Rechtspopulismus und EU - Der Brexit ist auch gut für Europa!
Für Großbritannien ist der Brexit eine Katastrophe. Gerade deshalb könnte er die Attraktivität antieuropäischer Ideologien schmälern. Vielleicht kommt er sogar zur rechten Zeit. Ein Kommentar.
Manche Ideologien müssen sich erst durchsetzen, bevor sie widerlegt werden können. Ohne den real existierenden Sozialismus – ohne Gulag, Maos Kulturrevolution und DDR – würden womöglich immer noch Millionen Menschen für den Traum von einer klassenlosen Gesellschaft auf die Barrikaden gehen. Doch das tun sie nicht, weil sie die Enttäuschung von einer Täuschung befreit hat. So etwas tut gemeinhin weh. Sich mit einer Welt arrangieren zu müssen, in der es Privateigentum, entfremdete Arbeit und Ausbeutung gibt, fällt schwer. Zu erkennen, dass die Alternativen dazu noch ärger sind, ist trostlos. Aber es ist allemal besser, als erneut und mit Macht und Gewalt das Glück auf Erden erzwingen zu wollen.
Die Europäische Union wurde in den vergangenen Jahren zunehmend als ein Gebilde wahrgenommen, das zu krank wurde, um noch geheilt werden zu können. Bürokratisch, technokratisch, anmaßend, bevormundend, klandestin. Repräsentiert von einem nichtssagenden, aber desto redseligeren Duo, Jean-Claude Juncker und Martin Schulz. Die Eurokrise ist längst nicht ausgestanden, die Maastrichter Verschuldungskriterien werden fortwährend verletzt, die Flüchtlingskrise wiederbelebte den Nationalismus.
Als Folge dessen erstarkte die Gegnerschaft zu diesem Europa. Bei den letzten Wahlen zum EU-Parlament gingen rund zwanzig Prozent der Sitze an EU-Kritiker. Ob in Frankreich, Großbritannien, Dänemark, den Niederlanden, Österreich, Ungarn oder Polen: Bisweilen aus dem Stand heraus triumphierten rechtspopulistische Parteien mit dem Versprechen, die Ketten des europäischen Völkergefängnisses zu sprengen und die Menschen daraus zu befreien. Am Horizont dieser Rhetorik tauchte die Vision eines gesunden, prosperierenden Nationalismus als Alternative zur EU auf.
Der britische Finanzminister kündigt Steuererhöhungen an
Das britische Pfund stürzt ab, die Ratingagenturen stufen das Land herunter, es rutscht auf Platz sechs – hinter Frankreich! – der stärksten Volkswirtschaften der Welt ab, die Wachstumsprognosen werden nach unten korrigiert, der britische Finanzminister kündigt Steuererhöhungen und massive Sozial-Kürzungen an, Schottland plant seinen eigenen Brexit (raus aus Großbritannien), die politische Elite, einschließlich der Labour-Partei, zerlegt sich.
Währenddessen liebäugelt der ideologische Kopf des Brexit-Lagers, Boris Johnson, damit, den Zugang Großbritanniens zum EU-Binnenmarkt erhalten zu können, ohne die Freizügigkeit gewähren zu müssen. Doch das ist naiv. Es wäre ebenso widersprüchlich wie eine klassenlose Gesellschaft zu schaffen, in der die Produktionsmittel in privater Hand sein dürfen. Entweder, oder.
Bis zum Brexit konnten Europas Rechtspopulisten sich selbst und andere täuschen. Sie konnten den Wahn kultivieren, durch das Zerteilen eines großen engmaschigen Netzes in viele kleine Netze ließen sich mehr Fische fangen. Doch diese Rechnung geht nicht auf. Frei und arm oder gebunden und wohlhabend: Das ist die Entscheidung, vor der jeder Europäer steht. Der Verzicht auf Souveränität vergrößert die ökonomischen Optionen und verringert die Zahl der Handelshemmnisse. Frei und reich? Das gibt’s nur in europhoben Phantasien.
Der Brexit ist schlecht für Europa und sehr schlecht für Großbritannien. Gerade deshalb könnte er die Attraktivität antieuropäischer Ideologien schmälern. Vielleicht kommt er sogar zur rechten Zeit, um einen Teil der selbstzerstörerischen Impulse Europas als Irrweg zu entlarven.
