte Frau, die am Sabbat doch ein wenig Holz sammelte, wurde - entgegen dem Gesetz nicht zu töten – knallhart gesteinigt. Sicherlich ein Widerspruch. Aber, wenn Moses das nicht angeordnet hätte, bestand halt die Gefahr, dass alles vergessen wird. Die Gebote wurden zwar mal ausgesprochen, aber wenn man sich nicht daran gehalten hätte, wäre es auch wurscht gewesen. Jeder hätte trotzdem tun können, was er wollte. Es wäre alles beim Alten geblieben.

Für die Nächstenliebe, Feindesliebe, Vergebung, Nachsicht und Versöhnung, da war erst 1200 Jahre später der Jesus im besonderen Maße zuständig (auch Mose erwähnte die Liebe). Die Gebote waren eingebrannt, und somit konnte er den nächsten Eckstein setzen.
Dabei hat er ebenso ein bisschen widersprüchlich – entgegen seinem Gebot der Nächsten- und Feindesliebe – zwar nicht grundlos, die Pharisäer und Sadduzäer wüstest beschimpft. Schlangenbrut, Heuchler, ihr seid des Teufels ..............,
warf er ihnen an den Kopf. Na ja, auch er war vom göttlichen Zorn – gleich den früheren Propheten – nicht befreit. [grin]
Außerdem musste sich ja auch die vorher prophezeite Kreuznagelung, die er sicher gelesen hat, erfüllen. Nachtragend war Jesus allerdings nicht. Unter größter Pein sagte er am Kreuz noch: „... vergib ihnen, den sie wissen nicht, was sie tun.“ Wenn das nicht cool ist.

Wieder zurück zu den Grundwerten der soialistischen Gesellschaft und der Frage, ob sich das mit dem Christentum verträgt. Nun, wenn man bedenkt, dass vor dem Ersten Weltkrieg die christlichen Adeligen und Bürgerlichen ziemlich wenig sozial gedacht haben, sie also ihre Untertanen mehr oder weniger rücksichtslos und schamlos ausgenutzt haben, dann sollte man ohne Emotion, mit dem Talent auch ein wenig historisch zu denken, erkennen, warum es zum Sozialismus kam.

Joseph II, ein österr. Kaiser, der kein Kommunist war, der aber doch ein besonders ausgeprägtes soziales Gewissen hatte, hatte mit den damaligen sogenannten Christen samt seinem Klerus ordentlich Probleme. Er schuf die ersten Armenhäuser, schaffte die Leibeigenschaft ab, und, er sperrte viele Klöster, in denen – mit wenig Nutzen für die Gesellschaft – sich überaus viele kontemplative Mönche tummelten, einfach zu. Für mich verständlich, denen ging es gut und viele vom gewöhnlichen Volk blieben auf der Strecke. Ein Kaiser, der sehr unbeliebt war. Vereinzelt haben auch heute noch Christen ein gestörtes Verhältnis zu ihm.
Wie gesagt, wenn man sich in frühere Verhältnisse hineinversetzten kann, kann man nachvollziehen, wie es zum sozialistischen Gedankengut kam. Nach meinem Gerechtigkeitssinn wäre es dumm, wenn ich ein soziales Verhalten den Mitmenschen gegenüber – ohne Wenn und Aber – als verwerflich abtun würde.
Den guten Vorsatz, soziale Verhältnisse schaffen zu wollen (in der DDR gab´s ja welche, die auch von den Christen nicht abgelehnt wurden), kann und darf ich den Kommunisten nicht absprechen.

Dass dogmatisch sozialistische Länder gescheitert sind, hat wohl andere Gründe - Trugschlüsse.
Z.B.: die Diktatur des Proletariats. Für das 19te Jahrhundert aber verständlich, denn das Demokratieverständnis war damals noch nicht so gut ausgeprägt. Für die Proletarier änderte sich aber trotzdem nicht viel, weil fast alle Proletarier wieder nur zu gehorchen hatten, mit mehr oder weniger Nachteilen einer Diktatur. Des Weiteren die Gleichmacherei. Es lohnte sich in vielen Fällen gar nicht fleißig zu sein; es war alles geplant - und fertig. Widerspruch war nicht erwünscht. Die Planwirtschaft allein von oben gesteuert, mit wenig individueller Freiheit, war ebenso ein großer Fehler. Konstruktive Ideen Einzelner - in Wirtschaft und anderen Bereichen konnten nicht zum Zuge kommen. Die Abschottung von der westlichen Welt war für die Wirtschaft auch nur Nachteil.

