Die Arbeiter- und Bauern-Fakultäten (ABF) in der DDRDie Einrichtung der Arbeiter- und Bauern-Fakultäten (ABF) in der DDR war ein pädagogisches und soziales Großexperiment, Teil einer Bildungsoffensive mit dem Ziel, zuvor benachteiligte Schichten zu erreichen. Doch waren die ABF wirklich Anstalten, die Mut machten, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, die gar einen kritischen Geist prägten und an denen es eher zuviel Demokratie als zuwenig gegeben hat, Einrichtungen lediglich zur sozial gerechten Gegenprivilegierung, die von den westlichen "Siegern" ungerecht beurteilt werden, wie heute verklärend behauptet wird?2
Vor fünfzig Jahren wurde die Sonder-ABF Halle II zur Vorbereitung auf das Auslandsstudium gegründet. Anhand exemplarischer Vorgänge wird im Folgenden die historische Entwicklung dieser Schule beleuchtet und den genannten Fragen nachgegangen. Dem liegen neben den Akten verschiedener Archive und Gesprächen mit Zeitzeugen auch persönliche Erfahrungen des Autors zugrunde.
Wer darf, wer soll? Der Klassencharakter des AuslandsstudiumsDas im Zuge der "antifaschistisch-demokratischen Schulreform" (1945-1949) auf Initiative von KPD und SPD 1946 erlassene "Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule" hatte die Zielstellung, jedem "ohne Rücksicht auf Herkunft, Stellung und Vermögen der Eltern" je nach Befähigung eine hohe Bildung zu gewährleisten.17 Dieses Gesetz war formal bis 1959 gültig. Doch schon bevor im August 1949 auf dem IV. Pädagogischen Kongress in Leipzig beschlossen wurde, das Sowjetsystem zu übernehmen, hatte die "Befähigung allein" ihre Schlüsselfunktion bei der Zulassung zu höheren Bildungsstätten verloren.
Damit war das Prinzip der gleichen Bildungschancen ausgehebelt. Nicht mehr nur die Förderung bildungsferner Schichten war jetzt das Ziel, an die Stelle des alten Bildungsprivilegs trat ein neues. Nicht-bürgerliche Herkunft, politische "Zuverlässigkeit" und Einordnung ins Kollektiv wurden nun Zulassungsbedingungen für die höheren und höchsten Bildungsstätten.Für die ABF II - Bewerber galten besondere Anforderungen an Herkunft, politische Einstellung und Leistung. Neben Arbeiter- und Bauernkindern von politisch "zuverlässigen" Eltern, die "fest zu unserer demokratischen Ordnung stehen", sollten in geringem Umfang auch Kinder anderer werktätiger Schichten (Intelligenz und Angestellte) in die Auswahl kommen, wenn die Eltern "als Patrioten bekannt" sind und "aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen" bzw., so hieß es ab 1958, bewährte Genossen sind und verantwortliche Funktionen in Staat und Wirtschaftsapparat innehaben. Der Lebenslauf hatte ausführlich auch die berufliche und gesellschaftliche Entwicklung der Eltern und Geschwister darzustellen, ab 1958 auch die politische Vergangenheit.
Interne Ablehnungsbegründungen konnten durchaus heißen: "Vater nur FDGB"19,20.Die Bewerber selbst mussten natürlich eine positive Einstellung zum Arbeiter- und Bauernstaat nachgewiesen haben, verteidigungsbereit und für den Frieden sein. 1958 war auch die Haltung zu den "Ereignissen im Herbst 1956" ein Kriterium. Waren zuvor diejenigen ausgeschlossen, deren Eltern im kapitalistischen Ausland wohnen oder arbeiten (außer KP-Mitgliedern), so hatte die Zulassungskommission jetzt alle Westverbindungen abzuklären.
Der vorliegende Text will anhand der ABF II beitragen zur "gerechten Beurteilung" der Frage, wie die SED-Bildungspolitik auf die "Selbstständigkeit" junger Studenten und ihrer Dozenten, ihre Fähigkeit, in den "Zeitfluss einzugreifen", einzuwirken versuchte. Weil die Gleichschaltung der Hirne misslang, gab es 1989 Kräfte, die die bisherigen Systemstützen entmachteten und eine Einsicht in ihr Herrschaftswissen ermöglichten, das jede Verklärung dieser Zeit Lüge straft. Wie viele aus der Funktionselite, die die ABF durchliefen, hielten aber der abgewirtschafteten Partei bis 5 Minuten nach 12 hilf- und fraglos die Treue?144 "Ich habe sehr viel damit zu tun, zu fragen, warum sind wir eigentlich nicht mutiger gewesen?", sagt heute eine ABF-Absolventin.145 Ein Teil der Antwort kann sie in den Dokumenten der politisch-ideologischen Erziehungssteuerung nachlesen. Wen der vollständige, extrem lange Beitrag interessiert, der findet ihn hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... -47/04704/