Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Alles zum Thema Kirche und Religion in beiden deutschen Staaten

Re: Die Zerstörung der Rostocker Christuskirche 1971

Beitragvon pentium » 12. August 2012, 14:43

Auf Anordnung der SED wurden in der DDR ca. 60 beschädigte und intakte Kirchenbauten gesprengt oder abgerissen.

„Ja! Wir werden Türme haben, zum Beispiel einen Turm fürs Rathaus, einen Turm fürs Kulturhaus. Andere Türme können wir in der sozialistischen Stadt nicht gebrauchen."
Walter Ulbricht, "Turmrede", 7. Mai 1953, Stalinstadt (Eisenhüttenstadt).
Zitiert aus www.kirchensprengung.de
Auf der Seite sind einige der gesprengten Kirchen aufgelistet. Sehr informatief.

MfG Pentium
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
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Re: Die Zerstörung der Rostocker Christuskirche 1971

Beitragvon Edelknabe » 13. August 2012, 07:04

Ach ich finde immer, das Alte muss auch mal Platz machen für was Neues. Wo soll das denn hinführen, wenn wir alles Alte stehenlassen, überlegt mal, dann hätten wir heute noch das Mittelalter. So wie Leipzig das war gut...das schrieb ich ja schon öfters, also weg damals mit der alten hässlichen Paulinerkirche (ich rannte immer als Junge dran vorbei an dem grusligen Ding) und an der Stelle ne neue Uni hingebaut. Das war doch gut für den Geist der Leutchen die alle in Leipzig zu DDR-Zeiten studiert haben, da erinnern sich heute noch Leute dran, die weltweit verstreut wohnen.

Kirchen sind zwar was schönes aber doch nun nicht das Leben in seiner Gesamtheit. Die sind doch nur sinngemäß mit in der Landschaft das der Mensch in Ruhe sich reinsetzen kann und mal nachdenken kann, oder meinetwegen an den da oben denken kann.

Der Westen hatte es nach 1945 noch besser, dem seine Städte lagen fast alle in Schutt und Asche und da konnten sich die Architekten richtig austoben. Schaut euch nur mal um, was die da teilweise hingesetzt haben, da vergeht dir doch der Sinn für was Schönes ohne hier auf einzelne Sachen einzugehen. Schon die hässlichen Wohnsilos so groß wie die Blöcke in Halle-Neustadt, mensch da sahen ja die im Osten noch kultiviert aus.

Was diese jungen Architekten da jetzt in Leipzig an der Blechbüchse (dahinter bauen) hinsetzen, ich dachte vor kurzem beim vorbeifahren ich spinne, sowas hässliches, als gibts kein helles Glas also ne in der heutigen Zeit? Wer die Fassade erfunden hat muss doch Tomaten auf den Augen haben aber die integrierte Fassade von der Paulinerkirche in dem Unibau am alten Karl-Marx-Platz, heute Augustusplatz, also darüber könnte man auch geteilter Meinung sein aber so schlecht sieht das Ding nicht aus.

Rainer-Maria was Neues muss her,da muss auch mal was Altes weg und wenns ne Kirche ist, immer, wir wollen doch nicht in miefigen muffigen Rückschritt verfallen. Eine fortschrittlichen Tag allen ins Forum. Und schaut mal was im Osten alles Neues entstanden ist, ist doch positiv bis Spitze, da kann sich der "Alte langsam verfallene Westen" mal ne richtig dicke Scheibe abschneiden. Ist ja auch kein Wunder...ständig sind se nur am Mauern so wie in Stuttgart oder anderswo mit ihren Bürgerinitiativen, wollen einfach nicht aus ihren bequemen Sessel rauskommen wie schon zur Wende.

War der gut Leute, immer draufhauen? Ich liebe das Ironische hau drauf auf uns Brüder und Schwestern weil die genau so hart im Nehmen sind...so wie wir im Osten.Mein Arbeitskollege meinte damals immer: "Wers braucht muss es bekommen, auch dreimal am Tag". Ihr braucht das doch...nu gebts zu oder?
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Re: Die Zerstörung der Rostocker Christuskirche 1971

Beitragvon Edelknabe » 13. August 2012, 17:54

Geht noch weiter mit meinem Text von heute früh. Ich fuhr heute durch Leipzig meine Geburtsstadt und dachte so bei mir"wenn die Genossen damals in der DDR alles abgerissen hätten, nicht auszudenken, denn was da für wunderschöner alter Gründerzeitkram und älter heute noch in der Gegend steht, das ist schon ne Wucht", also das wäre ein wahrer Frevel gewesen. Aber sie haben es eben nicht gemacht, was für ein kleines Glück, die alten Männer hatten einfach keine Zeit und anderes zu tun was ihnen wohl wichtiger war.

Übrigend das Erste was der Westen, der neue Besitzer dann tilgte war die sozialistische Kultur, was so bildente Künstler und Bildhauer in die Stadtlandschaft gesetzt hatten. Da gab es wunderschöne Sachen ohne hier konkret Namen zu nennen, die passten wohl nicht mehr ins freiheitliche Geschichtsbild wie damals eben die alten baufälligen Kirchen(Beispiel Markuskirche im Leipziger Osten, gesprengt glaube 1977?)

Rainer-Maria auch so ein stiller Architekturfan bei der Kombination Stahl/Holz/Glas.
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Re: Die Zerstörung der Rostocker Christuskirche 1971

Beitragvon pentium » 13. August 2012, 18:26

Hallo Edelknabe
So alt und baufällig war die Markuskirche nicht. Weiß ich von meinem Schwiegervater. (Alter Leipziger) 1884 Weihe.
1978 gesprengt. Aber man sollte diese Denkmalstürmerei nicht nur an Kirchen festmachen. Auch zahlreiche Herrenhäuser und Schlösser sind nach 1945 dem Sprengmeister zum Opfer gefallen.
Na ja und über moderne Architektur lässt sich oft streiten.

MfG Pentium
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Re: Die Zerstörung der Rostocker Christuskirche 1971

Beitragvon Habicht-3 » 13. August 2012, 21:53

Naja, und manchmal wissen auch leute mehr, als sie wissen...

So behaupten manche, die nur mal reingingen aber keine tiefgreifende Ahnung von Bauwerken haben, das dass doch gar nicht so schlecht sei und gar nicht baufällig. Der Blick von weiten und vor allem vom ungeübten Auge reicht nicht.
Habicht-3
 

Re: Die Zerstörung der Rostocker Christuskirche 1971

Beitragvon pentium » 14. August 2012, 10:29

Habicht-3 hat geschrieben:Naja, und manchmal wissen auch leute mehr, als sie wissen...

So behaupten manche, die nur mal reingingen aber keine tiefgreifende Ahnung von Bauwerken haben, das dass doch gar nicht so schlecht sei und gar nicht baufällig. Der Blick von weiten und vor allem vom ungeübten Auge reicht nicht.


Sed in primis ad fontes ipsos properandum!
Vor allem muss man zu den Quellen selbst eilen

Siehe meinen Link vom Beitrag am 12. August 2012
Ansonsten einfach mal Google oder Wiki fragen. Was die Markuskirche in Leipzig betrifft.