Abschließend nochmals zu Jesus. Der soll ja, nach eigener Aussage (die Christen sollten das eigentlich ein wenig erwarten; übrigens, laut Koran sollten das auch die Muslime) irgendwann wieder kommen. Angenommen das passiert, was würde er wohl zu den Kummerln sagen? Vielleicht undifferenziert: Kommunisten urböse, Christen ganz super, Muslime und Juden
halb- oder viertelsuper.......
Also ich glaub, so leicht und oberflächlich würde er es sich nicht machen.

Oje, jetzt hab ich doch sehr weit ausgeholt und ein wenig Kraut und Rüben vermischt. Naja, vielleicht mag ja jemand, zumindest den einen oder anderen Gedankengang ein wenig nachvollziehen.


Mit freundlichen Grüßen
rupert
Rupert Hübelbauer
 

Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon manudave » 16. April 2013, 19:14

Der Pfarrer, welcher mich taufte, hat sich kurz nach dem Krieg gegen den Willen seines vom Kommunismus vollends überzeugten Vaters zum Priesterseminar (oder wie das heißt) angemeldet. Wenn man seine Biographie liest, dann klingt es zum Teil urkomisch, wie er sich mit hilfsbereiten Bürgern jedesmal eine neue schöne Heimat schuf, wenn er mal wieder versetzt wurde.
Da blieb schon mal ein Zug auf halber Strecke stehen und "verlor" regelmäßig Baumaterial für ein kirchliches Gebäude. Feierabendkolonnen - oder wie das hieß - deckten Dächer oder verputzten Wände.
Sein letztes Domizil in Wünschendorf/Elster wurde nach der Wende einfach einkassiert - es war zuviel wert und die Besitzer wollten es wieder haben. Als der Pfarrer dort Anfang der 80er ankam, sollte das Gebäude abgerissen werden...

Auch kritisierte er stark, dass die Massen 89, welche in den Kirchen Treffen abhielten, z. Teil nicht mal Lieder oder Gebete sagen, sondern die Räume nur für Proteste nutzten.
Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein!
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Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon vs1400 » 16. April 2013, 20:46

manudave hat geschrieben:Der Pfarrer, welcher mich taufte, hat sich kurz nach dem Krieg gegen den Willen seines vom Kommunismus vollends überzeugten Vaters zum Priesterseminar (oder wie das heißt) angemeldet. Wenn man seine Biographie liest, dann klingt es zum Teil urkomisch, wie er sich mit hilfsbereiten Bürgern jedesmal eine neue schöne Heimat schuf, wenn er mal wieder versetzt wurde.
Da blieb schon mal ein Zug auf halber Strecke stehen und "verlor" regelmäßig Baumaterial für ein kirchliches Gebäude. Feierabendkolonnen - oder wie das hieß - deckten Dächer oder verputzten Wände.
Sein letztes Domizil in Wünschendorf/Elster wurde nach der Wende einfach einkassiert - es war zuviel wert und die Besitzer wollten es wieder haben. Als der Pfarrer dort Anfang der 80er ankam, sollte das Gebäude abgerissen werden...

