Der rechte Propagandakrieg
Verfasst: 30. Dezember 2018, 08:50
Wie Europas RechtspopulistInnen versuchen, mithilfe der Medien ihre Macht auszubauen – und dabei voneinander lernen
Es gibt kaum ein europäisches Land, in dem die RechtspopulistInnen nicht an Einfluss gewinnen. Ein wichtiger Teil ihrer Strategie: der Kampf um die öffentliche Meinung. Ein zentrales Mittel ist dabei der Angriff auf die freie Presse. Stellt man sich diesen Angriff als kontinuierliche Entwicklung vor, steht Deutschland noch ziemlich am Anfang, weit fortgeschritten ist sie in Ungarn. Dazwischen liegen Frankreich, Italien, Österreich, Polen.
Die AfD beobachtet die erfolgreichen Strategien der Rechten in anderen Ländern mit großem Interesse – die des Rassemblement National in Frankreich, der früher Front National hieß und dessen Chefin Marine Le Pen im vergangenen Jahr nur knapp die Präsidentschaft verfehlte. Der Lega in Italien, seit dem Sommer Teil der Regierung. Der österreichischen FPÖ, seit gut einem Jahr Koalitionspartner in Wien. Der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die seit 2015 Polen allein regiert. Und der Fidesz in Ungarn, die seit 2010 mit Viktor Orbán den Regierungschef stellt.
Die öffentlich-rechtlichen Medien unter Kontrolle bringen, die privaten diffamieren und unter Druck setzen – das ist ein Teil der Medienstrategie von Europas RechtspopulistInnen. Ein weiterer ist der Aufbau einer eigenen Medienlandschaft, die sie Gegenöffentlichkeit nennen. Das Praktische für die RechtspopulistInnen: All dies geht Hand in Hand. Denn je mehr die Glaubwürdigkeit der etablierten Medien untergraben wird, desto bessere Chancen haben die rechten Propagandaorgane, Gehör zu finden.
2. „Lebenszeitverschwendung“: die Diffamierung der etablierten Medien
Anfang September 2018: AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, Fraktionschef in Thüringen, ist im oberbayerischen Peiting zu Gast. Er steht auf der Bühne, hält die aktuelle FAZ hoch und liest die Schlagzeile vor: „Teile der AfD werden vom Verfassungsschutz beobachtet“, steht da. Eine „Falschmeldung“ sei das, ruft Höcke in den Saal. Die Landesverbände der Jugendorganisation, um die es hier geht, seien formaljuristisch nicht Teil der AfD. Doch natürlich kann man die Junge Alternative als Teil der AfD bezeichnen, die Schlagzeile ist korrekt. Aber Höcke geht es ohnehin um mehr:
Tagespresse zu lesen ist Lebenszeitverschwendung
sagt er in Peiting.
Und: "Ich empfehle: Kündigen Sie Ihre Zeitung!"
Björn Höcke, Landesvorsitzender der AfD Thüringen, kritisiert bei seiner Rede auf dem Landesparteitag der AfD in der Stadthalle Arnstadt die "Thüringer Allgemeine". FOTO: Bodo Schackow /picture alliance
Am Tag zuvor hatte AfD-Chef Jörg Meuthen auf dem Marktplatz im niederbayerischen Hengersberg geredet, Landtagswahlkampf. Gerade erst war ein Teil der AfD-Spitze in Chemnitz gemeinsam mit Neonazis marschiert. „Ich bin stolz auf viele dieser Menschen, die in Sachsen auf die Straße gegangen sind“, sagt Meuthen. Gewalt, rassistische Beschimpfungen und Hitlergrüße aber lehne er ab. „Einen Journalisten haben wir überführt“, sagt Meuthen: „Der hat in Chemnitz den Hitlergruß gezeigt und dann wird das mit uns in Verbindung gebracht.“ Dass diese Geschichte, die im Netz kursiert, erfunden ist, ist zu diesem Zeitpunkt schon klar. Auf Nachfrage der taz räumt Meuthen später ein, dass er eine Falschinformation verbreitet hat: „Eine nachträgliche Überprüfung hat ergeben, dass das so nicht stimmt.“
Diese Verleumdung der „Mainstreammedien“ zeugt von Doppelmoral: Natürlich weiß die AfD, dass sie auf die klassischen Medien nicht verzichten kann. Ein Titel in der Bild zu ihrem Lieblingsthema „Gewalt von Migranten“ ist Gold wert. Ein Auftritt von Meuthen in der ARD-Talksendung „Hart aber fair“, ein Gastbeitrag von Gauland in der FAZ, ein Interview mit Weidel in den Tagesthemen – unbezahlbar. Trotzdem tut die AfD alles, damit die Menschen das Vertrauen in die etablierten Medien verlieren.