MfG Pentium

Disclaimer: Ich kann leider nicht völlig ausschließen daß meine Beiträge Spuren von Ironie oder Sarkasmus enthalten und bitte diesbezüglich um Verständnis.
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Re: Die Zerstörung der Rostocker Christuskirche 1971

Beitragvon Edelknabe » 14. August 2012, 18:27

Pentium und Habicht, ich wohnte um die Ecke, der Markuskirche, fragt mich also was deren sichtbaren Bauzustand betraf? Nur eben 77-78 war der Rainer gerade mal nicht da, da war ich unser Vaterland an der Staatsgrenze zur BRD verteidigen und wohnte auch mittlerweile in einem anderen Stadtteil von Leipzig.Wenn ich mal die Zeit habe, da gab es einen sehr guten Artikel in der LVZ zu einem Jahrestag der Sprengung, dann stelle ich den mal rein oder texte da was drauß.

Der Verfasser schrieb da schon von starken über die Jahrzehnte aufgetretenen Wasserschäden,eben stark baufälligen Zustand weil das Bauwerk auch sehr verwinkelt in der Dachkonstruktion/Dachrinnen und Abläufe war. Es war einfach kein Geld da um das wunderschöne Bauwerk zu erhalten so schrieb er wenn ich mich recht erinnere auch. Die Gemeinde konnte noch alles wertvolle Entlagern,ausbauen und einlagern,das gestand man ihnen zu , dann erfolgte die Sprengung.

Interessieren würde mich schon, wer heute die zwei wunderschönen bronzenen Löwen in Echtgröße vom Eingangsportal an der damaligen Strasse der Befreiung heute in seiner Villa im Garten stehen hatt? Also entweder irgend so eine Kirchliche Größe unter dem Papst, oder ein Genosse mit guten Beziehungen oder Schalk G.hat sie damals an einen potenten Wessi verscheuert? Ne, gibts vielleicht noch ne vierte Variante, sie halfen der Volkswirtschaft, wurden einfach nur eingeschmolzen?

Rainer-Maria der als Kind immer auf den Löwen saß, da gibts bestimmt noch ein Foto, muss nur mal suchen. Und meine Mutter meinte immer"verdammte Glockenläuterei sogar am Wochenende". Ich denke, meinem Vater hatts gefallen, sie war wach, er war wach und dann...aber eh Leute, wir waren doch alle mal jung zumal das am frühen Morgen besonderen Spass macht.
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Re: Die Zerstörung der Rostocker Christuskirche 1971

Beitragvon pentium » 14. August 2012, 19:28

Hallo Edelknabe
Das mit dem Artikel in der LVZ ist die Idee. Ich selber bin Ende des Monates auf Familienbesuch in der Messestadt, vielleicht ermögliche ich mir einen Vororttermin mit der Kamera. Mal sehen wie es heute dort aussieht.
Ich habe da wohl heute am Morgen etwas zu viel Spannung reingebracht. Ist sonst nicht meine Art. Der Nick Habicht ist gut gewählt. Auftauchen. Zwei drei Sätze schreiben und fort. Das nächste Mal weiß ich Bescheid. Lag vielleicht an meiner blöden Formulierung mit der Baufälligkeit.
Doch zurück zu den Löwen. Der Papst wird dir da auch nicht helfen können. War eine evangelische Kirche. Bei S. G. wirst du wohl warten müssen, bis sich irgendwo ein Geheimfach automatisch öffnet.
Das mit dem Glockengeläut kann ich nachvollziehen, ich habe jahrelang neben einer Kirche gewohnt.

Mit freundlichen Grüßen Pentium
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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon pentium » 14. Januar 2014, 16:28

Da der Interessierte in einem anderem Thread die Sophienkirche in Dresden genannt hat, hier mal ein Link:

http://www.dresdeneins.tv/nachrichten/E ... -1487.html

Erinnerung an Sophienkirche
[Sie liegt versteckt zwischen Geschäftsgebäuden am Dresdner Postplatz; dennoch will die Gedenkstätte Busmannkapelle ein sichtbares Zeichen setzen. Farbige Pflastersteine verweisen auf den historischen Grundriss der 1945 zerstörten Sophienkirche - eine der ältesten und bedeutendsten Kirchen der Stadt. Die Busmannkapelle will die Erinnerung an die Sophienkirche wahren. Das Sockelbauwerk und fünf Stelen wurden bereits 2010 in einem ersten Bauabschnitt errichtet. Alt-Landeskonservator Prof. Dr. Gerhard Glaser von der Bürgerstiftung Dresden leitet das Baugeschehen. Mittlerweile steht auch die aus vorgefertigten Betonbauteilen errichtete Raumschale der Kapelle.]

In diesem sehr umfangreichen Dokument geht es neben der Sophienkirche auch um andere verlorene Kirchen in Dresden:
http://www.dresden.de/media/pdf/denkmal ... n_72ES.pdf

Und noch ein kleiner Film



mfg
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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon pentium » 13. März 2014, 09:13

Ein Beispiel dafür, wie ein Kirchenbau gerettet wurde.

Warum die Kirche St. Marien noch...

Zitat:
Der 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung eröffnete dem 40jährigen: Du bist zum Oberbürgermeister gewählt. Nun zeige ich dir einmal, wie ich meine Stadt aufgebaut haben will. Vor dem Rat des Bezirkes deutete Mückenberger auf die Marienkirche: Als erstes kommt das Ding da weg. "Ich stand da, die Hände an der Hosennaht, und antwortete: Genosse 1. Sekretär, wenn das Ding da weg muss, kann ich nicht Oberbürgermeister werden. Erstens habe ich den Respekt vor den Alten zu wahren, zweitens gehört die Kirche zu unserer Stadt und drittens wäre das ein großer politischer Unsinn", erinnert Krause sich. Mückenberger schluckte.

http://hmklemt.de/0000009b6f0c92604/000 ... index.html

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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon karnak » 13. März 2014, 10:14

Ich fand den Palast der Republik nicht sonderlich schön,was sein äußeres Erscheinungsbild anging.Aber war das eigentlich auch eine ideologisch geprägte Beseitigung eines Bauwerkes?
Was die ideologischen Kirchensprengungen angeht,mit Sicherheit wird das eine Rolle gespielt haben,politische Eiferer gibt es immer.Allerdings bin ich mir nicht sicher ob in dem einen oder anderen Fall nicht auch die Baukapazität und das nicht vorhandene Baumaterial ein Rolle gespielt hat .Heute werden diese Sprengungen natürlich pauschal als ideologisch deklariert,wenn man in den ganzen Einzelfällen recherchieren würde,ich glaube man würde doch so einiges anderes feststellen.Und ich bin mir mir auch nicht sicher,wie ein Teil der Bevölkerung damals reagiert hätte,wenn man bei der damaligen Wohnungsknappheit entsprechende Baukapazität in den Aufbau von,im Krieg angeschlagene, Kirchen gesteckt hätte.
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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 13. März 2014, 13:54

pentium hat geschrieben:Nur mal kurz zu den Kirchen.

