Doku über Homosexualität in der DDR

Es gab zwischen beiden deutschen Staaten große Unterschiede in der Sozialpolitik (welche ja eine der Philosophien des DDR-Sozialismus war). Wo lagen die Unterschiede? Wie effektiv waren beide Sozialsysteme? Was war ungerecht, was war gerecht? Wie ist es im Vergleich zu heute?
Der Bereich für Diskussionen zu den Sozialen Systemen der beiden deutschen Staaten.

Re: Doku über Homosexualität in der DDR

Beitragvon Interessierter » 3. Dezember 2016, 11:20

25 Jahre Mauerfall: DDR und Homosexuelle

IM „Detlef“ und „After Shave“…

So war die am 15. Januar 1973 in Ostberlin gegründete Homosexuelleninitiative Berlin (HIB) der erste organisierte Zusammenschluss von Lesben und Schwulen im gesamten Ostblock. Vom Ministerium für Staatssicherheit (MfS) argwöhnisch beäugt traf man sich vornehmlich in Privatwohnungen und diskutierte über Möglichkeiten der rechtlichen Besserstellung der LGBT in der DDR. Oder man feierte, und das mit einem Trick: Sie meldeten sich nicht als organisierte Lesben, Schwule oder Transen an, sondern mieteten in Gaststätten Nebenzimmer für Geburtstagsfeiern.

DDR und Homosexuelle – das war für die Nomenklatura um Honecker, Krenz & Co. immer etwas mit dem wahren Sozialismus Unvereinbares, auch in der Freien Deutschen Jugend (FDJ) waren bekennende Homosexuelle nicht sonderlich gut gelitten. Bemühungen der HIB, öffentliche Treffpunkte für Homosexuelle einzurichten, wurden noch bis 1979 vom Ministerrat der DDR im Keim erstickt. Und so kam es vor Schwulenkneipen regelmässig zu komischen Szenen. Männer liefen zehn Minuten vor der Öffnung des Lokals auf dem Gehsteig auf und ab, als wollten sie nur frische Luft schnappen. Ging ein Licht an und die Tür wurde geöffnet, strömten die Homosexuellen binnen fünf Minuten hinein, dann wurde die Tür wieder verschlossen.

„Beliebt“ waren gerade Schwule übrigens beim MfS als potentielle Spitzel, angeworben wurden sie allerdings zumeist mit der Drohung, sie bei einer Verweigerung der Mitarbeit zu denunzieren. Schwulen „Inoffizielle Mitarbeiter“ (IM) der Stasi wurden Decknamen wie „Detlef“, „After Shave“ oder „Wärme“ verpasst. Gleichwohl gab es auch in der DDR immer Cruising-Areas und inoffizielle Schwulenkneipen, in Erfurt etwa die „Johannesklause“ oder in Berlin das „Burgfrieden“. Und sogar der Staat organisierte monatlich schwul-lesbische Diskoveranstaltungen in den staatlichen Jugendklubs. Dies allerdings nicht, um ein Zeichen der Offenheit zu geben, sondern um die Szene besser beobachten zu können. Das war auch einer der Gründe für die Genehmigung der staatlichen Behörden von überregionalen Pfingstfesten der HIB seit Mitte der 1970er Jahre.

Stasi: „Homosexuelle beobachten und registrieren!“

Die HIB traf sich nach 1975 alle zwei Wochen sonntags gerne im Berliner Ortteil Mahlsdorf, und zwar im privaten Gründerzeitmuseum von Lothar Berfelde, die sich den Künstlernamen Charlotte von Mahlsdorf gab. Hier wurden Faschingsbälle und Silvesterfeiern veranstaltet, zu denen zeitweise über 200 Menschen kamen. Als 1997 Jahre herauskam, dass auch Charlotte von Mahlsdorf (1928 – 2002) seit 1971 „auf freiwilliger Basis“ für die Stasi als IM spitzelte, hat das ihrem Bild als LGBT-Ikone nicht geschadet. Doch nicht nur in Berlin gab es eine organisierte LGBT-Szene. Im April 1982 gründete sich etwa der Leipziger Arbeitskreis Homosexualität (LAH) als erster seiner Art.

Fortsetzung hier:
http://www.queerpride.de/25-jahre-mauer ... elle-16709

Also so völlig verborgen und unbekannt waren Homosexuelle scheinbar damals in der DDR nun auch nicht.
Interessierter
 

Re: Doku über Homosexualität in der DDR

Beitragvon Interessierter » 9. Juli 2018, 10:35

Lesben und Schwule in Ostberlin Sie waren die politische Avantgarde der DDR

Der 9. November 1989 ist eines der wichtigsten Daten der Schwulenbewegung der DDR. An diesem Abend fiel nicht nur die Berliner Mauer, sondern im Kino International auf der Karl Marx Allee fand auch die Premiere des ersten großen Schwulenfilms der Deutschen Demokratischen Republik statt. Es gab zwei Filmvorführungen und beide waren ausverkauft. „Coming Out“ hieß der Film. Regisseur war Heiner Carow, der auch bei Angela Merkels Lieblingsfilm „Die Legende von Paul und Paula“ Regie geführt hatte.

