Probleme mit Struktur: Rechtsextremismus in der PolizeiBerlin. Rechtsextreme Chatgruppen, gestohlene Munition und Vorwürfe rassistischer Kontrollen: Beunruhigende Berichte über Vorgänge in deutschen Polizeibehörden häufen sich in den vergangenen Jahren. Ob Rechtsextremismus und Rassismus in der Polizei tatsächlich weiter verbreitet sind als in der Gesamtgesellschaft, ist bislang jedoch kaum erforscht.
Auch eine im vergangenen Jahr zunächst angekündigte „Rassismus-Studie“ in der Polizei soll es nicht geben. Polizeigewerkschaften machten dagegen mobil, auch Bundesinnenminister Horst Seehofer stellte sich gegen das Vorhaben.
„Feste Strukturen in der Polizei“Nun setzt sich ein neues Buch des Leipziger Journalisten Aiko Kempen mit Rechtsextremismus und Rassismus in der deutschen Polizei auseinander. „Auf dem rechten Weg?“, das am Montag im Europa-Verlag erscheint, geht besonders der Frage nach, ob es ein strukturelles Problem in den Behörden gibt.
Für Kempen ist die Antwort darauf ein klares Ja. „Es gibt in der Polizei sehr feste Strukturen, Traditionen und Denkweisen, die über Generationen weitergegeben und wenig hinterfragt werden“, sagt er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Polizei müsse ihre Rolle grundsätzlich hinterfragen.Blaue Mauer des SchweigensIn seinem Buch beschreibt Kempen eine „blaue Mauer des Schweigens“ innerhalb der Polizeibehörden. Viele Polizisten verstünden sich als Familie und „Schicksalsgemeinschaft“, in der es verpönt sei, selbst strafbares Fehlverhalten von Kollegen zu melden.„Unter Polizisten, die sich in ihrer Organisation unwohl fühlen, gibt es eine große Angst, darüber zu reden“, sagt Kempen. Für seine Recherchen sprach er neben Forschern auch mit Polizisten – die im Buch teilweise anonym bleiben. Interviews seien nur mit großen Vorsichtsmaßnahmen möglich gewesen.
„Ich hatte einen Termin in Berlin, bei dem die Polizisten sagten, sie fühlten sich wie in einem Agentenfilm“, erzählt der Autor. Die Interviews für einen Fernsehbeitrag seien anschließend von Statisten nachgestellt worden. Dabei hätten die Beamten selbst gegen keine Vorschriften verstoßen, sondern den Reportern von rassistischen Chatnachrichten ihrer Kollegen berichtet.
Kempens Buch lässt Kriminologen und Polizei-Ausbilder zu Wort kommen, blickt hinter die Kulissen des oft schweigsamen Polizeiapparats und gibt einen erschreckenden Überblick über große Skandale und weniger beachtete Fälle von Rassismus und Rechtsextremismus in der deutschen Polizei aus den vergangenen drei Jahrzehnten.
Die Fälle häufen sichDass die Berichte über solche Fälle sich in den letzten Jahren häufen, hat seiner Einschätzung nach mehrere Gründe. Ein allgemeiner Rechtsruck zeige sich auch in der Polizei, erklärt er, „wie manche Experten sagen, sogar in einem Brennglas“. Denn in der Polizei finde sich vor allem eine Klientel, die an dieser gesellschaftlichen Entwicklung vorrangig beteiligt sei: „Gewisse Altersgruppen, eine gewisse Art von Männlichkeit, und eine gewisse Anfälligkeit für Dominanzkultur.“
Auf der anderen Seite gebe es in Teilen der Gesellschaft mittlerweile eine größere Sensibilität für solche Themen, die auch dazu führe, dass mehr über möglicherweise rassistisches Verhalten von Polizisten berichtet wird.
In der Polizei müsse ein Klima geschaffen werden, „in dem Widerspruch möglich ist, ohne dass man sich vor Konsequenzen fürchtet“, sagt Aiko Kempen. Zumindest bei einem Teil der Polizeibehörden gebe es bereits eine wachsende Offenheit für eine kritische Auseinandersetzung.
„Ein positives Beispiel bei einigen Aspekten ist die Polizei Sachsen, die schon vor zwei Jahren mit einem Modellprojekt angefangen hat, um die Zusammenarbeit mit Pressevertretern zu verbessern.“ In Thüringen und Bremen sollten außerdem Beschwerdestellen nach dänischem Vorbild aufgebaut werden, an die sich Bürger wenden können.
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