Henriette von Preuschen
Es gab Kirchen, die Ruine blieben, da sich alle Bemühungen um den Wiederaufbau aus den verschiedensten Gründen als vergeblich erwiesen. Verschiedene Kirchen wurden abgebrochen oder gesprengt wie die Garnisonkirche in Potsdam oder die Sophienkirche in Dresden. Auch Kirchen, die durch eine erweiterte Nutzung oder eine Umnutzung im Wiederaufbau neu gestaltet wurden, sind von Interesse. Ein Beispiel ist die barocke Dreikünigskirche in Dresden, deren Wiederaufbau 1984-90 als übergemeindliches Haus der Kirche unter Aufteilung des Inneren mit verkleinertem Kirchenraum und zahlreichen Veranstaltungsräumen erfolgte. Schließlich werden seit Mitte der 1970er Jahre auch Umnutzungen von Kirchen vorgenommen - wie bei der Kirche St. Katharinen in Stralsund, die zum Meeresmuseum ausgebaut wurde.
Für die abgeschlossene Geschichtsepoche der SBZ/DDR sollen die Wechselwirkungen von Politik, Denkmalpflege und Architektur auf den Umgang mit kriegszerstörten Kirchen untersucht und anhand von Fallbeispielen dargestellt werden.
Die Bandbreite der zu untersuchenden Kirchen ist groß: Provisorien des Wiederaufbaus - wie auch Notkirchen - bilden eine erste Gruppe. Ein Beispiel hierfür ist die Dresdner Kreuzkirche, deren Innenraum nach der schweren Beschädigung durch den Bombenangriff auf Dresden im Februar 1945 in einer vereinfachten Form durch den Architekten Fritz Steudtner (1896-1986) in Rauputz neu gestaltet wurde. Kirchen wurden im Wiederaufbau rekonstruiert oder in zeitgenössischer Formensprache und mit neuer Grundrissdisposition wiederaufgebaut, wie die katholische St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin durch den Düsseldorfer Architekten Hans Schwippert (1899-1973). Zahlreich sind Purifizierungen im Wiederaufbau, d. h. verkürzt gesagt die Entfernung von Ausstattungen aus der Zeit des Historismus oder des Jugendstils.

Publikationen
Preuschen, Henriette von: Der Griff nach den Kirchen. Ideologischer und denkmalpflegerischer Umgang mit kriegszerstörten Kirchenbauten in der DDR (Forschungen und Beiträge zur Denkmalpflege im Land Brandenburg, Bd. 13). Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2011. ISBN: 978-3-88462-315-2

Preuschen, Henriette von: Der Griff nach den Kirchen. Ideologischer und denkmalpflegerischer Umgang mit kriegszerstörten Kirchenbauten in der DDR, in: Leo Schmidt (Hrsg.): Forschen, Bauen & Erhalten : Jahrbuch 2010/2011. Berlin 2011, S. 132-136.

Es ist eben etwas komplizierter, es gab zerstörte Kirchen, als Folge des Krieges welche in der DDR aus ideologischen Gründen bis zum Einsturz vernachlässigt, oft sogar gesprengt wurden. Überraschenderweise wurden Kirchen aber genauso durch beide Konfessionen wie den sozialistischen Staat wiederaufgebaut.
Gehört aber, eigentlich nicht so richtig zum Thema. Es gibt ja den Thread über Kirchen...
Ich gehe mal suchen und versuche mal ein paar Beispiele dort zu posten. Wobei, um die kleine Dorfkirche kümmerte sich wirklich die Gemeinde, eigentlich wie in der Gegenwart. Nur fehlt es heute seltsamer Weise am Geld und nicht am Baumaterial.

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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon karnak » 13. März 2014, 14:22

Es ist aber doch richtig,dass ein Großteil der Kirchen in der DDR nicht gesprengt wurden und während der gesamten Zeit der Existenz der DDR für religiöse Zwecke genutzt wurden.Das nur um die Relationen der Kirchensprengungen in das historisch korrekte Licht zu rücken.
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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 13. März 2014, 14:27

karnak hat geschrieben:Es ist aber doch richtig,dass ein Großteil der Kirchen in der DDR nicht gesprengt wurden und während der gesamten Zeit der Existenz der DDR für religiöse Zwecke genutzt wurden.Das nur um die Relationen der Kirchensprengungen in das historisch korrekte Licht zu rücken.


Ok, aber 60 gesprengte Kirchen sind nun auch keine Peanuts, oder?
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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon karnak » 13. März 2014, 14:31

augenzeuge hat geschrieben:
Es ist eben etwas komplizierter, es gab zerstörte Kirchen, als Folge des Krieges welche in der DDR aus ideologischen Gründen bis zum Einsturz vernachlässigt, oft sogar gesprengt wurden. Überraschenderweise wurden Kirchen aber genauso durch beide Konfessionen wie den sozialistischen Staat wiederaufgebaut.

Welche Kirchen wurden eigentlich aus ideologischen Gründen bis zum Einsturz vernachlässigt,also ein, zwei Beispiele würden mir reichen.Und wieso ist es eigentlich überraschend,dass Kirchen auch mit Unterstützung des Staates wieder aufgebaut wurden?Weil sowas nicht ins Weltbild passt?Und wie ist das nun mit dem Palast der Republik?
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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon Volker Zottmann » 13. März 2014, 14:32

karnak hat geschrieben:Ich fand den Palast der Republik nicht sonderlich schön,was sein äußeres Erscheinungsbild anging.Aber war das eigentlich auch eine ideologisch geprägte Beseitigung eines Bauwerkes?


Dieser Bau hatte wirklich Weltniveau und es gibt heute (noch) keine vergleichbare Bühne mit dieser ausgefeilten Technik in Deutschland.
Diesen Bau zu schleifen war ein gewolltes Politikum. Frevel!

Auch das war eine ideologische "Kirchensprengung", Honeckers "Kirche" eben.


Gruß Volker
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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon karnak » 13. März 2014, 14:35

augenzeuge hat geschrieben:
karnak hat geschrieben:Es ist aber doch richtig,dass ein Großteil der Kirchen in der DDR nicht gesprengt wurden und während der gesamten Zeit der Existenz der DDR für religiöse Zwecke genutzt wurden.Das nur um die Relationen der Kirchensprengungen in das historisch korrekte Licht zu rücken.


Ok, aber 60 gesprengte Kirchen sind nun auch keine Peanuts, oder?
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Keine Frage,die Zahl 60 klingt viel.Man müsste nur noch das Verhältnis zu den Stehengebliebenen darstellen und bei wie vielen dieser 60 man nun wirklich ideologischen Hintergrund zumindest vermuten könnte.
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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon pentium » 13. März 2014, 14:41

Es ist eben etwas komplizierter, es gab zerstörte Kirchen, als Folge des Krieges welche in der DDR aus ideologischen Gründen bis zum Einsturz vernachlässigt, oft sogar gesprengt wurden. Überraschenderweise wurden Kirchen aber genauso durch beide Konfessionen wie den sozialistischen Staat wiederaufgebaut.

Das habe ich geschrieben Karnak. Nicht AZ!

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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon karnak » 13. März 2014, 14:43

pentium hat geschrieben:Es ist eben etwas komplizierter, es gab zerstörte Kirchen, als Folge des Krieges welche in der DDR aus ideologischen Gründen bis zum Einsturz vernachlässigt, oft sogar gesprengt wurden. Überraschenderweise wurden Kirchen aber genauso durch beide Konfessionen wie den sozialistischen Staat wiederaufgebaut.

Das habe ich geschrieben Karnak. Nicht AZ!