Auch kritisierte er stark, dass die Massen 89, welche in den Kirchen Treffen abhielten, z. Teil nicht mal Lieder oder Gebete sagen, sondern die Räume nur für Proteste nutzten.


hallo David,
war und ist es nicht eigentlich die aufgabe bedürftigen zu helfen? [wink]

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Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon pentium » 19. April 2013, 20:49

Mal ein bischen Theorie.
Zunächst einmal müssen wir auch für die DDR zumindest zwischen evangelischer und katholischer Kirche unterscheiden.
Letztgenannte befand sich traditionell-historisch bedingt zuallererst in der Situation, eine Minderheitenkirche zu sein - Ausnahme: Eichsfeld, sorbische Gebiete in der Lausitz u.ä. Desweiteren gelang es ihr, weitestgehend apolitisch zu bleiben und sich dennoch durch die Bindung an Rom dem Staat gegenüber zu distanzieren; wegen dem universalkirchlichen Selbstverständnis der katholischen Kirche. In der Praxis jedoch gerieten die Katholiken - wie ihre evangelischen Brüder und Schwestern auch - ebenso in Situationen, wo sich Konflikte zwischen gelebtem Glaube (Christsein) und Leben in der Gesellschaft deutlich zeigten (Stichworte: Firmung vs. Jugendweihe, eigenes Weltbild vs. vormilitärische Erziehung und Wehrdienst, ...).
Die evangelische Kirche, erinnert sei hier exemplarisch an die Verbrennung von Oskar Brüsewitz (evangelischer Pfarrer) im Jahre 1976 in Zeitz, wurde in den 80er Jahren zum Sammelbecken von allerlei Gruppen verschiedenster Art - Umweltgruppen oder eine Art Friedensbewegung (Schwerter zu Pflugscharen), Opposition i.a..

Interessant ist im Zusammenhang mit der Kirche auch die Veränderung in der Organisationsstruktur der evangelischen und katholischen Kirche in der DDR.
Bund der Evangelische Kirche in der DDR 1969 gegründet. Ein weiterer Aspekt. Große Teile der DDR waren in katholischen Bistümern eingeteilt, deren Bischof im Westen saß und hier hatte man nur einen apostolischer Administrator. Seit 1972 waren große Teile der DDR der Kurie direkt unterstellt und nicht mehr den Bistümern. Von zentraler Bedeutung war auch die Hilfe (auch finanzieller Art) für die Bezahlung des Personals und den Unterhalt bzw. sogar Neubau von Kirchen in der DDR.
Es gab keinen Kirchensteuereinzug zu DDR-Zeiten, also vor 1989. Das Kirchgeld musste direkt bezahlt werden.
In Erfurt befand sich übrigens die einzige Ausbildungsstätte für katholische Priester in der gesamten DDR.

mfg
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Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon Neun » 19. April 2013, 21:09

Verfasser hat geschrieben:
Merkur hat geschrieben:Da er keinen Diplom an der JHS gemacht hat, stellte sich die Frage nach der Anerkennung seines Studienabschlusses nicht.

Habe ich also Recht: Wichtigtuer.

Verfasser K.



Nein, nur einfach keine Ahnung [grin]
Neun
 

Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon tom-jericho » 19. April 2013, 22:15

Meinen Studienabschlusz kennt nur noch das Kultusministerium des Freistaates Sachsen.
Ich habe mittlerweile so etwas alles vernichtet.
Sogar die Geburtsurkunde war dabei.

Wenn ihr wüsztet, wie im Sommer 2012 mein Aktenvernichter wieder heisz lief.

[laugh]
tom-jericho
 

Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon tom-jericho » 19. April 2013, 22:20

Zu meiner 1. Heiligen Kommunion kam der Bischoff von Osnabrück.

Weisz bis heute nicht wie er mit Mütze und Stab durch den Schlagbaum paszte.
tom-jericho
 

Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon pentium » 29. April 2013, 21:18

Die Mitra hat er bestimmt abgesetzt und den Stab kann man zerlegen.

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Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon Habicht-3 » 30. April 2013, 13:19

pentium hat geschrieben:(Stichworte: Firmung vs. Jugendweihe, eigenes Weltbild vs. vormilitärische Erziehung und Wehrdienst, ...).

