Bürgerrechtler Roland Jahn vor der Thüringen-Wahl „Das ist die Verhöhnung der Opfer der SED-Diktatur“Der Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde kritisiert die AfD-Selbstinszenierung als Vertreterin der Ostdeutschen. Jahn erlebte selbst Schlimmes in der DDR.
1983 begründete Jahn die Jenaer Friedensgemeinschaft mit„Was ich deutlich zurückweise, ist, wenn die Verhältnisse in der DDR und mit denen von heute gleichgesetzt werden. Wenn behauptet wird, man hätte heute keine Meinungsfreiheit. Wenn behauptet wird, dass die Willkür des Staates heute so groß wäre wie damals. Das ist eine Verhöhnung der Opfer der SED-Diktatur.“ Jetzt vor der Wahl in Thüringen ist ihm die Meinungsfreiheit nochmal ein besonderes Anliegen.Auf die beruft sich heute die AfD und behauptet, sie würde nicht gelten. Im Wahlkampf in Thüringen, wie schon in Sachsen und Brandenburg, inszeniert sie sich als einzige Vertretung der Ostdeutschen. Zumal in Tradition der friedlichen Revolution von 1989. „Der Osten steht auf – Vollende die Wende!“, „Werde Bürgerrechtler!“ und „Wir sind das Volk!“ sind nur einige Plakatsprüche der Populisten. Als hätte die friedliche Revolution nicht stattgefunden. Als gäbe es einen Staat, der abgeschafft gehört. Die führenden Kräfte der AfD, auch Spitzenkandidat Björn Höcke, kommen aus dem Westen, haben die Diktaturerfahrung nicht gemacht.
Demokratie muss solche Meinungen aushalten, sagt Jahn. Dafür sind sie 1989 und all die Jahre davor auf die Straße gegangen. „Auch das gehört zur Freiheit dazu.
Auch wenn ich das durchaus als Missbrauch ansehe.“Und weiter: „Schon die Existenz der AfD, ihre öffentlichen Auftritte, machen klar, dass die Verhältnisse heute absolut andere sind.“ Weil auch die Feinde der Demokratie ihre Meinung äußerten und Parteien gründen dürften. „Das ist die große Herausforderung, die der Staat hat, dort auch die Grenzen von Meinungsfreiheit zu ziehen. Die Grenzen zu ziehen für eine Partei. Die Äußerungen, die die Würde des Menschen verletzen, zu reglementieren“, sagt er. „Da sehe ich zum Teil Vollzugsdefizite. Auf der anderen Seite wünsche ich mir, dass niemand in dieser Gesellschaft ausgegrenzt wird, der demokratische Rechte wahrnehmen will.“
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