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[flash] Entschuldigung,war nur eine fehlerhafte Benutzung der Technik meinerseits.Hast denn Du nun ein paar Antworten auf meine Fragen?
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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon pentium » 13. März 2014, 14:52

Ich kann nicht überall zur gleichen Zeit sein! Wenn du dich etwas gedulden könntest, Karnak?
Und wieso ich!

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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon karnak » 13. März 2014, 15:03

Ein paar Antworten zu den historischen Realitäten hätten für mich schon das Primat,nicht wer sie hat und gibt,Du bist mir eben nun nur mal vor die Flinte gelaufen. [flash]
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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon Icke46 » 13. März 2014, 15:07

@pentium hat ja oben schon einen Link eingestellt über Fritz Krause, den OB von Frankfurt(Oder) und seinen Beitrag zur Erhaltung der Marienkirche. Übrigens ein imposanter Bau, und nachdem die Fenster auch wieder zurückgekommen sind, einen Besuch wert.

Aber um auf den Link zu kommen: Ich vermute mal, dass der Umgang mit Kirchenbauten von zweierlei abhängig war. Einmal, wer SED-Bezirschef war (in dem Link E. Mückenberger, der also vermutlich ein Antikirchenkämpfer war) und zweitens davon, wie weit die jeweilige Stadt den zweiten Weltkrieg überstanden hat. In Frankfurt war es ja so, dass das Stadtzentrum nach Kriegsende niedergebrannt wurde, man also im Prinzip eine komplett neue Stadt bauen musste. Und da passte nun, ideologisch gesehen, so eine Kirche nicht ins Konzept. Allerdings hatten die Ideologen ihre Rechnung ohne Fritz Krause gemacht [grins] .

Ich gehe eigentlich davon aus, dass es bei den Kirchensprengungen mehr oder weniger ähnliche Umstände waren wie in Frankfurt. In Potsdam war ja zum Beispiel auch die Garnisonskirche politisch negativ belastet, durch den Tag von Potsdam, wo Hindenburg Hitler erst salonfähig machte. Deshalb sehe ich den geplanten Wiederaufbau der Kirche auch eher skeptisch.

Gruss

icke
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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon pentium » 13. März 2014, 15:17

Ja, ich weiß, nicht schon wieder dieses Zitat:

„Ja! Wir werden Türme haben, zum Beispiel einen Turm fürs Rathaus, einen Turm fürs Kulturhaus. Andere Türme können wir in der sozialistischen Stadt nicht gebrauchen."
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Dann geistert im Forum noch der Thread: Die Zerstörung der Rostocker Christuskirche 1971
herum. Sind nur wenige Beiträge.

viewtopic.php?f=14&t=4102&p=67935&hilit=Kirchen#p68073

Aber hier mal ein etwas längerer Beitrag zum Dom in Berlin. Ja ich weiß, der steht noch!

“Die Evangelischen Kirchen in der DDR und der Wiederaufbau des Doms”
Vortrag des Ministerpräsidenten Manfred Stolpe beim 3. Dom-Kolloquium in Berlin am 4. Februar 2000

Der ruinierte Dom im Herzen Berlins war ein Stein des Anstoßes, ein so kolossaler Anstoß sogar, dass er dem Betrachter zu einem gigantischen schwarzen Fragezeichen wurde: Abreißen, stehen lassen, wieder aufbauen? Und wenn abreißen - was dann an seine Stelle?
Und wenn Wiederaufbau - in welcher Gestalt und mit welcher Nutzung?
Jahrzehntelang haben sich Deutsche in Ost und West, in Kirche und Staat mit diesem Problem befasst. Wie bei kaum einem anderen Projekt wurde beraten, entworfen und wieder verworfen. Der Dom blieb eine nationale Aufgabe, die nur von der gesamten Nation gelöst werden konnte.

Zur Erinnerung: Im Juli 1948 stellt ein Stadtverordneter fest: Der Abbruch der Gebäudemassen käme erheblich teuerer als ihre Instandsetzung. Nach der Gründung der DDR lässt die Stadt die Reste der zerstörten Kuppel abtragen und beginnt 1950 mit der Sicherung der Innenkuppel. Aber im selben Atemzug wird das beschädigte Schloss vis-a-vis gesprengt. Mit einem ideologischen Kraftakt wollte man Jahrhunderte brandenburgischer und preußisch-deutscher Geschichte auslöschen. Würde dieses Schicksal auch dem letzten deutschen Kaiserdom zuteil?

Verschiedene Ideenwettbewerbe zur sozialistischen Umgestaltung des Zentrums der DDR-Hauptstadt radieren den Dom auf dem Reißbrett der Planer aus: ein Hochhausturm im Stil der Stalinallee an seiner Stelle, ein leergefegter Platz oder ein Minidom. - Der alte Kaiserdom steht quer - quer zu der Absicht, im Zentrum des sozialistischen Berlins ein ideologisches Sinnbild der neuen Macht zu installieren.

Auch das Domkirchenkollegium beteiligt sich an der Suche nach Sinn und Form. 1957 veranstaltet es einen internen Wettbewerb. Dessen Ergebnis: Der Dom wird zum schmucklosen Kasten entkleidet. Nicht besser auch das Resultat eines Wettbewerbs, den der Westberliner Senat durchführen lässt: Drei von fünf Entwürfen sehen den Abriss vor.

Der Dom steht quer. Zu deutlich scheint er die Sprache einer überwunden geglaubten Zeit zu sprechen - darin war man sich einig in Ost und West, in Kirche und Gesellschaft, in Politik und Architektur.

1962 beginnt die komplexe Neugestaltung des Zentrums Berlins - Hauptstadt der DDR. Schrittweise wird zwischen der Straße Unter den Linden und dem Alexanderplatz die umfassende Planung verwirklicht. Die Kirche veranlasst ein Gutachten, das dem Dom bescheinigt: Seine Hauptkonstruktion ist nach wie vor absolut standsicher. Nur der Anbau der Denkmalkirche musste wegen eines Risses im Gewölbe gesperrt werden.

Manchmal kommt Hilfe von der falschen Seite. Jedenfalls vom Dom aus gesehen - von links. Politbüro und Ministerrat der DDR beschließen im Jahr 1972 den Bau des Palastes der Republik. Dessen nördliche Volkskammer-Front blickt der südlichen des Doms direkt ins Fenster. Und der Fernsehturm wird auf dem Alex gebaut. Jetzt hat man eine sozialistische Höhendominante, die den Dom in ihren langen, schmalen Schatten stellt. Das gibt ihm Bleiberecht. Der Sozialismus hatte so augenscheinlich gesiegt, dass dies zu dokumentieren keines leeren Domplatzes mehr bedurfte. Staat und Partei beschließen: Der Dom steht nicht mehr quer. Er darf bleiben. Sein Äußeres ist wiederherzustellen. Als historisches Zeugnis. Das ist der Kirche mitzuteilen. Und zwar dem Leiter des Sekretariats des jüngst erst anerkannten Kirchenbundes: Manfred Stolpe.

Doch ich war der falsche Ansprechpartner, denn der Dom gehörte nicht dem Kirchenbund, sondern der Domgemeinde. Die wiederum gehörte zur Evangelischen Kirche der Union - Bereich DDR. Und außerdem: Ich war in jenen Jahren mit ganz anderen Bauprojekten befasst, nämlich mit dem Sonderbauprogramm des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR.

