Karnak, du sollst auch nichts durchgehen lassen. In diesem Fall kannst du jedoch nichts erreichen. Es zählt nicht, was der Mann 20 Jahre vor dem Suicid gemacht hat, es zählten die Wechselverbindungen zum MfS, zum Staat, wie sich die SED in die Bildungspolitik einmischte, seine Probleme zur Kirche, deren Haltung zur SED, all das in der Gesamtheit, wirkte in den letzten Monaten. Es war dieses marxistisch-leninistische Menschenbild und die kommunistische Erziehung der Kinder, einschließlich des Wehrkundeunterrichtes, gegen das Brüsewitz aufbegehrte. Sprach er nicht nur das aus, was viele Menschen dachten?
Erst die Erfolge von Brüsewitz lassen das MfS aktiv werden.Brüsewitz’ Missions-Eifer und seine einfallsreichen, nie langweiligen Gottesdienste führen bald wieder zu einem lebhaften Gemeindeleben. Brüsewitz erwirbt sich den Ruf, eines "Pfarrers, mit dem man reden kann".
Anbei ein paar Stationen, die zu seinem Entschluß führten...:
Brüsewitz ist ein kämpferischer Pfarrer, für ihn gibt es kein Taktieren mit der politischen Obrigkeit, kein Nachgeben in Glaubensfragen, keine Kompromisse.
Folgen für sich und die Familie:Ein Jahr nach seinem Dienstbeginn in Rippicha erhält der Stasi-IM "Romeo", eine Mitarbeiterin der Kirche, zusammen mit anderen IM den Auftrag, Brüsewitz zu bespitzeln.
Im Herbst 1970 kommt es zu einer Zuspitzung: Der Rat des Kreises droht dem Superintendenten, daß ein Ermittlungsverfahren wegen "Staatsverleumdung und Hausfriedensbruch" gegen Pfarrer Brüsewitz eingeleitet werden könnte. Es wäre auch möglich, Brüsewitz in eine Nervenklinik einzuliefern ...
Wer glaubt denn, dass das MfS so eine Angst vor einem Kranken hatte?
1974 wird speziell zur "operativen Kontrolle des Pastors Brüsewitz" der IM "Willy Koch" in Droßdorf geworben. Sie soll ausspionieren, welche Menschen aus dem Dorf Verbindungen
zu Brüsewitz haben, "welche Aktivitäten Brüsewitz entfaltet, welchen Einfluß er auf wen hat". Ein weiterer IM, "Hans Richter", soll Brüsewitz dazu bewegen, freiwillig die DDR zu
verlassen.
Und der Führungs-IM "Gerhard" klärt nicht nur den Gemeindekirchenrat Zeitz-Aue und vor allem den Brüsewitz eng verbundenen Pfarrer Meckel auf, sondern soll gezielt "Wahrheiten, Unwahrheiten und Gerüchte über den Lebenswandel" verbreiten. Auch anonyme Briefe an die Kirchenleitung gehören zum Repertoire der Stasi, um Brüsewitz und seinen Amtskollegen das Leben schwer zu machen.
Auch die älteste Tochter von Brüsewitz wird von der SED "abgestraft": Obwohl sie das beste Zeugnis hat, darf sie nicht die Erweiterte Oberschule besuchen.
Er organisiert 1976 Bibelwoche und ein Fussballspiel für die Jugendlichen und verspricht denjenigen, die die meisten Freunde mit zur Bibelstunde bringen, die mitgebrachten Tiere: zwei
Lämmer und einen Hahn. Sowas geht in der DDR gar nicht, die VP zerschlägt und beendet das Vorhaben. Warum eigentlich? Vielleicht weil er ein Talent hat, Menschen zu begeistern, was ihm die SED neidet?
