Front National auf SchlingerkursBei der extrem rechten französischen Partei scheint die Forderung nach einem Austritt aus EU und dem Euro keine Prioriät mehr zu haben. Der frühere Parteivize Philippot konnte mit seiner neuen Formation „Les Patriotes“ bei den jüngsten Wahlen nicht punkten.Es erweist sich einmal mehr, dass Abspaltungen vom Front National (FN) - es schwer haben. Und dies gilt selbst, wenn bislang führende Köpfe dem FN mit Neugründungen Konkurrenz zu bereiten versuchten. Auf diese Weise scheiterten etwa Bruno Mégret, der 1998 geschasste „Generalbevollmächtigte“ und Gründer des noch als Mikropartei fortbestehenden „Mouvement national républicain“ (MNR), sowie Carl Lang mit seiner 2009 gegründeten Zwergpartei „Parti de la France“ (PdF).
Auch Florian Philippot, bis zum 21. September 2017 Vizechef des Front National, muss mit seiner nunmehr zur Partei umgewandelten Formation „Les Patriotes“, diese Erfahrung machen. Am vergangenen Sonntag fanden die ersten Teilwahlen – Nachwahlen für einzelne, durch erfolgreiche Wahlanfechtungen oder Rücktritte freigewordene Parlamentssitze – zur französischen Nationalversammlung statt, an der beide rechtsextremen Parteien teilnahmen.
Ex-Vize für die damalige politisch-ideologische Linie verantwortlich„Les Patriotes“ setzten gewisse Hoffnungen vor allem auf die Nachwahl im ostfranzösischen Belfort. Dort trat als ihre Kandidaten Sophie Montel an, die unter anderem dem Europäischen Parlament und dem Regionalparlament Bourgogne-Franche-Comté (Burgund und Jura) angehört. Trotz ihres lokalen Bekanntheitsgrads erhielt Montel jedoch nur zwei Prozent der Stimmen. Ihr gegenüber erzielte der FN-Kandidat Jean-Raphaël Sandri 7,5 Prozent, bei der (gerichtlich annullierten) vorausgehenden Parlamentswahl im Juni 2017 holte der FN dort allerdings noch 17,5 Prozent. In Pontoise, gut fünfundzwanzig Kilometer nördlich von Paris, erhielt der FN am selben Sonntag 10,1 Prozent der Stimmen (im Juni waren es 15,3 Prozent). Hingegen erreichten "Les Patriotes“ dort nur 1,6 Prozent.Florian Philippot galt bis zum Ausgang der, für den FN im Endeffekt negativ verlaufenen Präsidentschaftswahlen im April und Mai 2017 faktisch als eine Art Sonderberater von Marine Le Pen. Er war maßgeblich verantwortlich dafür, die damalige politisch-ideologische Linie der rechtsextremen Partei zu definieren. Im Zentrum standen dabei soziale Demagogie und die Forderung nach einem EU-Austritt. Letzterer sei unabdingbar, um das wirtschafts- und sozialpolitische Projekt durchsetzen zu können, aber auch, um „wieder Herr über unsere Grenzsicherung zu werden“.
Nach dem Scheitern der Präsidentschaftskandidatur Marine Le Pens, und ihrer bis heute in der Öffentlichkeit nachwirkenden Blamage beim TV-Duell gegen Emmanuel Macron vom 3. Mai vergangenen Jahres, ist diese Linie unter Druck geraten. Seitdem kommt es innerparteilich beim FN zu ziemlich starken Verschiebungen.
Haltung von Marine Le Pen mehr als vageDie Forderung eines EU- und Euro-Austritts wird zunehmend als unverantwortliche Parole betrachtet, die einer konservativen und mittelständischen Wählerschaft Furcht einflöße. Aber auch die soziale Demagogie, die das Auftreten des FN seit den 1990er Jahren prägte, wird immer stärker in Frage gestellt. Die Parteilinie sei „linkslastig“, blockiere und verhindere die Annäherung an konservative Rechte als „natürliche“ Verbündete und halte Wirtschaftskreise dauerhaft auf Abstand.So sprach Marine Le Pen erstmals in einer Rede am 1. Oktober 2017 in Poitiers explizit davon, Ziel ihrer Partei sei nunmehr nicht länger der EU-Austritt, sondern, „die EU von innen heraus zu reformieren“. Bei einem Fernsehauftritt am 19. Oktober, bei dem sie erstmals nur geringen Publikumserfolg hatte – die Zuschauerzahl lag unter zwei Millionen – , zeigte die FN-Chefin sich dann mehr als vage bezüglich der Haltung zur EU. Diese nicht ganz unwichtige Frage wischte sie damals mit der Bemerkung „Man wird sehen!“ zur Seite. Allerdings bleibt es augenscheinlich bis heute bei einem ziellosen Eiertanz, den Marine Le Pen bei dieser Frage vollführt.
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