Nachdem mit der EKD darüber eine Verständigung erreicht worden war, hatte ich mich am 12. August 1971 - also ein knappes Jahr zuvor - an die Gliedkirchen unseres Bundes gewandt mit der Frage, “ob bei uns Interesse daran bestünde, auf Valutabasis über Intrac ein Sonderbauprogramm für kirchliche Schwerpunktbauten absichern zu lassen”.

Gedacht war an ausgewählte Objekte - z.B. historisch wertvolle Kirchen in Kreis- und Bezirksstädten - , die für die kommenden Jahrzehnte als Zentren kirchlichen Lebens benötigt würden. Sie sollten für den heutigen Gemeindebedarf rekonstruiert, erforderlichenfalls umgebaut werden. Unser Ziel war, auf diesem Wege eines Tages auch den Neubau von Kirchen zu erreichen. Das Programm “Kirchen für neue Städte” stand uns als Vision bereits vor Augen. Es lief ab 1978.

Was war der Hintergrund für das Sonderbauprogramm?

Anders als in unseren sozialistischen Nachbarstaaten waren die Kirchen in der DDR nach dem Kriege Eigentümerinnen von teils wertvollen Kirchen und anderen Gebäuden geblieben. In den mehr als 4000 Gemeinden gab es fast überall Gotteshäuser, Gemeindehäuser, Pfarrhäuser. Viele waren im Krieg beschädigt worden. Zu deren Wiederherstellung und Erhaltung hatte man kirchlicherseits eine Menge getan. Dennoch waren 25 Jahre nach Kriegsende noch Schäden von 30 Millionen Mark geblieben; hinzu kamen Folgeschäden wegen nicht finanzierbarer Reparaturen von 70 Millionen Mark. Diese insgesamt 100 Millionen konnten unsere Kirchen nicht aufbringen. Und die staatlichen Zuschüsse für den Erhalt denkmalwerter Kirchen von 800.000 Mark pro Jahr - bei rückläufiger Tendenz - waren ein Tropfen auf den heißen Stein: doppelt unwirksam auch deshalb, weil die damit finanzierten Baumassnahmen nicht halfen, zeitgemäße Räume für kirchliches Leben zu schaffen. Die Bauwirtschaft hatte ohnehin Mühe, allein diese Kapazitäten aufzubringen.

Da war die Bereitschaft der EKD, die Finanzierung eines Sonderbauprogramms zu übernehmen, Rettung in aussichtsloser Lage. Es sah vor, für den Zeitraum von 1973-1980 rund 55 Millionen Valutamark für ein kirchliches Sonderbauprogramm bereitzustellen. Die sich andeutende Bereitschaft der DDR-Regierung, sich auf ein derartiges Kirchenbauprogramm einzulassen, war um so erstaunlicher, als sie 1971 erklärt hatte, dass künftig nur noch Wohnungen errichtet werden dürften. Wie wollte man der Bevölkerung und den Genossen an der Basis jetzt ein millionenschweres Kirchbauprogramm erklären, während gleichzeitig die historischen Innenstädte verfielen?

Am 13. Dezember 1972 beschloss der Ministerrat der DDR als das höchste infrage kommende Organ das vom Kirchenbund eingereichte Projekt Sonderbauprogramm. Mit dessen Durchführung wurde das staatliche Außenhandelsunternehmen LIMEX G.m.b.H. beauftragt. Ein entsprechender Bauleistungsvertrag wurde am 23. Mai 1974 unterzeichnet. Für die Aufnahme der vom Bund vorgeschlagenen Objekte in die Volkswirtschaftspläne der DDR hatte LIMEX zu sorgen, ebenfalls für den Import der benötigten Engpassmaterialien - wie man damals sagte. Die kirchenpolitischen Verhandlungen vor Ort mussten allerdings die jeweiligen Bauherren mit ihren Räten der Bezirke führen - und das war oft ein mühsames Geschäft.

Die erste Phase des Sonderbauprogramms von 1973-75 konnte beginnen. DDR-weit waren 44 Objekte benannt worden, der Leistungsumfang betrug 19 Millionen Mark. Denkmalswerte Kirchen sollten restauriert werden. Beschädigte Kirchen waren so wiederherzustellen, dass sie durch den Einbau moderner Funktionsräume wie Gemeindesäle, Büros, Küchen usw. langfristig den heutigen Ansprüchen des Gemeindelebens entsprachen.

Das mehrfach verlängerte Sonderbauprogramm wurde eine Erfolgsgeschichte, und im Jahr 1988 konnte in einer Zwischenbilanz festgestellt werden: 15 Jahre Sonderbauprogramm des Bundes - das sind über 100 rekonstruierte Kirchen, zwanzig neue Gemeindezentren, dreißig Tagungs- und Rüstzeitenheime, über 400 Wohneinheiten für Mitarbeiter von Kirche und Diakonie und fünfzig diakonische Einrichtungen.

Doch zurück zum Berliner Dom:
Während wir mit Kirchen und Staat über das Sonderbauprogramm verhandelten und die Kirchen ihre Wunschobjekte beim Kirchenbund anmeldeten, lud mich im Frühjahr 1972 der Stellvertreter des Ministers für Außenwirtschaft zu einem Gespräch über eine “wichtige Frage”, wie er sich ausdrückte, in sein Büro. Dort wurde mir am 2. Mai 1972 eröffnet, dass “höchste Stellen” sich einig seien, der Dom müsse erhalten bleiben. Zwar sei ihm aus Gesprächen mit Direktor Ludwig Geißel vom Diakonischen Werk der EKD bekannt, dass die Kirchen in der DDR nur ein zurückhaltendes Interesse an einem Wiederaufbau hätten, ihm möglicherweise sogar ablehnend gegenüberstünden, er müsse aber unter Umständen über den Sachstand berichten und brauche daher Zahlen, wie teuer ein Wiederaufbau würde. Deshalb sei zu empfehlen, dass sich Vertreter des Bauministeriums und der Kirche zu einem Gespräch träfen.

Ich wies also, wie schon erwähnt, zunächst darauf hin, dass ich der falsche Ansprechpartner sei. Aber das half ja nun alles nichts. Eine Abstimmung musste her zwischen den Gliedkirchen des Bundes und der EKU, aber auch mit der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, auf deren Territorium der Dom steht. Und damit kam der innerkirchliche Meinungsbildungsprozess in Gang.

Das heißt: Damals waren sich auf Kirchenseite fast alle einig: Der Dom steht quer - quer zu den Berlin-brandenburgischen Plänen über die kirchliche Gestaltung der Berliner Innenstadt, quer aber auch zu den sonstigen Kirchbauvorhaben in der DDR. Weshalb sollte im fernen und wenig beliebten Berlin ein alter Kaiserdom wiedererbaut werden, wenn landauf, landab wertvolle Kirchen verfielen? Und was wollte man mit einem Dom, dessen Gemeinde ihn nie würde füllen können? Predigtkirche des Bischofs der Ostregion Berlin-Brandenburgs war St. Marien. Hier kam auch die rund um den Alexanderplatz wohnende Gemeinde zusammen. Den Dom als Kirche brauchte niemand. 20 Prozent des Gebäudes würde die ansässige Domgemeinde beanspruchen. Sollte der Staat sehen, was er anfängt mit dem schwarzen Monstrum inmitten Berlins.

