von Edelknabe » 27. September 2011, 05:06
Guten Morgen zusammen im Forum der qualifizierten Leserkultur und es folgt...Wer ist das Opfer von wem – der Geschichte 2. Teil
Der interessierte Leser findet den ersten Teil hier im Fred auf Seite 18/ 26.Sept.2011, 6.57Uhr
Wohin? In die Wäschekammer. Sie benötigte dafür noch einen zweiten Stuhl, falls sie mal Besuch bekäme, und an den Fenstern Vorhänge, sonst könne ja jeder sehen, wie sie sich aus – und anziehe. Auch eine Decke auf dem Tisch wäre nicht schlecht. Und wenn wir eines Tages vielleicht einen Fernseher….
Das Kind? Ach, du grüne Neune, das gebe sie dann wieder weg wie die beiden anderen. Da sollte ich mir mal keine grauen Haare wachsen lassen. In dem Zustand sei sie mit zweihundert Mark im Monat zufrieden und Kost und Schlafen. Oder? Hinterher könne man dann weitersehen. Mein Haushalt glänzte. Monika ging in alle Ecken und sang dabei Let it be, Let it bihi. Meine Schwiegermutter sagte, dieses Mädchen habe mir der Himmel geschickt, es würde mir alles abnehmen und ich könnte mir endlich meinen Herzenswunsch erfüllen und mich wieder auf die Hörbank setzen. Meine Schwiegermutter zitierte in diesem Zusammenhang sogar die Bibel, es hätten schon etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt. Freilich fielen solche Äußerungen lediglich in den ersten Wochen nach Monikas Erscheinen. Später kam das Wort Engel nur noch in Zusammenhang mit Geduld vor.
Ich bewundere deine Engelsgeduld mit diesem Frauenzimmer. Meine Schwiegermutter fand keine Worte für so ein Biest. Es dauerte auch nicht lange, da verließ nicht etwa Monika, sondern meine Schwiegermutter das Haus.
Solange Monika in anderen Umständen war, gestanden wir ihr Alüren zu. Monika aß keine Suppen, keine Kartoffeln, keinen Pudding, kein Gemüse. Monika aß hauptsächlich Fleisch und Wurst. Eben weil sie das in Heimen wenig bekommen hatte, erklärte Karl – Georg den Kindern die alles zu essen hatten, was auf den Tisch kam; und setzte hinzu, die Kinder wüssten ja gar nicht, wie gut sie es hätten.
Monika aß aber auch kein Obst, keinen Salat. Ihr Kind braucht Vitamine, gab meine Schwiegermutter zu bedenken, aber Monika meinte, sie sei schließlich kein Rindvieh, die Oma könne das Grünzeug essen, solange sie lustig sei.
Monika brennt beim Zigarettenausdrücken Löcher in Tisch – und Schreibtischplatten, und immer reißt sie alle Türen auf, den sie kann nicht so eingesperrt sein, das macht sie wahnsinnig. Monika schläft so fest, das kein Wecker sie zu wecken vermag. Aber bloß, wenn sie schwanger ist, beteuert sie. Sie habe sich da ein prima Patent ausgedacht. Der Wecker ( der lauteste, den ich hatte auftreiben können) kommt auf den Hals einer Flasche zu stehen, die Flasche auf ein Kuchenblech, und wenn es klingelt, fällt der Wecker auf das Blech, ohne kaputtzugehen .Monika schläft weiter. So glücklich ist sie, endlich ein eigenes Bett zu haben, sagt Karl- Georg zu den Kindern. Ach, ihr müsst ja von morgens bis abends Gott auf Knien danken, so gut habt ihr es.
Monika kann sogar kochen. Gelernt hat sie das in dem vorletzten Heim. Es hieß Haus zur Allergnädigsten Hilfe Mariä und war eigentlich das beste aller Heime gewesen. Dahin hatte man sie mit der Geschichte mit Tommy gebracht, weil sie seelisch zu verwahrlosen drohte. Eine Schwester war da, so richtig nach Monikas Geschmack . Die redete nicht immer so geschwollen daher. Kein einziges Mal hat sie: Was machen wir jetzt mit dir gesagt. Der konnte man aber auch alles sagen, ohne dass sie gleich in Ohnmacht fiel.
Auch die Geschichte mit Tommy. Aus dem Heim davor, da war Monika ja ausgerissen. Das hatte kein Mensch aushalten können, den ganzen Tag eine einzige Zigarette und so gut wie kein Taschengeld. Gefängnis ist nichts dagegen. Da ist sie mit noch einer anderen aus dem Fenster im ersten Stock gesprungen – wie im Krimi-, mit einer, die sie eigentlich gar nicht leiden konnte, weil die immer geschminkt bis dorthinaus gewesen war.
Aber der Freund von der hatte von draußen alles vorbereitet. Auf Matratzen sind sie gesprungen und haben einen guten Schutzengel gehabt, das sie nichts abgekriegt haben. Direkt schade, das sie da nicht schwanger gewesen ist, das wäre dabei garantiert hops gegangen.