Sehr selten ungünstiger Zusammenhang.
Oder ersetze eigenens Weltbild durch die katholische Prägung. Ich als Mensch, der überhaupt nichts von Sekten hält, hatte auch ein eigenes Weltbild.....
Habicht-3
 

Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon tom-jericho » 30. April 2013, 13:46

pentium hat geschrieben:Die Mitra hat er bestimmt abgesetzt und den Stab kann man zerlegen.

mfg
pentium


Danke für den Fachbegriff, hatte wieder Aussetzer.
Mir fiel wirklich nicht mehr die Mitra ein.
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Predigen unterm Stasi-Regime

Beitragvon Interessierter » 6. Februar 2015, 09:17

Theo Lehmann hat mit seinen Jugendgottesdiensten tausende junger Menschen in der DDR erreicht. Das war der Stasi ein Dorn im Auge. Aber sie konnte nichts dagegen tun. Auch nach der Wende hat Theo Lehmann viele junge Leute erreicht.

Hier ein Interview, in dem Theo Lehmann berichtet, wie er mit der Überwachung der Gottesdienste umging:



http://www.freiewelt.net/predigen-unter ... -10053844/

" Der Interessierte "
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Re: Predigen unterm Stasi-Regime

Beitragvon Beethoven » 6. Februar 2015, 09:28

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Re: Predigen unterm Stasi-Regime

Beitragvon pentium » 6. Februar 2015, 10:16

Interessierter hat geschrieben:Theo Lehmann hat mit seinen Jugendgottesdiensten tausende junger Menschen in der DDR erreicht. Das war der Stasi ein Dorn im Auge. Aber sie konnte nichts dagegen tun. Auch nach der Wende hat Theo Lehmann viele junge Leute erreicht.

Hier ein Interview, in dem Theo Lehmann berichtet, wie er mit der Überwachung der Gottesdienste umging:



http://www.freiewelt.net/predigen-unter ... -10053844/

" Der Interessierte "


Und?
Da hat "Freiwelt" einfach mal so ein Interview übernommen! Schön und gut, dazu noch eine tolle Überschrift. Und jetzt soll jeder Leser wissen, wer Theo Lehmann ist!

Über Dr. Theo Lehmann

Der Blues- und Gospelexperte, Buchautor, Texter, Pfarrer und Evangelist Dr. Theo Lehmann wurde 1934 als drittes Kind von Indien-Missionaren in Dresden geboren. Der Pfarrer der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens war 22 Jahre als Jugendevangelist unterwegs. Inzwischen hat es sich herumgesprochen: Wenn Theo Lehmann predigt, ist nichts mehr drin mit Einschlafen. Man merkt es den Predigten und Liedtexten des bekanntesten Predigers der neuen Bundesländer an: Er ist ein Meister des Wortes. Keine Pointe ist zufällig, jede Formulierung sorgfältig gewählt, jeder Text ausgefeilt und perfekt ausgebaut. Dieses Spiel mit der Sprache, die Ausnutzung ihrer vielfältigen Möglichkeiten ist nicht Selbstzweck. Immer geht es Lehmann darum, zum christlichen Glauben zu rufen, den Glauben zu stärken oder Christen aus der Bequemlichkeit wachzurütteln. "Bibelfest und wortgewaltig wie Spurgeon, treu wie Jonathan, spröde wie Johannes der Täufer, zu den Angeschlagenen liebevoll wie eine Mutter, zu theologischen Überfliegern und Angebern bissig wie ein Wachhund, akkurat wie eine Oberschwester, gegenüber gottlosen Selbstgöttern absolut respektlos, humorvoll bis satirisch wie ein Kabarettist" - so wird Lehmann von einem Freund charakterisiert.

Quelle: Envangelisations-Team

Zitat:
„Ein Prediger muss bereit sein, für seine Predigt aufs Schafott zu gehen“

Lehmann ist von 1964 bis 1976 als Pfarrer in Karl-Marx-Stadt tätig. Seine Gottesdienste sind besonders bei Jugendlichen beliebt. Tausende von jungen Menschen aus der ganzen DDR kommen, um ihn predigen zu hören. Immer wieder gerät er deshalb mit dem Staat aneinander. „Die Lehre des Sozialismus war ja: Die Kirche stirbt aus. Jetzt stellte sich auf einmal heraus, dass in Karl-Marx-Stadt ein Pfarrer wohnt, in dessen Gottesdienste die Leute zu Tausenden in die Kirche strömen. Es spielte sich in der Wirklichkeit das Gegenteil von dem ab, was der Staat proklamiert hat. Die Kirche starb nicht aus. Da musste es zu einer Konfrontation kommen“, beschreibt er seine Sicht der Dinge.