Im Verlaufe des Jahres 1972 kam es zu einer Reihe von Begegnungen zwischen Staat und Kirche. Beteiligt waren auf der einen Seite Vertreter des Ministeriums für Außenwirtschaft, des Ministeriums für Bauwesen und der Staatlichen Bauaufsicht. Auf der anderer Seite die EKU, der Kirchenbund, die Domgemeinde und die Ev. Kirche in Berlin-Brandenburg.

Dabei wurde unsererseits wiederholt daran festgehalten:

Die Entscheidung zum Wiederaufbau des Äußeren des Berliner Doms dürfe keinesfalls andere kirchliche Bauwünsche, insbesondere nicht das Sonderbauprogramm, einschränken
es gebe für die Kirche ein “untrennbares Junctim”: Wenn das Äußere des Doms wiedererrichtet werde, müsse in einer zweiten Stufe auch der Innenausbau folgen
müsse gesichert sein, dass sich der Staat an den Aufbau- und Unterhaltskosten beteiligt
dürfe die Arbeit der Domgemeinde im Dom durch die Bauarbeiten nicht unterbrochen werden.

Zugleich wurde darauf hingewiesen, dass die Kirche starkes Interesse am Wiederaufbau des Französischen Doms auf dem Gendarmenmarkt habe und am Wiederaufbau der Parochialkirche. (Und tatsächlich wurden beide später in das Sonderbauprogramm aufgenommen.)

Damals haben uns die staatlichen Vertreter versprochen:

der Dombau werde das Sonderbauprogramm nicht belasten, er könne aber innerhalb dieses Programms verwirklicht werden, und
kirchlichen Bauwünschen für die Innengestaltung des Doms werde Rechnung getragen; alles, was vernünftig und gesetzlich sei, werde ermöglicht.

Wenn man heute die damaligen Aufzeichnungen liest, spürt man noch immer die Ängste beider Seiten. Das Dombauvorhaben galt als ein “Politikum allerersten Ranges”: Die Kirche hatte die Sorge, ihre sonstigen Bauwünsche könnten durch Staat oder Partei auf Landes- oder Bezirksebene gestoppt oder behindert werden. Und in der Tat mussten wir immer wieder einmal gegenüber dem Ministerium für Außenwirtschaft, aber auch gegenüber den Beauftragten unserer Gliedkirchen darauf hinweisen, dass Mittel und Materialien des Sonderbauprogramms nicht zur Deckung anderweitiger Lücken bei Kirchbauvorhaben eingesetzt werden durften. Der vom Staat gewünschte Dombau musste als Pfand in Kirchenhand genutzt werden: Es galt, das Dombauprojekt innerhalb des Sonderbauprogramms so zu verankern, dass es von den übrigen Bauvorhaben unterscheidbar blieb, diese nicht infrage stellte, sondern ein zusätzlicher Impuls für deren Durchsetzung blieb.

Staatlicherseits hatte man ebenfalls Sorgen: Wie würde die Bevölkerung, wie würden die eigenen hochrangigen Genossen angesichts der gravierenden finanziellen und materiellen Mängel im Bausektor und andernorts reagieren auf so auffällige Kirchbauprojekte im Herzen Berlins und DDR-weit? Schon hatten westliche Medien darüber zu berichten begonnen. Das konnte schädlich werden. Und sicherzustellen war, dass in den Kreisen der westdeutschen Bevölkerung nicht für den Dombau in Ostberlin gesammelt würde.

Im November 1974 wurde im Auftrag des Rates der EKU - Bereich DDR - der Vertrag zwischen dem Bund der Evangelischen Kirchen und dem Außenhandelsunternehmen LIMEX über die Aufbauphase “Äußere Gestaltung” unterzeichnet. Er trägt die Unterschriften des EKU-Präsidenten und des Auftragnehmers LIMEX. Jetzt war es an der Zeit, ein Nutzungskonzept für das Dominnere vorzubereiten - zumal vorgesehen war, das Äußere der Innennutzung anzupassen.

Für den heutigen Leser der Unterlagen von damals ist es kaum noch nachvollziehbar, wie unbeirrt die Kirche gegenüber dem Staat darauf beharrt hat:

Lasst uns 20% der Räume im Dom - die übrigen 80% samt dem großen Saal unter der Kuppel mögen Staat oder Gesellschaft in eigenen Besitz und zur eigenen Nutzung übernehmen. Der Staat hat sich darauf nie ernsthaft eingelassen. Und so wurden - gleichsam stellvertretend - von kirchlicher Seite erste Nutzungsvarianten für die Innenräume ersonnen: Vielleicht könnte man in der Halle unter der Kuppel eine Art Badeanstalt einbauen - so war es der riesigen lutherischen Kirche im damaligen Leningrad ergangen. Oder - wie in Berlin-Schöneweide - einen Aufnahmeraum für den VEB Deutsche Schallplatte? Eine Konzerthalle oder einen Tagungsraum? Anstelle der Theologischen Sektion der Humboldt-Universität zu Berlin, die einen Teil der Räume schon damals nutzte, könnte das bescheiden untergebrachte Sprachenkonvikt hier einziehen. Vielleicht auch der kirchliche Fernunterricht. Eine kirchliche Zentralbibliothek oder Räume für die Spielgruppe der Volksmission. Ein Museum möglicherweise und der Kirchliche Kunstdienst. Die Evangelische Verlagsanstalt und die Hauptbibelgesellschaft. Ein Seelsorgezentrum samt kirchlichen Verwaltungsräumen. Ein Hospiz oder das kirchliche Bauamt...
Die Ideenvielfalt war groß. Und der Prozess, der manchen vom eifernden Dom-Saulus zum Dom-Paulus bekehrt hat, brauchte seine Zeit. Mich selbst haben Pietisten aus dem Erzgebirge überzeugt, an dieser zentralen Stelle Berlins die Fahne des Evangeliums hochzuhalten und die kirchliche Nutzung des Doms nicht preiszugeben. Zudem schreckte mich das Beispiel des Kasaner Doms im damaligen Leningrad: Den hatte man kurzerhand zu einem Atheismus-Museum umfunktioniert.

Der Rest der immerhin noch zwanzig Jahre währenden und bis heute nicht abgeschlossenen Dombau-Geschichte soll jetzt nur kurz nacherzählt werden:
Der Vertrag über den Wiederaufbau des Äußeren war unterschrieben.
Er war analog zu dem Vertrag über das Sonderbauprogramm des Kirchenbundes als Globalvertrag gestaltet. Geldgeber für die vorgesehenen 45 Millionen Valutamark waren die EKD und die Bundesregierung; Hauptauftraggeber war der Kirchenbund; Dienstaufsichtsbehörde und verantwortlich für den Wiederaufbau der Rat der EKU. Ein Dombauausschuss wurde ins Leben gerufen. In ihm waren auch westliche Kirchen vertreten. Der Staat gab zu verstehen, dass das Verfügungsrecht über den gesamten Dom und über dessen Nutzung beim Eigentümer verbleibe und die Regierung ab dem 1. Januar 1976 200.000 Mark pro Jahr für die Unterhaltung zur Verfügung stellen wolle.