Mit den Matratzen sind sie dann in einen Lagerschuppen gezogen, und dafür, dass der Freund Monika mit rausgeholt hat, wollte er natürlich was haben, und dann sind noch mehr Jungs gekommen, einer musste immer Schmiere stehen. Männer sind ja alle Tiere und wollen alle dasselbe, Monika hat noch nie was davon gehabt, und von ihr aus können ihr die Herren der Schöpfung, wie man so sagt, im Mondschein begegnen. Falls sie mal heiratet, und heiraten tut sie, klar, dann nur einen, der sie in Gottes Namen auch mal zum Schlafen kommen lässt. Aber der muss erst noch geboren werden.
Am schlimmsten war, dass die anderen Jungs immer zusehn wollten, also Monika denkt, sie steht im Wald, das ist ja nun das wohl das letzte. Bloß einer war dabei, der hat sie wirklich geliebt. Er hieß Tommy und war genau ihr Typ, groß und mit schwarzen Locken, der hat sie dann auch zu seinem Bruder mitgenommen, der ein Stukkateurgeschäft hatte, aber geheiratet hat sie auch keinen von beiden, und da ist sie dann einfach zurück ins Heim, wie ihr das zu bunt wurde, und die haben sie gar nicht erst behalten und ins Heim Zur Allergnädigsten Hilfe Mariä gebracht, und was die Schwester gewesen ist, die ist richtig dufte gewesen und hat das alles nicht so tragisch genommen und sich nicht so angestellt wie die Schwester in dem Heim davor, die hatte vielleicht Nerven und hat gesagt, Monika soll mal nicht den Mut verlieren und sich auf ihr Kindchen freuen.
Nicht das ich in Ohnmacht viel. I wo. Die Zeiten, wo unsereins von Unterhosen als von Unaussprechlichen sprach, sind gottlob vorbei. So ein armes Ding ist doch nur das Opfer unserer Gesellschaft, und das Herz dreht sich einem im Leibe um. Ich versprach Monika, ihr die Pille zu besorgen, wenn sie ihren Bauch erst mal los ist. Ich dachte, Monika würde mich nun dufte finden. Aber wo denke ich hin. Pillen nimmt Monika zum Verrecken nicht. Da weiß man nie. Sie hatte mal eine Freundin, die hat von Pillennehmen Zwillinge gekriegt.
Monika tut vieles nicht. Zum Beispiel zum Zahnarzt gehen. Lieber kriegt sie noch mal drei Kinder. Die Zahnlöcher stopft sie mit Kaugummi zu, und früher, da hat sie einen Zwirnsfaden um den kranken Zahn gebunden, den Zwirnsfaden an die Türklinge, und ihre Freundin hat die Tür aufgerissen, zack, der Zahn war raus.
Die Kinder hängen an Monikas Lippen. Monika spricht von ersten, zweiten und dritten Kindesvätern. Wenn sie etwas sucht, betet sie zum heiligen Antonius, und wie gerufen findet sich daraufhin das Gesuchte. Ehe sie einkaufen geht, sagt sie: Na den bis neulich. Karlemanns ausgefallene Zähne wirft sie mit geschlossenen Augen hinter sich über die Schulter, damit Karlemann neue Zähne wachsen, die besser beißen, und tatsächlich kann er bald die scharfen Spitzen der neuen Zähne mit der Zunge fühlen.
Das Schönste aber ist: Monika hat ihre Leiche verkauft, ob ihr das nun glaubt oder nicht. Ihr könnt eure auch verkaufen .Warum verkauft ihr eure Leiche nicht? Monika trägt die Bestätigung, dass sie ihre Leiche der Universität vermachte, immer bei sich. Man weiß ja nie. Eine Freundin hat ihr erzählt, man bekäme tausend Mark für seine Leiche. Die tausend Mark bekam Monika leider nicht, wohl aber die Zusicherung, dass das Anatomische Institut der Universität die Überführungs- und Bestattungskosten übernimmt sowie auch die Anfertigungskosten für ihre Grabplatte und die Grabpflege für zwei Jahre. Das ist doch auch was wert, wenn man sich darum nicht kümmern braucht. Der Zusicherung beigefügt ist der Brief eines berühmten Professors, der Monikas idealistische, selbstlose Einstellung lobt, mit der sie der Forschung einen wertvollen Dienst erweist.
Monika sagt ungestraft Wörter wie Scheiße und Arsch. Kalinschen dachte zuerst, Arsch sei das katholische Wort für Pode. Meine Schwiegermutter sagt, Monika habe ja einen herrlichen Ton am Leib und wir würden schon sehen, was die Kinder da für Schaden nähmen an ihrer Seele. Das sei nie im Leben wieder gut zu machen. Karl- Georg sagt, das seien eben Wörter aus Heimen. Karlemann sagte, am Bauch habe Monika eine Narbe, die stamme aus einem Fernlaster, der fürs Mitnehmen gewollt war, aber Monika habe nicht gewollt. Mit der Narbe kann Monika Wellen machen und ein bisschen Bauchreden, auch mit den Ohren wackeln kann sie und kann dreist mit Lockenwicklern zu Tisch erscheinen. Monika versetzt uns permanent in Verlegenheit. Unser mit allen Kinkerlitzchen ausgepolstertes Dasein. Monika kriegte ihr Kind in der Wäschekammer, weil sie die Wehen verschlief. Noch zwei Presswehen und zack, das Kind war da. Es war ein Junge. Er war 52 Zentimeter lang und hatte schwarze Locken. Dann ist bestimmt Tommy der Vater, sagte Karlemann.
Rainer-Maria und allen einen guten Tag ins Forum