Theo Lehmann ist überzeugt, dass sich mit der Kirche und dem DDR-Sozialismus zwei totalitäre Ansprüche gegenüberstehen. „Auf der einen Seite war die Ideologie des Sozialismus, die den Menschen ganz wollte. Das Mitmachen alleine genügte ja nicht. Die wollten die Herzen der Menschen. Auf der anderen Seite trat ich vor die jungen Leute und sagte: ‚Gott will dich ganz.‘ Da musste es zum Krach kommen. Das war für mich logisch. Ich habe mit allem, was dann kam, auch gerechnet. Ich habe mal einen Satz gelesen: ‚Ein Prediger muss bereit sein, für das, was er gerade gesagt hat, sofort aufs Schafott zu gehen.‘ Das habe ich mir zu eigen gemacht“, so Lehmann...

http://www.erf.de/online/uebersicht/pol ... 0-542-4845

Jedenfalls waren es aussergewöhnliche Jugendgottesdienste in der Schlosskirche zu Karl-Marx-Stadt (Chemnitz)!

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Re: Predigen unterm Stasi-Regime

Beitragvon Interessierter » 6. Februar 2015, 14:38

Und?
Da hat "Freiwelt" einfach mal so ein Interview übernommen! Schön und gut, dazu noch eine tolle Überschrift. Und jetzt soll jeder Leser wissen, wer Theo Lehmann ist!


Bild
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Re: Predigen unterm Stasi-Regime

Beitragvon augenzeuge » 8. Februar 2015, 22:13

Beethoven hat geschrieben:[muede]


Was gibts da abzuwinken? Stell dir doch eher die Frage, warum sich so viele junge Menschen vom indoktrinierten Pfad des Sozialismus abbringen ließen. Was fanden sie in der Predigt der Kirche, was ihnen in der obligatorisch politischen Predigt des Staates fehlte?
AZ
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Re: Predigen unterm Stasi-Regime

Beitragvon pentium » 8. Februar 2015, 22:31

augenzeuge hat geschrieben:
Beethoven hat geschrieben:[muede]


Was gibts da abzuwinken? Stell dir doch eher die Frage, warum sich so viele junge Menschen vom indoktrinierten Pfad des Sozialismus abbringen ließen. Was fanden sie in der Predigt der Kirche, was ihnen in der obligatorisch politischen Predigt des Staates fehlte?
AZ


Beethoven hat ja vor zwei Tagen schon abgewunken. Bevor ich die beiden Themen vereinigt habe! Das Thema ist zu komplex um es nur an Theo Lehmann fest zu machen, meine ich! Andererseits eine völlig normale Reaktion bei Beethoven, in der NVA gab es bekanntlich mehr politische Schulungen statt geistlichen Beistand!

mfg
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Re: Predigen unterm Stasi-Regime

Beitragvon augenzeuge » 8. Februar 2015, 22:36

pentium hat geschrieben: in der NVA gab es bekanntlich mehr politische Schulungen statt geistlichen Beistand!
pentium


Aja, das verstehe ich natürlich.... [wink]
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Re: Meldungen aus dem kirchlichen Bereich...

Beitragvon Interessierter » 13. April 2016, 10:59

Der Potsdamer Friedenskreis

1984 wurde auf Anregung des Bauingenieurs Hans-Erich Schulz (OV »Rondell«) der Potsdamer Friedenskreis des Kirchenkreises Potsdam (FK) gegründet. Die Gruppe war bis 1990 tätig. Hier wird auf diese Tätigkeit – ja, durchaus subjektiv – zurückgeblickt.
Die Mitglieder des Kreises wechselten. Neben dem Initiator zählten die Physiker Helmut Domke (OV »Redakteur2«), Synodaler und später Staatssekretär im Außenministerium der Regierung de Maizière, Rudolf Tschäpe (OV »Grün«), Gründungsmitglied des NEUEN FORUM in Grünheide, die Bauingenieurin Renate Kaula, die Pastoren Martin Kwaschik (OV »Pate«) und Gottfried Alpermann zum Kern des Kreises.