Im DDR-Staatssekretariat für Kirchenfragen wurde in dieser Zeit eine "heftige Polarisierung der kirchlichen Kräfte" festgestellt. Deshalb wurde im Juli 1976 angeordnet, in allen kirchenpolitischen Fragen künftig so zu entscheiden,"daß die vernünftigen Kräfte gestärkt und reaktionäre geschwächt werden". In diesem Licht muß der zunehmende Druck auf die Kirchenleitung gesehen werden, Brüsewitz aus Rippicha zu entfernen.
Wie lief die Tat ab?
Auf der Kreuzung vor der Zeitzer Michaelskirche hält er an, stellt zwei Plakate erst an das Auto, dann auf das Dach, damit sie besser zu sehen sind ("Funkspruch an alle: Die Kirche in der DDR
klagt den Kommunismus an! Wegen Unterdrückung in Schulen an Kindern und Jugendlichen"). Aus zwei Meter Entfernung prüft er, wie die Plakate wirken. Passanten bleiben stehen, um die Plakate zu lesen, Kunden und Verkäuferinnen aus den Geschäften ringsum kommen zur Tür oder auf die Straße. Auch ein Oberstleutnant des Volkspolizei-Kreisamtes eilt herbei.
Da greift Brüsewitz zu der 20-Liter-Milchkanne, die er mitgebracht hat und übergießt sich mit Benzin. Ein Streichholzstrich, und 3 bis 4 Meter hohe Flammen schlagen hoch. Nicht nur der Pfarrer in seinem Talar, auch das Heck des Autos brennen lichterloh. Menschen rufen um Hilfe, ein beherzter Mann stürzt herbei, um Brüsewitz den brennenden Talar vom Leibe zu reißen. Doch der läuft brennend an der Kirche vorbei, auf die Superintendentur zu, während die Glocken für eine Beerdigung zu läuten beginnen. Ein vorbeikommender Soldat stellt ihm ein Bein, so daß er fällt, ein Busfahrer versucht, mit einer Decke die Flammen zu löschen. Doch die Decke fängt Feuer, erst kurz bevor die Feuerwehr kommt, können die Flammen erstickt werden. Die ebenfalls erschienenen Volkspolizisten bringen als erstes die Plakate weg, der CDUKreissekretär hilft ihnen dabei — niemand soll die Texte lesen. Aus dem Geschäft gegenüber bringt jemand einen Stuhl und setzt den fürchterlich verbrannten Pfarrer Brüsewitz darauf, der noch bei vollem Bewußtsein ist: "Er sah uns wortlos an, blickte von einem zum anderen mit seinem verbrannten Gesicht, die gelblich pergament-farbenen Hände in seinem Schoß". Noch weitere sechs lange Minuten vergehen, bis der Krankenwagen kommt. Etwa 300 Menschen sind Zeugen des Fanals geworden, das Oskar Brüsewitz setzen wollte. Jetzt sehen sie, wie er aufsteht und selbst zum Krankenwagen geht. Dann vertreibt die Volkspolizei alle vom Kirchvorplatz. Die Nachricht verbreitet sich blitzschnell in Zeitz, doch "es war totenstill in der Stadt.
Nichts regte sich mehr", erinnert sich die Journalistin Dorothea Landmann. Für die SED-Führung war das Flammen-Zeichen des Pfarrers Oskar Brüsewitz die "schlimmste Provokation" seit dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953. Nicht nur in Zeitz, auch in Ost-Berlin, Halle und Magdeburg bricht bei SED und Stasi Hektik aus. Mit allen Mitteln wird versucht, die Tat geheim zu halten: Die Kirche und die Familie werden von der Stasi eingeschüchtert, jeder Hinweis auf das Geschehene getilgt. Daß das Flammenzeichen von Zeitz ein "Politikum" war, konnte niemand bestreiten. Und weil es für die DDR entlarvend war, wollte die SED es unter allen Umständen totschweigen.
Todeskampf und Beerdigung....siehe Link:
http://www.theopenunderground.de/@pdf/s ... /fanal.pdfAZ