Auf dem Trafalgar Square haben vor wenigen Tagen Tausende Engländer aus Protest gegen den Brexit Europafahnen geschwenkt. Wann je hatte man solche Bilder zuvor in London gesehen?
http://www.tagesspiegel.de/politik/rech ... 05618.html
Kumpel hat geschrieben:Herr Tichy ist ja ein kluger Mann und trotzdem frage ich mich, waren es nicht eher die polnischen Klempner und die
vielen anderen osteuropäischen Arbeitsmigranten die den Briten günstige Dienstleistungen anbieten die hergenommen wurden um Ängste zu schüren und nicht die Flüchtlinge die vor Krieg ,
Hunger und Perspektivlosigkeit fliehen und von denen es ohnehin nur ein geringer Teil nach UK geschafft hatte?
pentium hat geschrieben:Die Entgrenzungspolitik von Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik hat ja auch dazu beigetragen, dass der Brexit diese Mehrheit fand: Die völlig unkontrollierte Einwanderung von über einer Millionen Menschen
pentium hat geschrieben:Es wird immer lustiger bei Brexit. Der große Anführer verlässt die Bühne...?
pentium
Boris Johnson in der Kritik: "Mit dieser Schande muss er leben"
Nach dem Brexit-Schock tobt bei den britischen Konservativen ein Machtkampf. Der große Buhmann: Boris Johnson. Ein prominenter Tory-Veteran sagt: "Er hat eine der größten Krisen der Moderne ausgelöst."
Er gilt nun als Buhmann. Zumal er nach dem Brexit-Votum seinen Landsleuten suggerierte, Großbritannien könne auch bei einem EU-Austritt Privilegien wie den Zugang zum europäischen Binnenmarkt behalten.
Tory-Veteran Michael Heseltine reicht es nun. Heseltine, der unter Margaret Thatcher und John Major diente, schimpfte in der BBC auf Johnson:
"Er hat die Partei auseinandergerissen, eine der größten Verfassungskrisen der Moderne ausgelöst, Milliarden Pfund aufs Spiel gesetzt. Er ist wie ein General, der seine Truppen in das Gewehrfeuer führt, um dann das Schlachtfeld zu verlassen. Mit dieser Schande muss er leben."
Ari@D187 hat geschrieben:Verzockt hat sich Cameron.
Ari
Kampagne in Großbritannien: Diese drei Argumente sprechen für den Exit vom Brexit
Die Kampagne zum Stopp des Brexit gewinnt renommierte Befürworter. Bleibt Großbritannien doch in der EU? Das Szenario ist nicht unrealistisch.
Die Umsetzung des Referendums ist anscheinend keineswegs mehr selbstverständlich, immer besser organisieren sich die Gegner des Austrittsvotums - und sie haben gewichtige Argumente auf ihrer Seite:
1. Das Täuschungs-Argument
2. Das Demokratie-Argument
3. Das juristische Argument
Zusammengefasst: Immer mehr Politiker und Juristen sprechen sich dafür aus, das Brexit-Referendum nicht umzusetzen. Sie können auf gewichtige Argumente verweisen - und werden inzwischen auch von führenden Politikern ernst genommen. Ob sie erfolgreich sein werden, dürfte vor allem davon abhängigen, wie sich die Stimmungslage der Briten in den kommenden Wochen entwickelt.
Sein Lebenslauf lässt darauf schließen, dass er ziemlich genau weiß, wie der Hase läuft.
Ein Brutus steht vor Downing Street
Als wär’s ein Stück von Shakespeare: Wie Boris Johnsons Karriere zusammenfiel und Großbritannien die Fassung verlor.
Atemberaubend, welches Schauspiel das politischen Leben Großbritanniens in diesen Tagen des Brexit bietet. Was bei Shakespeare noch Königsdrama war, kehrt als Farce wieder. Soeben wurde einer gemeuchelt, der noch nicht einmal König war und schon gar kein Cäsar, es aber gerne geworden wäre, und dessen über Jahre sorgsam verfolgte Karriere binnen einer Woche zerfiel, bis ihr am Donnerstagmorgen der letzte, tödliche Stoß versetzt wurde – und, wie es sich im Drama und also auch dessen farcenhafter Neuauflage gehört, von dessen engstem Verbündeten.
Einmal mehr bewahrheitet sich das Politikersprichwort, dass die Steigerung von Freund über Feind in Parteifreund gipfelt. Michael Gove, erst Bildungs- und nun Justizminister in der konservativen Regierung, stellte sich zunächst gegen Premierminister Cameron, dem er seinen Aufstieg in die Regierung verdankt, indem er dem Brexit-Lager beitrat. Da betätigte er sich als getreuer Eckart von Johnson, der Lokomotive der Brexit-Kampagne. Und nun, da überraschend die Ernte dieser Wahlrundfahrt im roten „Brexit-Bus“ eingefahren ist und Johnson mit einem Mal zaudert, zaudert Gove kein bisschen und schwingt sich in einer bühnenreifen Inszenierung – nach dem Durchstechen einer „privaten“ Email seiner als Klatschkolumnistin gefürchteten Ehefrau – selbst zum Kandidaten auf.
„Einmal besser als keinmal, und besser spät als nie“, muss sich Gove gesagt haben, es steht so schon beim englischen Nationaldichter, dessen 400. Todestag in diesem Jahr gefeiert wird, in Großbritannien, in Europa, in der ganzen Welt. Alle drei genannten Politiker, wohlgemerkt, gehören derselben Partei an, ja sind seit Studententagen an einer der angesehensten Universitäten eng befreundet – parteibefreundet, wie man besser sagen muss.