Carow hatte lange für seinen Spielfilm über die Liebe eines Schwulenpaares gekämpft. Er hatte Gutachten eingeholt und immer wieder lange Verhandlungsgespräche im Kulturministerium geführt. Dass der Film dann nicht nur gedreht, sondern auch gezeigt werden konnte, galt vielen als ein deutliches Zeichen, dass die DDR ein Tauwetter erlebte. In Wahrheit war er einer der gar nicht so vielen Anfänge vom Ende der DDR.

Aktiv in der Homosexuelleninitiative Berlin

Bereits am 15. Januar 1973 hatte sich in Ostberlin die Homosexuelleninitiative Berlin (HIB) gegründet. Im ganzen Ostblock gab es nichts Vergleichbares. Am Abend desselben Tages wurde im Ersten Rosa von Praunheims „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ ausgestrahlt. Ein Meilenstein in der Entwicklung der Schwulen- und Lesbenbewegung offenbar auf beiden Seiten der Mauer.

Die HIB trat nach außen wenig in Erscheinung, sie diente mehr der Selbstverständigung der Betroffenen. Im August 1973 wurde allerdings auf der Abschlusskundgebung der X. Weltfestspiele der Jugend und Studenten ein Transparent entrollt, auf dem stand: „Wir Homosexuelle der Hauptstadt begrüßen die Teilnehmer der X. Weltfestspiele und sind für den Sozialismus der DDR“.

Die Stasi war sofort zur Stelle und konfiszierte es. 1978 wurde die HIB, dieser erste Versuch einer Selbstorganisation von Lesben und Schwulen, vom SED-Staat verboten. Die Gründung der HIB war einer der wenigen Versuche gewesen, eine vom Staat unabhängige Organisation Betroffener auf die Beine zu stellen. So gesehen waren Schwule und Lesben auch politisch Avantgarde.

https://www.berliner-zeitung.de/berlin/ ... r-27991534
Interessierter
 

Re: Doku über Homosexualität in der DDR

Beitragvon Volker Zottmann » 9. Juli 2018, 12:02

In dem Punkt war die DDR bedeutend weiter als die alte Bundesrepublik.
Hier war der Schwulenparagraph 175 schon 1968 außer Kraft gesetzt worden.
Verfolgung deswegen gab es also offiziell nicht mehr.
In den Köpfen der Bevölkerung war jedoch keineswegs überall gleich Toleranz vorhanden.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: Doku über Homosexualität in der DDR

Beitragvon Interessierter » 10. Oktober 2018, 08:54

Lesben als "feindlich-oppositionelle" Personen

Bild
Foto aus Jochen Hicks Film "Out in Ost-Berlin": Lesbische Aktivistinnen auf einer "Friedenswerkstatt" Mitte der Achtzigerjahre (Bild: Galeria Alaska)

Die Leipziger Filmemacherin Barbara Wallbraun hat über 1.800 Stasi-Aktenseiten über die Bespitzelung lesbischer Frauen in der DDR ausgewertet.

Lesben bespitzelten andere Lesben


Wallbrauns Vermutung wurde nach Sichtung von rund 1.800 Aktenseiten in der Leipziger Außenstelle der Stasiunterlagenbehörde bestätigt: Lesben in DDR wurden als "feindlich-oppositionelle" Personen gezielt bespitzelt – und zwar in der Regel von anderen lesbischen Frauen.

Anhand zweier inoffizieller Mitarbeiterinnen (IM) der Stasi stellte sie in ihrem Vortrag anschaulich dar, wie das System der paranoiden Überwachung funktionierte und welche teils intimen Details über Personen weitergegeben wurden. Lesbische IM, so Barbara Wallbraun, waren für die Stasi ideal als Informantinnen, da sie nicht "eingeschleust" werden mussten.

Homosexualität als "Erfindung des Westens"

Als sich unter dem Dach der evangelischen Kirche im Jahr 1982 der erste "Arbeitskreis Homosexualität" in Leipzig gründete, sah die Staatssicherheit darin die Gefahr einer oppositionellen Gruppe. In den Augen der Stasi war Homosexualität eine "Erfindung des Westens", homosexuelle Zusammenschlüsse galten als politischer Missbrauch durch "feindlich-negative Kräfte". Das Grundbedürfnis homosexueller DDR-Bürger nach Liebe und Nähe wurde vom Staat aufgrund paranoider Begründungen und Angst vor Opposition verweigert.

Die inoffiziellen Mitarbeiterinnen haben dabei nicht nur von den Gesprächsrunden in der Kirche berichtet, sondern auch von "Privatpersonen im Arbeits- und Freizeitbereich". Aus heutiger Sicht kann man es sich kaum vorstellen, welche Energie die Stasi entwickelte, um die als "feindlich-oppositionell" eingestuften Personen bzw. Gruppierungen zu sabotieren und welche weitreichenden Konsequenzen die staatlich angeordneten Überwachungsmaßnahmen für die betroffenen Frauen hatten.

https://www.queer.de/detail.php?article_id=27571
Interessierter
 

Vorherige

Zurück zu Soziale Systeme

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 3 Gäste