Wir haben eine AfD-Aussteigerin gefragt, wie wir die AfD bekämpfen können"Wenn die Leute mir sagen, ihr Problem seien die Flüchtlinge, frage ich immer: Was hattest du denn für Probleme vor 2015?"Wäre am Sonntag Bundestagswahl gewesen, die AfD wäre zweitstärkste Kraft geworden. Noch vor der SPD. Das ergeben zumindest die Zahlen des ARD-Deutschlandtrends vom Freitag. 18 Prozent hätte die rechtspopulistische Partei danach bekommen. 18 Prozent!
Das Ergebnis macht ratlos.
Vor allem nach Chemnitz. Wie konnte das passieren? Was können wir tun?
Jenny Günther, 33, war ein Jahr lang stellvertretende Vorsitzende der Jungen Alternative Brandenburg und AfD-Mitglied. Dann ist sie ausgetreten. Günther kann erklären, warum Menschen sich der AfD anschließen, schließlich hat sie es selbst einmal getan. Wir haben sie gefragt, woher die AfD ihren Zulauf bekommt – und was passieren müsste, um den Rechtsruck zu stoppen.
VICE: Jenny, was ist die größte Schwäche der AfD?Jenny Günther: Sie hat inhaltlich keine Kompetenz. Immer, wenn über die AfD gesprochen wird, wird über Flüchtlinge gesprochen. Aber wenn man mal nach anderen Themen fragt, dann wird es plötzlich super schwammig.
Was hast du dir von der AfD erhofft?Bei der AfD, so haben sie mir das verkauft, könne jedes Mitglied sich wirklich einbringen. Jede Meinung zähle etwas. Die einfachen Mitglieder könnten sogar das Programm mitschreiben. Als ich dann aber AfD-Mitglied war, habe ich gemerkt: Die Stimmung ist sehr aggressiv. Wer eine abweichende Meinung vertreten hat, wurde sofort angegangen. Und zwar nicht auf der argumentativen Ebene, sondern immer persönlich.
Warum schreckt der Hass nicht mehr Menschen ab?Schwer zu sagen. Ich selber bin jetzt kein Mensch, der groß Hass empfindet. Der Hass auf alles Fremde, der war für mich immer unbegreiflich.
Ich glaube aber, gerade diese Explosionen des Hasses, wie wir sie in Chemnitz gesehen haben, sind auch eine Chance, um zu sehen, was dahinter steht. Ich habe mir einige Videos aus Chemnitz angesehen. Und neben den Jagdszenen – denn das waren definitiv Jagdszenen – gab es auch einige Videos, in denen klar geworden ist, was viele von den Menschen antreibt, und dass das nicht die Flüchtlinge sind.Würdest du auch über die Frage diskutieren, ob Flüchtlinge nun kriminell sind?Bloß nicht! Da machen die Leute sofort zu. Das wirkt total belehrend, darüber kriegt man niemanden. Wenn die Leute mir sagen, ihr Problem seien die Flüchtlinge, dann frage ich immer: Was hattest du denn für Probleme vor 2015? Denn die Unzufriedenheit ist ja bei den meisten nicht plötzlich aufgetaucht. Und wenn sie dann sagen: "Mein einziges Problem sind die Neubürger", dann kann man das Gespräch auch beenden, dann redet man mit einem Rassisten, der nicht zu überzeugen ist.
Was hat dich am Ende davon überzeugt, aus der AfD auszutreten?Es gab nicht den einen Moment, der alles verändert hat. Das war mehr so ein Prozess. Ich habe Stückchen für Stückchen mitgekriegt, was das eigentlich für ein Haufen ist. Den Ausschlag hat eine Szene auf einer Höcke-Veranstaltung gegeben. Ein Mann aus dem Publikum hat Höcke ausgebuht – und wurde daraufhin von einer Zuschauerin geschlagen. Kurz darauf bin ich ausgetreten.
Das vollständige Interview hier:
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