Der Friedenskreis war, wie der Name sagt, eine kirchliche Arbeitsgruppe, die selbstständig und selbstverantwortlich unter dem Dach der Kirche zu politischen Themen arbeitete. Nur Gemeindemitglieder, die von den Kirchengemeinden delegiert worden waren, gelangten in den Kreis. Die Delegierung sollte das Eindringen unliebsamer Interessenten verhindern. Nicht alle Gemeinden hatten Mitglieder delegiert, manche Gemeinden waren mehrfach vertreten. IM »Saskia« kam dann doch dazu, weil das Prinzip einer Delegierung durch die Gemeinde in diesem Falle nicht ganz ernst genommen worden war und sie unbedingt mitmachen wollte. Sie störte die Arbeit nicht, fiel aber durch eine besondere Art von Neugierde auf.

Der FK organisierte Andachten anläßlich der Bombardierung Potsdams im April 1945, bestand ab 1986 auf ein öffentliches Erinnern an die Progrom-Nacht von 1938. Für diese Gedenken fehlte in der lokalen Öffentlichkeit die Sensibilität. Oder waren der SED bereits die Themen verdächtig? Der Bombardierung Potsdams durch englische Flugzeuge folgten bald die Besetzung und weitere Zerstörung der Stadt durch die Rote Armee. Und die Verfolgung und Ermordung der Juden konnte die Leiden der Kommunisten in der Nazizeit relativieren.

Der vollständige Beitrag hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... pe-schulz/
Interessierter
 

Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon Olaf Sch. » 13. April 2016, 14:29

also die Religion als solche zu verbieten oder gar die Kirchen zu schleifen ist dumm und da hat jemand in Geschichte nicht aufgepasst. Da erreicht man eher das Gegenteil.

Wissenschaftliche Aufklärung ist was wirklich zählt. Wer an Fabelwesendinger glauben möchte, bitte sehr. Wenn die Religion allerdings fanatische Züge aufweist....
Olaf Sch.
 

Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon Interessierter » 22. Mai 2016, 09:41

Martin Kupke beschäftigt sich mit dem Einfluss des Staatssicherheitsdienstes der DDR auf die Kirche.

Die Verräter sind unter uns - Verrat an der Kirche


Wer sich in der DDR in einer kirchlichen Friedens- oder Umweltgruppe engagierte, dem war die Geschichte vom Verrat des Judas stets präsent. Kirchliche Veranstalter ahnten, dass, wenn brisante Themen besprochen wurden, Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes mit dabeisaßen. »Unter zwölf Jüngern ist ein Verräter«, hieß es manchmal, durchaus mit einem ironischen Unterton.

Verrat an der Kirche – obwohl kein schönes Thema, ist es eines, das Martin Kupke im Ruhestand Tag für Tag beschäftigt. Der ehemalige Superintendent des sächsischen Kirchen­bezirkes Oschatz untersucht, wie der Staatssicherheitsdienst der DDR Einfluss auf die Kirche und das Gemeindeleben nahm. Im Auftrag des Hannah-Arendt-Institutes für Totalitarismusforschung an der Technischen Universität Dresden wertete Kupke umfangreiches Aktenmaterial des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), des Rates des Kreises, der SED-Kreisleitung und des Volkspolizeikreisamtes Oschatz aus. Die Ergebnisse sind in der 2009 erschienenen Publikation »SED und Staatssicherheitsdienst im Kirchenbezirk Oschatz« zusammengefasst.

Jetzt arbeitet Kupke erneut an ­einem Buch, das die Einflussnahme der Stasi auf einen sächsischen ­Kirchenbezirk dokumentieren soll. Welche Region er diesmal unter die Lupe nimmt, will er vor Erscheinen des Buches nicht bekannt geben. Dafür sei das Thema zu brisant, sagt er. Brisant, da einige der Inoffiziellen ­Mitarbeiter (IM) von damals möglicherweise als solche noch immer nicht enttarnt sind und ein unbehelligtes Leben führen.