Die Aufbauarbeiten am Äußeren begannen 1975. Über Grad und Dauer des Einvernehmens zwischen staatlicher Dombauleitung und kirchlichem Dombauausschuss gibt es unterschiedliche Darstellungen. Ich erinnere mich an diverse Meinungsverschiedenheiten. Sie betrafen zum Beispiel die Fassadengestaltung:
Nachdem das Dombauprojekt vom Staat bewilligt, man also auf der sicheren Seite war, beginnen jetzt nämlich Künstler der DDR und des Auslands sich zu Wort zu melden und auf die kunsthistorische Bedeutung des Bauwerks und seiner Figuren hinzuweisen. Möglichst viel sollte erhalten, möglichst wenig verändert werden. Das galt auch für die Anordnung der Fenster. Während die kirchliche Seite diese der Gestaltung des Innenraumes anpassen wollte, bestand die staatliche Seite auf deren unveränderte Form.

Aber auch die kirchliche Seite entdeckt ihre neue Liebe zur historisch detailgetreueren Rekonstruktion - etwa der Westfassade mit der dominierenden Christusstatue. Und um den Engelkranz zu erhalten, musste ein Zahlungsstopp angedroht werden. Die Frage aber, die mich beschäftigte, war: Wie weit würden unsere Geldgeber mitgehen? Würden sie bereit sein, so umfassende denkmalpflegerische Rekonstruktionsmaßnahmen zu finanzieren?
Bei der vereinbarten Vereinfachung der oberen Bauformen - insbesondere der Kuppel - blieb es allerdings. Und es blieb beim Abriss der Denkmalkirche sowie bei der Entfernung der kaiserlichen Unterfahrt. Beidem hatte die Kirche leider widerspruchslos zugestimmt.

Parallel zur Instandsetzung der Außenhaut wurde die Tauf- und Traukirche als Gottesdienstraum der Domgemeinde wiederhergestellt. Deren Wiedereinweihung 1980 gab zusammen mit der Wiedereröffnung des kaiserlichen Treppenhauses einen entscheidenden Impuls für den weiteren Innenausbau: Von unserem bisherigen Nutzungskonzept mussten wir abrücken. Es hatte so umfangreiche Ein- und Umbauten vorgesehen, dass wertvolle historische Bausubstanz vernichtet worden wäre, ohne ein akzeptables Ergebnis zu erreichen. So sah der Vertrag zum Wiederaufbau des Innenraumes aus dem Jahr 1983 nunmehr die weitestgehende Respektierung des historischen Charakters des Inneren vor. Der Dom sollte zu einem vielseitig nutzbaren Zentrum kirchlichen Lebens werden; der imposante Kuppelraum der Predigtkirche würde seine liturgische Funktion zurückerhalten und die einst größte Orgel zu diesem Zweck restauriert werden. Zugleich wurde die heute gültige Nutzung des Inneren festgelegt. Das Ergebnis steht uns vor Augen.

Doch die “Lokomotive” Dombau zog noch andere Wagen mit: Nachdem wir von dem Einbau zahlreicher Funktionsräume in das Dominnere abgesehen hatten, musste dafür Ersatz geschaffen werden. Das war nachvollziehbar; und es gelang, die staatlichen Stellen zu bewegen, ihre Zustimmung zum Bau des Bonhoeffer-Hauses in der Ziegelstraße zu geben: ein kirchliches Multifunktionshaus in bester Lage.
Und noch ein weiteres Bauprojekt war an den Dom gekoppelt:
Die Diakonie war mit dem Argument auf den Plan getreten: sie trage durch ihr staatlicherseits anerkanntes Tun erheblich zur Akzeptanz der Kirche in einer atheistischen Umwelt bei. Deshalb müsse dem Dom als Sakralbau ein Haus praktischen Dienstes an die Seite gestellt werden. Staatliche und kirchliche Widerstände gegen solch ein Vorhaben konnten ausgeräumt werden: Das damalige Königin-Elisabeth-Hospital erhielt einen Ergänzungsbau und wurde über Jahre zur größten Baustelle der Diakonie in Deutschland.

Zusammenfassend kann man sagen: Das Dombauprogramm und das Sonderbauprogramm haben sich gegenseitig vorangebracht: Galt in den 70er Jahren zunächst das Sonderbauprogramm als Modell für die Wiedererrichtung des Doms, so kehrte sich dieses Verhältnis auch um. Am Beispiel des Dombaus wurde dem Staat vorexerziert, dass etwa Straßenbenutzungsgebühren, aber zunehmend auch Bauleistungen nicht in Valutamark, sondern in Mark der DDR bezahlt werden konnten.

Und rückblickend stellt man fest: Alle, die mit der Wiedererrichtung des Berliner Doms befasst waren, haben gelernt. Sie haben Positionen eingebracht, diese im Lauf der Jahre gewandelt, verbessert und neu konzipiert.

Stand der alte Kaiserdom zunächst quer zur Gestaltung der sozialistischen Landeshauptstadt Berlin, entschloss man sich doch, dieses unbequeme Relikt aus vergangenen Zeiten zu akzeptieren und sogar zu integrieren - zu leben mit der Geschichte unseres Volkes.

Auch für die kirchliche Planung stand der Dom anfänglich quer, bis man ebenfalls soweit war, ihn zu akzeptieren, ihn in das kirchliche Leben zu integrieren und zu leben mit der eigenen Kirchengeschichte.

Und faktisch wurden der Palast der Republik und der Dom zu Zwillingen - die Geburtsstunde des einen hat zur Wiedergeburt des anderen geführt. Für ein paar Jahrzehnte gehörte der Bestand beider untrennbar zusammen. Das staatliche Ja zum Palast beinhaltete sein Ja zum Dom. Sein Ja zum Dom führte schließlich zur Bejahung dieses Gotteshauses auch auf kirchlicher Seite. Die Zukunft wird zeigen, ob es ein dauerhaftes Miteinander für das ungleiche Zwillingspaar geben wird oder ob Berlins Mitte ein neues - vielleicht altes - Herzstück in Form des ehemaligen Schlosses wiedererhält.

Wie fast alle unsere Kirchengebäude ist uns auch der Dom aus unserer eigenen Vergangenheit überkommen. Aber er hat sich zugleich als zukunftstauglich erwiesen. Oder sollen wir es besser andersherum formulieren: Wir haben an ihm unser Geschichtsbewusstsein vertieft. Heute jedenfalls ist er eine bedeutende Stätte kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens im Zentrum Berlins. Wir können dankbar sein all jenen, die die Entscheidung zu seinem Wiederaufbau ermöglicht und mitgetragen haben. Es waren Deutsche aus Ost und West, es waren Kirchen und Regierungen unterschiedlicher politischer Systeme, und es waren viele einzelne, die in der umstrittenen Ruine in der Mitte Berlins eine nationale Herausforderung erkannten, sich ihrer angenommen und sie schließlich auf gute Weise gelöst haben. Sie alle können stolz darauf sein.

quelle:
http://www.stk.brandenburg.de/reden/2000/0204.htm

Entschuldigung, ist wirklich ein langer Text. Nur immer Links lesen ist auch so eine Sache.

