von Nostalgiker » 7. November 2019, 07:22
"Hass gegen Rechts"
Warum eine Bestrafung von AfD-Wählern nicht der richtige Weg ist
Der Journalist und Poptheoretiker Jens Balzer hat im Radio zum Hass gegen Rechts aufgerufen: „Wir müssen wieder hassen lernen – und zwar richtig.“ Dieser korrekte Hass sei „kein Affekt, kein bloßes Feindschaftsgefühl und kein Zerstörungswunsch“, sondern „leidenschaftliche Gegenwehr“ und „kompromisslose Entschiedenheit“.
Das Image herkömmlichen Hasses ist ja echt nicht so dolle. Er gilt als hässlich, und wird angeblich von den Bösen gezüchtet. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass der Hass sich für die Ritter des Lichts von gefletschten Zähnen, gebrochenen Nasen und langen Messern bereinigen lässt. Leider neigt er stets dazu, bestimmte Menschen an Leib und Seele zu schädigen oder es zumindest inbrünstig zu wollen. Ohne Zerstörungswunsch bleibt Hass ein poptheoretisches Konstrukt, so wie richtiger Döner ohne Fleisch, Salat und Soße.
Hass lässt sich schlecht dosieren
Man kann Leute umbringen, ohne sie zu hassen, aus Spaß oder Pragmatismus. 1914 sangen Deutsche und Briten schützengräbenübergreifend Weihnachtslieder. Andersherum lechzt der Hass, wie die Liebe, nach Erfüllung. Hassende tun anderen nur dann nicht weh, wenn Sanktionen, Impulskontrolle oder handwerklich-logistische Umstände sie daran hindern. Hass ist wie Dauerregen im Ostseeurlaub: unschön, aber da. Wer die Rose ehrt, ehrt auch den Dorn. Es empfiehlt sich, sozialverträglich damit umzugehen. Auch ich habe schon Personen allerlei Elend gewünscht, aber tunlichst darauf verzichtet, dies kundzutun oder gar selbst entsprechend proaktiv zu werden. Mir erscheint es wenig zielführend, Leute zum Hass anzuspornen, zumal als Journalist und erst recht mit den Worten „wir“ und „müssen“ – außer man plant einen Krieg.
Hass lässt sich schlecht dosieren. Man kriegt da den Affekt nicht raus. Beim Studium hatten wir Mitte der 1980er in Leipzig eine Vorlesung bei Dr. Braun. Als Beispiel für imperialistische Propaganda führte er eine Szene aus „Rambo II“ vor, worin der Protagonist eifrig Sowjetsoldaten umnietet. Mitten im Metzeln schluchzte der Dozent, ein kleiner Mann mit Nickelbrille: „Da müsste man doch mit der Maschinenpistole reinhalten.“ Er meinte die Filmschöpfer. Sylvester Stallone. Hass auf den Klassenfeind gehörte damals durchaus zu den Studienzielen. Doch Dr. Brauns Tränen verstörten uns mehr als Rambos Bodycount.
Hasnain Kazim: Wie Falschwähler zu bestrafen sind, lässt er offen
Ähnlichen Charme versprüht jetzt Spiegel-Korrespondent Hasnain Kazim. Er regt sein Twitter-Gefolge an, alle AfD-Wähler „zu ächten, sie klein zu halten, ihnen das Leben schwer zu machen, sie dafür, dass sie Neonazis und Rassisten den Weg zur Macht ebenen wollen, zur Verantwortung zu ziehen“. Wie Falschwähler en détail zu bestrafen sind, lässt Kazim einstweilen offen.
Etwas sagt mir, dass er sie nicht zu einem Debattierzirkel ins Café Kranzler einbestellen will. Egal, was soll’s: Als Delinquenten kann mich das unmöglich meinen, und als Vollstrecker fühle ich mich nicht angesprochen. Solch kompromisslose Entschiedenheit gegenüber unbefriedigend abstimmenden Mitbürgern fühlt sich nämlich nicht viel richtiger an als der Billighass vom Grabbeltisch. Doch vielleicht bin ich nur zu hasenherzig, und es erquickt die Gesellschaft gerade im Jubiläums-Eiapopeia rund um den friedlichen Mauerfall, wenn sie sich abwechslungshalber mal gegenseitig die Schädel einschlägt.
Kolumne von André Mielke aus der 'Berliner Zeitung' vom 07.November 2019
Ich nehme zur Kenntnis, das ich einer Generation angehöre, deren Hoffnungen zusammengebrochen sind.
Aber damit sind diese Hoffnungen nicht erledigt. Stefan Hermlin
Freiheit ist nur ein anderes Wort dafür, dass man nichts zu verlieren hat. Janis Joplin
Psychologen haben herausgefunden, dass Menschen, die immer bei anderen auf die Rechtschreibfehler hinweisen, eine Persönlichkeitsstörung haben und unzufrieden mit ihrem Leben sind. Netzfund