Die Kirche zu zersetzen, ihren Einfluss zurückzudrängen, das Engagement für Frieden, Umwelt und Menschenrechte zu unterbinden, seien unter anderem die Ziele der Stasi gewesen, so Kupke. Er weiß aus den ­Akten, dass es der Stasi regelmäßig ­gelungen ist, Spitzel in die Kirche einzuschleusen. Manchmal wurden sie als solche erkannt und isoliert. Oft blieben sie unentdeckt und schrieben ungeniert ihre Berichte über kirchliche Veranstaltungen.

Voraussetzung für eine »erfolgreiche« Spitzeltätigkeit war es, ein Vertrauensverhältnis zum Pfarrer oder den Teilnehmern einer Gruppe aufzubauen. Für den Theologen eindeutig Verrat an der Kirche. Um an Informationen heranzukommen, erschlichen sich IMs das Vertrauen kirchlicher Mitarbeiter, täuschten falsche Tatsachen vor. Kupke weiß von einigen IMs, die sich im Auftrag der Stasi taufen ließen oder zum Theologiestudium entschlossen.

Aus welchem Holz muss ein Mensch geschnitzt sein, der zum ­Verräter wird? Bekanntlich gerieten Leute, die labil, kriminell und vorbestraft waren oder irgendwelche Probleme hatten, leicht in die Fänge der Stasi.

In einem Fall weiß Kupke von ­einem Pfarrer, der persönliche Fehler vor der Gemeinde geheim halten wollte und dafür den Pakt mit dem Teufel eingegangen sei. Erkennbar seien unterschiedliche Motive: beispielsweise materielle Interessen und Geltungsbedürfnis. Auch schlechte Charaktereigenschaften ließen sich aus den Akten herauslesen, so Kupke. Mitunter habe die Stasi Probleme wie Kompetenzgerangel und Profilierungsstreben unter den kirchlichen Mitarbeitern genutzt, um diese gegeneinander auszuspielen, weiß der Theologe.

Von Judas ist überliefert, dass er seinen Verrat bitter bereut hat: »Ich habe große Schuld auf mich geladen. Ein Unschuldiger wird getötet und ich habe ihn verraten« (Matthäus 27,4). Die Denunzianten des DDR-Regimes lassen bis auf einzelne Ausnahmen ein Schuldeingeständnis vermissen. Opfer hoffen darauf ebenso vergebens wie auf die Bitte um Entschuldigung.

Wie können Menschen, die verraten wurden, mit ihren belastenden Erfahrungen fertig werden? »Ich weiß es nicht«, antwortet Kupke. Seine ­Dokumentation über die Stasiunterwanderung der Kirche beabsichtige nicht, mit den Tätern abzurechnen. In seinen Publikationen nennt er deshalb keine Namen der IMs, nur Decknamen, Geburtstag und Wohnort. Immerhin genug Angaben, um die Spitzel von damals zu enttarnen. Doch nach Kupkes Wissen findet ein Gespräch zwischen Opfern und Tätern nicht statt. Dennoch erachtet er seine Methode, Namen nicht öffentlich zu machen, für richtig. »Ich habe lange überlegt und bin mit dieser Variante zufrieden«, so Kupkes Resümee. Sein Anliegen sei es, dem Vergessen, Verharmlosen und Verfälschen entgegenwirken.

http://www.mitteldeutsche-kirchenzeitun ... unter-un2/
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Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon Interessierter » 23. Mai 2016, 08:50

Die kirchliche, offene Arbeit in Thüringen am Beispiel Jena zwischen 1970 und 1989

Die theoretischen Prinzipien des politischen Systems der DDR waren auf »Gewaltenkonzentration« (anstelle Gewaltenteilung) ausgerichtet. Die Folge war eine politische Entmündigung und Reglementierung des Volkes in allen Lebensbereichen. Die Organisation und Konzentration der politischen Macht auf eine enge Führungsgruppe als Kommandozentrale wollte politische Opposition in der Öffentlichkeit nicht zulassen. Der permanent propagierte Fortschrittsglaube einer auf Unterschiedslosigkeit gerichteten Gleichmacherei als Solidargemeinschaft sollte die Menschen über die in Wirklichkeit bürokratisch verfaßte konservative Ständeordnung mit absolutistischem Führungsapparat und den damit verbundenen Verlust an persönlicher und politischer Freiheit, was nichts anderes als die konkrete Verweigerung von Mitspracherecht hieß, hinweg täuschen.