"Deutschland trägt die Hauptschuld am Brexit"
augenzeuge hat geschrieben:Endlich bringst mal einer auf den Punkt."Deutschland trägt die Hauptschuld am Brexit"
http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... rexit.html
AZ
augenzeuge hat geschrieben:Ari@D187 hat geschrieben:Verzockt hat sich Cameron.
Ari
"Auch" hast du vergessen.
[...]
"Wir lieben Dich, EU": Mit europafreundlichen Slogans und geschmückt in den Farben der EU-Flagge haben tausende Briten am Samstag gegen den Brexit demonstriert. Die Menschenmenge zog durch die Hauptstadt London und am Regierungssitz des amtierenden Premierministers David Cameron vorbei zum Parlament. Laut den Organisatoren nahmen 40.000 Menschen an der Demonstration teil. Queen Elizabeth II. mahnte zu Besonnenheit und Nachdenken.
Rainer Rupp (ehemals "Topas") im Gespräch mit Ken Jebsen über den Brexit, die Osterweiterung der Nato und Russlandsanktionen.
"[...] Rupp:" Der Brexit hat auch seine guten Seiten. Er hat die Kriegsgefahr mit Russland vermindert, denn die EU-Staaten sind aktuell derart verunsichert, dass sie sich auf weitere Experimente, wie die NATO sie konsequent vorantreibt, nicht einlassen werden.
Viele Staaten, so Rupp, wurden erst in die EU gelockt, um sie dann auch in die NATO zu drängen. Doch auch die NATO ist intern nicht mehr so stabil, wie sie zu verkaufen versucht.
Die USA geben den Ton an und Europa muss gehorchen. So sind die Sanktionen gegen Russland Teil eines neuen kalten Krieges, nur dass vor allem Europa dafür einen hohen Preis bezahlen wird.
Die USA sind auf Exporte nach Russland nicht angewiesen, machen aber hinter dem Rücken dennoch glänzende Geschäfte mit der russischen Föderation.
Das alles spricht sich rum und es kommt immer lauter zu Widerspruch, auch innerhalb des Militärbündnisses.
Wir stehen vor einer Art Rebellion, nicht nur in der EU, sondern auch in der NATO, und Merkel ist durch den Brexit angezählt und wird Mühe haben, bei den nächsten Wahlen politisch zu überleben".
pentium hat geschrieben:Farage sagte am Schluss seiner Rede, nachdem er sein Land zurückhabe, wolle er jetzt sein Leben zurückhaben.
pentium
Immer mehr Briten beantragen die deutsche Staatsbürgerschaft. Deutsche Ämter verzeichnen seit Tagen einen Anstieg entsprechender Anfragen von in Deutschland lebenden Briten, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur in größeren deutschen Städten ergab.
Auch in Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Hamburg ist nach Auskunft der Behörden die Nachfrage nach deutschen Papieren gestiegen.
2015 lebten nach Angaben des Statistischen Bundesamts rund 106.000 Menschen aus dem Vereinigten Königreich (England, Wales, Schottland und Nordirland) in der Bundesrepublik.
augenzeuge hat geschrieben:pentium hat geschrieben:Farage sagte am Schluss seiner Rede, nachdem er sein Land zurückhabe, wolle er jetzt sein Leben zurückhaben.
pentium
Endlich mal ein verantwortungsbewusster Politiker. Nachdem das Volk ihm vertraut hat, lässt er es abblitzen.
Dagegen ist doch die Merkel.....na, ihr wisst schon.
Satire aus.
AZ
Finanzminister George Osborne, der vehement für einen Verbleib in der EU geworben hatte, plant nun angeblich, die Steuern für Unternehmen deutlich zu senken. Damit wolle er die negativen Folgen für Großbritannien im Zuge des EU-Austritts einhegen, berichtet die „Financial Times“. Vorgesehen sei ein Steuersatz von weniger als 15 Prozent.
Spartacus hat geschrieben:augenzeuge hat geschrieben:pentium hat geschrieben:Farage sagte am Schluss seiner Rede, nachdem er sein Land zurückhabe, wolle er jetzt sein Leben zurückhaben.
pentium
Endlich mal ein verantwortungsbewusster Politiker. Nachdem das Volk ihm vertraut hat, lässt er es abblitzen.
Dagegen ist doch die Merkel.....na, ihr wisst schon.
Satire aus.
Falsch, Farage hatte seine Partei gegründet, um einen EU Austritt zu erzwingen. Sein Ziel hat er erreicht und zieht sich somit zurück. Ist doch nur konsequent.
LG
Sparta
augenzeuge hat geschrieben:pentium hat geschrieben:Kaum wirds schwierig, stehlen sie sich aus der Verantwortung.
pentium
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