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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon karnak » 13. März 2014, 15:18

icke46 hat geschrieben: In Potsdam war ja zum Beispiel auch die Garnisonskirche politisch negativ belastet, durch den Tag von Potsdam, wo Hindenburg Hitler erst salonfähig machte. Deshalb sehe ich den geplanten Wiederaufbau der Kirche auch eher skeptisch.


Ich halte es in jedem Fall für unsinnig aus solch einem Grund eine Kirche zu sprengen oder nicht wieder aufzubauen,wenn das in der Denkmalpflege Usus würde,dann gute Nacht Marie.Als Potsdamer sage ich,wenn die Kirche irgendwann steht,es wird in jedem Fall ein weiteres Schmuckstück für die Stadt und für Hitler kann sie nun wirklich nichts.
Übrigens und nebenbei,der Kirchengemeinde der Garnisionskirche wurde für ihre Gottesdienste ein Gebäude zur Verfügung gestellt,in Diesem agiert sie wohl heute noch,sprich,die Gottesdienste der Garnisionskirchengemeinde fanden weiterhin statt. Soweit ich da mitbekommen habe,hat sie heute wohl auch kein Bedürfnis nach dem Aufbau des Gotteshauses angemeldet.
Und in diesem Zusammenhang liegt übrigens auch ein Knackpunkt der ganzen Geschichte.Die Frage nämlich,ob mit einer Sprengung eines Gotteshauses auch gleichzeitig die dazu gehörige Gemeinde,die ja das Eigentlich Entscheidende gewesen sein dürfte,"auseinandergejagt",aufgelöst wurde.Und gerade das ist eben nicht passiert,nicht mal in Zeiten des Stalinismus,im Gegensatz zu vielen anderen soz.Ländern.
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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon Icke46 » 13. März 2014, 15:34

Das ist übrigens noch ein Punkt, der beim Erhalt bzw. Nichterhalt von Kirchen eine Rolle gespielt haben wird. In der Süddeutschen Zeitung habe ich ein Interview mit dem Dombaumeister des Berliner Doms in der Zeit von 1975-2005 (also 15 Jahre vor der Wende und dann auch noch 15 danach gefunden. Ich zitiere mal:

SZ.de: Herr Hoth, Sie haben 30 Jahre Ihres Lebens dem Wiederaufbau des Berliner Doms gewidmet - die Hälfte der Zeit in einem Staat, der für Kirchen nicht viel übrig hatte. Wie konnten Sie da arbeiten?

Rüdiger Hoth: Es war ein Kampf gegen zwei Windmühlen. Die evangelische Kirche hatte mich als Bauexperten für die Restaurierung angestellt. Doch die Gemeinde selbst wusste eigentlich nicht, was sie mit dem riesigen Dom anfangen sollte, schließlich war sie nach der Teilung auf etwa 300 Mitglieder geschrumpft. Auf der anderen Seite stand die DDR, die so wenige christliche Symbole wie möglich erhalten wollte.


Das ganze Interview hier: http://www.sueddeutsche.de/reise/restau ... -1.1689478

Gruss

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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon augenzeuge » 13. März 2014, 17:26

Danke, Icke. Folgendes war später die Regel. Zitat:" Der Handel war: Der Dom bleibt eine Kirche, wenn der Westen die Restaurierung bezahlt. "

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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon karnak » 13. März 2014, 17:44

augenzeuge hat geschrieben:Danke, Icke. Folgendes war später die Regel. Zitat:" Der Handel war: Der Dom bleibt eine Kirche, wenn der Westen die Restaurierung bezahlt. "

AZ

Und daraus ergibt sich eben auch,dass die Kosten und die Möglichkeiten für eine Restaurierung zumindest AUCH eine Rolle gespielt haben dürften.Irgendwelche ideologische Vorbehalte will ich damit gar nicht vom Tisch wischen,natürlich gab es die,die DDR verstand sich als atheistischer Staat.Man sollte aber ideologische Gründe nicht überbewerten .Solche Dinge wie in der SU,dass man Kirchen in Getreidelager oder Schweineställe umfunktioniert hat,hat es in der DDR nie gegeben.
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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon pentium » 13. März 2014, 17:52

Die Zschadraßer Kirche

Mitten im Areal der Zschadrasser Krankeneinrichtung liegt die in Ziegelbauweise errichtete Kirche. Sie entstand vor über 100 Jahren im Zuge des Aufbaues der Landesheilanstalten (bauähnlich mit Hochweitzschen, Arnsdorf, Großschweidnitz). Eine bedeutende Nutzung hat sie nie erfahren, abergläubíge Christen schieben es auf die falsche Ausrichtung des Altarraumes. Der zeigt üblicherweise nach Osten, in Zschadraß wurde er aber dem Ortsbebauungsplan untergeordnet. Zu DDR-Zeiten wurde sie als Lagerraum genutzt und verfiel immer mehr. Nun, nach der Wende wurde die Kirche wieder instand gesetzt, wird aber fast ausschliesslich nur für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Die nach der "Wende" ausgebaute und verkaufte Orgel wurde nicht wieder eingebaut.

Die Nathanael-Kirche im Leipziger Westen

Seit 1994 wird die zu DDR-Zeit als Lagerraum genutzte Kirche wieder für Gottesdienste, Ausstellungen und Konzerte genutzt. Der Kirchturm konnte inzwischen saniert werden.

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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon karnak » 13. März 2014, 18:12

pentium hat geschrieben: Eine bedeutende Nutzung hat sie nie erfahren, abergläubíge Christen schieben es auf die falsche Ausrichtung des Altarraumes. Der zeigt üblicherweise nach Osten, in Zschadraß wurde er aber dem Ortsbebauungsplan untergeordnet. Zu DDR-Zeiten wurde sie als Lagerraum genutzt und verfiel immer mehr. Nun, nach der Wende wurde die Kirche wieder instand gesetzt, wird aber fast ausschliesslich nur für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Die nach der "Wende" ausgebaute und verkaufte Orgel wurde nicht wieder eingebaut.


Das dürfte dann aber doch wohl ein Sonderfall sein,was die Entweihung eines Gotteshauses durch den Staat DDR angeht.Denn"eine bedeutende Nutzung hat sie nie erfahren",soll ja wohl heißen,sie ist eigentlich nie als Kirche genutzt worden. Und wer hat den nun nach der Wende die Orgel ausgebaut und verscherbelt,hoffe ich doch mal für mich keine alten Seilschaften. [flash]
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Re: Ideologische Kirchensprengungen in der DDR

Beitragvon pentium » 13. März 2014, 18:18

Ein paar Kirchen lassen sich schon noch finden Karnak

Unweit der polnischen Grenze liegt der kleine Ort Cöthen, der heute ein Ortsteil von Falkenberg ist. Hier hat sich eine kleine Kirche erhalten, die zur Zeit der DDR zweckentfremdet als Lagerraum genutzt und später sich seinem Schicksal selbst überlassen wurde. Das Gebäude wuchs immer mehr zu und fristete über mehrere Jahrzehnte ein Dasein hinter Büschen und Bäumen. Erst in den letzten Jahren wurde sie aus dem Dornröschenschlaf erweckt und umfangreich saniert.

Wir sollten das aber nicht weiter ausdehnen. Es gab Kirchen die aus, was auch für Gründen (nicht immer politisch) als Lagerraum genutzt wurden.

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