Man traute den Menschen im eigenen Land nicht zu, ihr Leben und eine auf Solidarität gegründete Gesellschaft selbstbestimmt aufbauen und leben zu können.5 Hinter diesem Mißtrauen standen persönliche wie historische Erfahrungen der politischen Nomenklatura mit dem Faschismus in Deutschland und auch die Erfahrungen mit dem gnadenlosen Umgang mit Menschen in der sozialistischen Sowjetunion stalinistischer Ausprägung. »Kirche im Sozialismus« war aus solcher Perspektive nicht nur ein historischer Überrest bürgerlich-revisionistischen Denkens.

Anfang der siebziger Jahre begann dann der Prozeß einer Öffnung der Kirche hinein in den säkularen Raum der Gesellschaft. Vor allem progressiv eingestellte Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter auf Gemeindeebene waren es, die durch ihr Angebot zur Öffnung der Kirche für nicht konfessionell gebundene Jugendliche in der lokalen Öffentlichkeit schnell eine wachsende Breitenwirkung erreichten. Ausgangsort der neuen Bewegung und die erstmalige Verbreitung des Begriffs »Offene Arbeit« sind hier vor allem in Thüringen zu finden.8 Bereits seit 1969 entstanden in Rudolstadt, Saalfeld und Zella-Mehlis die ersten offenen Jungen Gemeinden unter dem Dach der Kirche. Seit 1970 kamen in Jena, Erfurt, Suhl, Weimar und teilweise auch in Gera schnell neue Gruppen zusammen. Diese Jungen Gemeinden nannten sich nun »Offene Arbeit«.

Einen wesentlichen Grund für den Beginn der offenen kirchlichen Jugendarbeit beschreibt Walter Schilling so: »Der Weg der Kirchen in der DDR ist ein Weg der Erfahrungen, die Christen und Kirchen auf dem Weg in eine "Welt ohne Gott" machen. Ein Experiment, das zu neuen Einsichten, Denkweisen und Verhaltensmustern hinführen mußte und hinführte. [...]...er war ein Weg zwischen der durch Jesus Christus versprochenen Freiheit und der Anpassung an die realen Verhältnisse, sprich Unfreiheit.

Den interessanten, längeren Beitrag findet man hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... 0-pietsch/
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Re: Die DDR und die Religion

Beitragvon Interessierter » 26. Mai 2016, 10:10

Störrische Pfarrer

Von der "Friedlichen Revolution" ist zuweilen auch als der "Protestantischen Revolution" (Ehrhart Neubert) gesprochen worden. Tatsächlich haben evangelische Pfarrer in den unterschiedlichen Gruppierungen der DDR-Opposition eine wichtige Rolle gespielt. Was prädestinierte gerade evangelische Theologen, dass sie sich derart zu exponieren vermochten? Für das Theologiestudium entschieden sich in der DDR manche, weil sie sich ein weniger reglementiertes Studium versprachen. Viele sahen im Pfarramt eine Möglichkeit, einen Beruf auszuüben, der von staatlicher Ein­flussnahme weitgehend ausgenommen war. Wer die Atmosphäre in DDR-Pfarrhäusern erleben konnte, wird häufig gespürte haben, dass gerade hier auf geistlicher und geistiger Eigenständigkeit beharrt wurde.

Sprach- und wirkungsmächtige Prediger wie Pfarrer Georg Herche aus Kuners­dorf mussten hingegen damit rechnen, mit dem so genannten Kanzelparagrafen aus dem Jahre 1871 in Konflikt zu geraten. Wegen einer politisch unbotmäßigen Grabrede wurde Herche zu sechs Monaten Haft verurteilt. Bis 1968 zierte dieser Paragraf das Strafgesetzbuch der DDR – auch so eine Rarität aus dem Kuriositätenkabinett des SED-Staats.

http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... -49/04925/
Interessierter
 

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