Laut der Forsa-Jahresumfrage vertrauten zuletzt nur noch 40 Prozent der Befragten der Presse insgesamt. Als die Flüchtlingszahlen in den 1990er Jahren nach oben schnellten, stimmten die Republikaner, die Bild und der Spiegel denselben Sound an, schrieben von der "Asylantenflut" oder druckten Bilder einer überfüllten Arche. Viele glauben, dass die großen Medien so den Pogromen jener Zeit den Weg mit bereiteten. Als 2015 die Flüchtlinge kamen, war der Tonfall jedoch zunächst ein anderer. Die Medien trugen die Willkommenskultur mit. Sogar Bild-Chef Kai Diekmann ersetzte sein privates Profilbild auf Twitter durch ein „Refugees Welcome“-Logo. Für die Rechten war das „Volksverrat“.
Merkel hätte, so deren Lesart, ihre Flüchtlingspolitik niemals so lange durchhalten können, wenn die Medien sie dabei nicht gestützt hätten. Auf den islamfeindlichen Pegida-Demos beschimpfen die RednerInnen oft gleich zu Beginn die Medien, beim gemeinsamen Skandieren von „Lügenpresse“ kommt Stimmung auf. Kamerateams müssen heute teils mit Sicherheitsleuten zum Dreh fahren.
Die AfD bedient sich vielfältiger Mittel, um ihren Teil zur Delegitimierung der Medien beizutragen. Mal werden manche, mal pauschal alle Medien als „Lügenpresse“ diffamiert. Mal wird die Presse insgesamt von Parteitagen ausgeschlossen, mal einzelne nicht genehme JournalistInnen nicht akkreditiert. Auch kommt es vor, dass AfD-PolitikerInnen vom Podium aus einzelne JournalistInnen auf Pressekonferenzen oder AfD-Veranstaltungen gezielt angehen. Zuletzt war der Angriff auf die Presse fester Bestandteil im bayerischen Landtagswahlkampf.
Weitere Berichte über Rechtspopulisten anderer europäischer Länder hier:
http://taz.de/efr/Der-rechte-Propagandakrieg/
Es gibt kaum ein europäisches Land, in dem die RechtspopulistInnen nicht an Einfluss gewinnen. Ein wichtiger Teil ihrer Strategie: der Kampf um die öffentliche Meinung. Ein zentrales Mittel ist dabei der Angriff auf die freie Presse. Stellt man sich diesen Angriff als kontinuierliche Entwicklung vor, steht Deutschland noch ziemlich am Anfang, weit fortgeschritten ist sie in Ungarn. Dazwischen liegen Frankreich, Italien, Österreich, Polen.
Die AfD beobachtet die erfolgreichen Strategien der Rechten in anderen Ländern mit großem Interesse – die des Rassemblement National in Frankreich, der früher Front National hieß und dessen Chefin Marine Le Pen im vergangenen Jahr nur knapp die Präsidentschaft verfehlte. Der Lega in Italien, seit dem Sommer Teil der Regierung. Der österreichischen FPÖ, seit gut einem Jahr Koalitionspartner in Wien. Der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die seit 2015 Polen allein regiert. Und der Fidesz in Ungarn, die seit 2010 mit Viktor Orbán den Regierungschef stellt.
Die öffentlich-rechtlichen Medien unter Kontrolle bringen, die privaten diffamieren und unter Druck setzen – das ist ein Teil der Medienstrategie von Europas RechtspopulistInnen. Ein weiterer ist der Aufbau einer eigenen Medienlandschaft, die sie Gegenöffentlichkeit nennen. Das Praktische für die RechtspopulistInnen: All dies geht Hand in Hand. Denn je mehr die Glaubwürdigkeit der etablierten Medien untergraben wird, desto bessere Chancen haben die rechten Propagandaorgane, Gehör zu finden.
