von pentium » 1. Mai 2018, 19:01
Ein älterer Beitrag aus einem anderem Forum zum Thema "Wölfe"
Wölfe in Deutschland – Ökologische Sanierung oder anachronistischer Witz?
Wölfe polarisieren. Die Spannweite aktueller und überlieferter Einstellungen zum Urvater aller Wadenbeißer reicht von naturromantischer Verklärung bis hin zu irrationalem Hass.
Der Wolf teilt das Schicksal derjenigen Tiere, die in mehreren europäischen Ländern, unter anderem auch in Deutschland, bereits als ausgerottet galten. Charakteristisch ist hier also der Umstand, dass das Verschwinden des Wolfes nicht mit dem Verschwinden von Tieren gleichgesetzt werden kann, welche durch die nahezu ungebremste Ausbreitung des Menschen ihren natürlichen Lebensraum verloren oder, wie z.B. Blauwale und Breitmaulnashörner, aufgrund menschlicher Gier nach bestimmten Ressourcen an den Rand des Aussterbens gedrängt wurden. Der Wolf wurde vielmehr gezielt gejagt, um ihn auszurotten, da er im gesellschaftlichen Konsens als Konkurrent und Gefahr wahrgenommen wurde.
Daher verwundert es auch nicht sonderlich, dass die seit Jahren wieder zu beobachtende Bestandszunahme von Canis lupus in Deutschland recht kontrovers und leidenschaftlich diskutiert wird. Eine der wichtigsten Fragen scheint hierbei: Hat der Wolf überhaupt noch einen Platz im heutigen Deutschland? Salopp gesagt haben Deutschland und Wolf recht unterschiedliche Vorstellungen von Raumorganisation. Das Land, welches dieses faszinierende Tier einst durchstreifte, hat sich seitdem in kaum wiederzuerkennendem Maße verändert; Konflikte scheinen unausweichlich und vorprogrammiert. Manche Konflikte könnten womöglich entschärft werden, nutzte Vater Staat entschlossener sein eigenes Handlungspotenzial in puncto Entschädigung für gerissene Tiere bzw. Förderung von zur Wolfabwehr geeigneten Weidezäunen. Andere Konflikte scheinen unauflösbar, wie z.B. die alte Konkurrenz zwischen Jäger und Wolf. Zwei Jäger, denen ich beim Wandern begegnete, versicherten mir unabhängig voneinander, dass sich dort, wo ein Wolf auftaucht, weit und breit kein Schwarzkittel oder Rotwild mehr blicken lässt. Ob das so stimmt, sei dahingestellt, jedenfalls bilden solche Erfahrungen bzw. Wahrnehmungen ein gutes Fundament für die Wiederbelebung traditioneller Aversionen.
Einhundert Quadratkilometer können als Reviergröße eines Rudels nahe der Untergrenze angesehen werden. Die tägliche Laufstrecke eines Wolfes beträgt über 20 Kilometer. Das natürliche Verhalten im Revier ist geprägt von großer Wachsamkeit, ständiger Verteidigungsbereitschaft und immenser räumlicher Präsenz. Damit scheint naheliegend, dass nicht nur die Frage gestellt werden muss, ob wir heutzutage noch mit dem Wolf klar kommen, sondern auch, ob der Wolf überhaupt noch mit unserer Welt klar kommen kann. Mit Städten, Dörfern und straßenüberwucherten Landschaften ist diesem Tier jedenfalls nicht optimal gedient, wenn man seine natürliche Lebensweise zugrunde legt. Und seien wir mal ehrlich – selbst wenn wir durch für unsere Begriffe "unberührte" Wälder wandern, bewegen wir uns auf ökonomisch genutztem und touristisch erschlossenem Terrain, wo wir zudem noch alle paar Kilometer auf Straßen treffen. Mit Wildnis hat das nicht mehr viel zu tun – unsere heutigen Wälder gleichen eher großen, mit menschlichen Duftstoffen übersäten Parks.
Unabhängig davon, ob bzw. wie sehr sich der Wolf an die neuen Gegebenheiten anzupassen vermag, müssen wir uns also eventuell die folgenden Fragen stellen: Halten wir eine Rückkehr des alten Bekannten in unsere heutige Welt überhaupt für erstrebenswert? Sind wir selbst dazu bereit, zugunsten eines anderen Lebewesens, das historisch viel Leid durch uns erfahren hat, einen oder mehrere Schritte zurück zu treten und die Komfortzone zu verlassen, um eine möglichst reibungsarme Koexistenz zu ermöglichen? Kann man eventuell auch unsere eigene Fähigkeit zum Umschwenken auf nachhaltigere Lebensweisen daran messen, ob wir es schaffen, eine Koexistenz mit diesem doch sehr anspruchsvollen Tier, welches freilich um Welten weniger anspruchsvoll ist als der Mensch selbst, zu etablieren?
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*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
Anton Günther
Freundeskreis Schloss Hubertusburg e. V.
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