Der gravierende Unterschied zwischen konservativ und rechtsradikalBei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg wurde die AfD jeweils zweitstärkste Kraft. Jetzt schielt die rechtsradikale Partei auf eine Regierungsbeteiligung, vor allem in Sachsen. In einem Interview am Wahlabend greift AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel nicht zum ersten Mal in die rhetorische Trickkiste und gibt alles, um die AfD als etwas darzustellen, was sie nicht ist: eine bürgerlich-konservative Partei. „Vor allen Dingen für Sachsen gilt nun, dass 60% der Wähler konservativ gewählt haben. Und da wird sich die CDU fragen müssen, ob sie diese Blockadehaltung doch beibehalten möchte,“ so Weidel freudestrahlend am Wahlabend im Interview mit dem Sender Phoenix. Die AfD ist „konservativ“?Tatsächlich haben 32,1 Prozent der Sächs*innen für die CDU abgestimmt, 27,5 Prozent für die AfD. Weidel addiert die Zahlen und sieht ihre eigene Partei als Teil einer angeblich „konservativen“ Mehrheit. Im nächsten Schritt setzt sie die CDU unter Druck. Beide Parteien sind schließlich angeblich konservativ, haben also die gleichen Wähler*innen, mit den gleichen Interessen.
Wie ein Mantra wiederholt Weidel die Legende von der AfD als „konservative Partei“: „Man wird mit uns reden müssen, als konservative Kraft.“ Die AfD als ganz normale Partei, konservativ, aber trotzdem Teil des demokratischen Spektrums, praktisch auf einer Stufe mit der – sonst so verhassten – CDU.
Was Alice Weidel ignoriert, ist der klaffende Unterschied zwischen konservativ und rechtsradikal. Gerade die Landesverbände in Sachsen, Brandenburg und Thüringen – auch dort steht in diesem Jahr noch eine Wahl an – werden vom „Flügel“ der Partei dominiert. Diese innerparteiliche Gruppierung wird vom Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ beobachtet. Der Journalist und ehemalige Chefradakteur des Focus, Ulrich Reitz, hat sehr genau analysiert, was den Unterschied zwischen konservativen Positionen und denen der AfD ausmacht: „Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen konservativ und rechtsradikal. Und der besteht in dem Verständnis über das Deutschsein.
Ein Konservativer wird ein Patriot sein, ein Nationalist indes kann er nicht sein.“ Immer wieder machen Vertreter*innen der AfD klar: Migrant*innen, Menschen mit Wurzeln in einem anderen Land können keine Deutschen sein. Völkischer Nationalismus also, wie der Verfassungsschutz in seinem Gutachten feststellt. Dabei geht es immer um das „Volk“, eine angeblich „reine“, weil geschlossene Gemeinschaft, die – folgt man diesem Narrativ – durch Einwanderung gefährdet wird. Jörg Urban, Spitzenkandidat der AfD in Sachsen und Teil des „Flügels“ formuliert das so: „Ein Volk kann nur die eigene Einigkeit und Freiheit bewahren, wenn es weitgehend homogen bleibt.“
Anders formuliert es der AfD-Bundestagsabgeordnete Marc Jongen: „Der Pass allein macht noch keinen Deutschen.“ Sein Fraktionskollege Stephan Protschka kommentiert einen ZDF-Beitrag, in dem ein schwarzer Tatverdächtiger als Deutscher bezeichnet wird per Twitter mit den Worten: „Es war ein Kenianer, ein #Passbeschenkter, aber kein Deutscher […]“. Oder Alexander Gauland, der im Spiegel sagt; „Eine deutsche oder eine englische Fußballnationalmannschaft sind schon lange nicht mehr Deutsch oder Englisch im klassischen Sinn.“Konservativ ist die Partei also nicht, aber warum besteht Alice Weidel mit so viel Nachdruck darauf? Eine Erklärung liefert der Soziologe Heinz Bude im Deutschlandfunk: Die Partei beschwöre eine „kulturelle Kampfsituation, wo auf der einen Seite Bürgerlich-Konservative stehen und auf der anderen Seite chaotische Nicht-Bürgerliche.“
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