2. „Lebenszeitverschwendung“: die Diffamierung der etablierten Medien
Anfang September 2018: AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, Fraktionschef in Thüringen, ist im oberbayerischen Peiting zu Gast. Er steht auf der Bühne, hält die aktuelle FAZ hoch und liest die Schlagzeile vor: „Teile der AfD werden vom Verfassungsschutz beobachtet“, steht da. Eine „Falschmeldung“ sei das, ruft Höcke in den Saal. Die Landesverbände der Jugendorganisation, um die es hier geht, seien formaljuristisch nicht Teil der AfD. Doch natürlich kann man die Junge Alternative als Teil der AfD bezeichnen, die Schlagzeile ist korrekt. Aber Höcke geht es ohnehin um mehr:
Tagespresse zu lesen ist Lebenszeitverschwendung
sagt er in Peiting.
Und: "Ich empfehle: Kündigen Sie Ihre Zeitung!"
Björn Höcke, Landesvorsitzender der AfD Thüringen, kritisiert bei seiner Rede auf dem Landesparteitag der AfD in der Stadthalle Arnstadt die "Thüringer Allgemeine". FOTO: Bodo Schackow /picture alliance
Am Tag zuvor hatte AfD-Chef Jörg Meuthen auf dem Marktplatz im niederbayerischen Hengersberg geredet, Landtagswahlkampf. Gerade erst war ein Teil der AfD-Spitze in Chemnitz gemeinsam mit Neonazis marschiert. „Ich bin stolz auf viele dieser Menschen, die in Sachsen auf die Straße gegangen sind“, sagt Meuthen. Gewalt, rassistische Beschimpfungen und Hitlergrüße aber lehne er ab. „Einen Journalisten haben wir überführt“, sagt Meuthen: „Der hat in Chemnitz den Hitlergruß gezeigt und dann wird das mit uns in Verbindung gebracht.“ Dass diese Geschichte, die im Netz kursiert, erfunden ist, ist zu diesem Zeitpunkt schon klar. Auf Nachfrage der taz räumt Meuthen später ein, dass er eine Falschinformation verbreitet hat: „Eine nachträgliche Überprüfung hat ergeben, dass das so nicht stimmt.“
Diese Verleumdung der „Mainstreammedien“ zeugt von Doppelmoral: Natürlich weiß die AfD, dass sie auf die klassischen Medien nicht verzichten kann. Ein Titel in der Bild zu ihrem Lieblingsthema „Gewalt von Migranten“ ist Gold wert. Ein Auftritt von Meuthen in der ARD-Talksendung „Hart aber fair“, ein Gastbeitrag von Gauland in der FAZ, ein Interview mit Weidel in den Tagesthemen – unbezahlbar. Trotzdem tut die AfD alles, damit die Menschen das Vertrauen in die etablierten Medien verlieren.
Laut der Forsa-Jahresumfrage vertrauten zuletzt nur noch 40 Prozent der Befragten der Presse insgesamt. Als die Flüchtlingszahlen in den 1990er Jahren nach oben schnellten, stimmten die Republikaner, die Bild und der Spiegel denselben Sound an, schrieben von der "Asylantenflut" oder druckten Bilder einer überfüllten Arche. Viele glauben, dass die großen Medien so den Pogromen jener Zeit den Weg mit bereiteten. Als 2015 die Flüchtlinge kamen, war der Tonfall jedoch zunächst ein anderer. Die Medien trugen die Willkommenskultur mit. Sogar Bild-Chef Kai Diekmann ersetzte sein privates Profilbild auf Twitter durch ein „Refugees Welcome“-Logo. Für die Rechten war das „Volksverrat“.
Merkel hätte, so deren Lesart, ihre Flüchtlingspolitik niemals so lange durchhalten können, wenn die Medien sie dabei nicht gestützt hätten. Auf den islamfeindlichen Pegida-Demos beschimpfen die RednerInnen oft gleich zu Beginn die Medien, beim gemeinsamen Skandieren von „Lügenpresse“ kommt Stimmung auf. Kamerateams müssen heute teils mit Sicherheitsleuten zum Dreh fahren.
Die AfD bedient sich vielfältiger Mittel, um ihren Teil zur Delegitimierung der Medien beizutragen. Mal werden manche, mal pauschal alle Medien als „Lügenpresse“ diffamiert. Mal wird die Presse insgesamt von Parteitagen ausgeschlossen, mal einzelne nicht genehme JournalistInnen nicht akkreditiert. Auch kommt es vor, dass AfD-PolitikerInnen vom Podium aus einzelne JournalistInnen auf Pressekonferenzen oder AfD-Veranstaltungen gezielt angehen. Zuletzt war der Angriff auf die Presse fester Bestandteil im bayerischen Landtagswahlkampf.
Weitere Berichte über Rechtspopulisten anderer europäischer Länder hier:
http://taz.de/efr/Der-rechte-Propagandakrieg/