von augenzeuge » 17. Februar 2019, 22:35
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Dann gibt es einen vierten Punkt: die wirtschaftliche Kooperation. Darüber gibt es Beispiel Nord Stream 2 jetzt eine Vielzahl von Diskussionen. Ich verstehe Petro Poroschenko, der hier sitzt und sagt: Die Ukraine ist Transitland für russisches Erdgas und möchte es bleiben. – Ich habe ihm immer und immer wieder versichert, dafür jede Unterstützung zu geben und die Verhandlungen dafür zu führen, und das werden wir Wahlkampf hin oder her auch weiterhin tun.
Zweitens. Ein russisches Gasmolekül bleibt ein russisches Gasmolekül – egal, ob es über die Ukraine kommt oder ob es über die Ostsee kommt. Das heißt, die Frage, wie abhängig wir von russischem Gas sind, kann durch die Frage, durch welche Pipeline es fließt, nicht geklärt werden. Auch da sage ich: Ich bin bereit. Niemand will einseitig und völlig einseitig von Russland abhängig werden. Aber wenn wir im Kalten Krieg russisches Gas bekommen haben als ich noch auf der DDR-Seite saß und sowieso russisches Gas bekommen haben, aber als auch die alte Bundesrepublik in hohem Umfang russisches Gas eingeführt hat , dann weiß ich nicht, warum die Zeiten heute so viel schlechter sein sollen, dass wir nicht sagen: Russland bleibt ein Partner.
Ich sage einmal, auch wieder das ist ja gar nicht einfach in Anwesenheit von aus meiner Perspektive Poroschenko auf der linken Seite und dem chinesischen Vertreter auf der rechten Seite: Wollen wir Russland nur noch in die Abhängigkeit oder in die Abnahme von China bringen? Ist das unser europäisches Interesse? – Das finde ich auch nicht. Wir wollen auch ein bisschen an den Handelsbeziehungen teilhaben. Also, glaube ich, müssen wir darüber offen reden.
Wir haben uns jetzt strategisch entschieden, obwohl es eine sehr große LNG-Kapazität in Europa gibt wir haben im Grunde viel mehr LNG-Terminals, als wir LNG-Gas haben , angesichts der prognostizierten Verstärkung des Gasverbrauchs, aber auch der LNG-Produktion gerade aus den Vereinigten Staaten von Amerika als Deutschland auch weiterhin auf LNG zu setzen. Da wir aus der Kernenergie und aus der Braunkohle und der Steinkohle aussteigen, wird Deutschland in den nächsten Jahren ein sehr sicherer Absatzmarkt sein egal, für wen , was Erdgas anbelangt.
Dann haben wir das Thema Iran, das uns natürlich im Augenblick spaltet. Wir müssen immer aufpassen, was diese Spaltung angeht, die mich sehr bedrückt. Ich habe mich in einer Rede in der Knesset dazu verpflichtet, dass das Existenzrecht Israels zur Staatsräson Deutschlands gehört, und das meine ich auch so, wie ich es gesagt habe. Ich sehe das ballistische Raketenprogramm, ich sehe den Iran im Jemen, und ich sehe vor allen Dingen den Iran in Syrien. Die einzige Frage, die in dieser Frage zwischen uns, den Vereinigten Staaten und den Europäern, steht, ist: Helfen wir unserer gemeinsamen Sache, unserem gemeinsamen Ziel, nämlich die schädlichen oder schwierigen Wirkungen des Iran einzudämmen, indem wir das einzige noch bestehende Abkommen auch kündigen, oder helfen wir der Sache mehr, indem wir den kleinen Anker, den wir haben, halten, um dadurch vielleicht auf anderen Gebieten auch Druck zu machen? – Das ist die taktische Frage, über die wir streiten. Aber die Ziele sind natürlich die gleichen.
Aber dann sage ich einmal auch, weil ich ja auch jeden Tag kritisiert werden: Ist es denn vonseiten der Amerikaner nun gut, jetzt sofort und schnell aus Syrien abzuziehen, oder ist das nicht auch wieder eine Stärkung der Möglichkeiten des Iran und Russlands, dort Einfluss zu nehmen? – Auch darüber müssen wir sprechen. Das sind die Dinge, die auf dem Tisch liegen und die wir auch miteinander bereden müssen.
Genauso ist es natürlich mit der Frage, wie es mit den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China, den Vereinigten Staaten und Europa weitergeht. Das ist ein Riesenproblem. Wir erleben: China ist ein aufsteigendes Land. Wenn ich nach China fahre, sagen mir die chinesischen Vertreter: Wir waren 1700 Jahre von den 2000 Jahren seit Christi Geburt die führende Wirtschaftsnation. Regt euch nicht auf! Es passiert weiter gar nichts als dass wir wieder dahin kommen, wo wir immer waren. Ihr habt das in den letzten 300 Jahren nur nicht erlebt. – Wir sagen: In den letzten 300 Jahren waren wir aber die Führenden, erst die Europäer, dann die Vereinigten Staaten von Amerika und dann wir zusammen.
Nun müssen wir halt mit dieser Situation umgehen und müssen vernünftige Lösungen finden, damit daraus jetzt nicht ein uns gegenseitig schwächender Kampf wird. Da sage ich ganz offen: Ich unterstütze alle Bemühungen der Fairness und des Handels. Ich nenne das immer Reziprozität. Darüber müssen wir reden. Aber wir sollten es im Sinne der Partnerschaft und der Tatsache tun, dass wir noch so viele andere Probleme auf der Welt zu lösen haben, dass es hilfreich wäre, wir könnten uns verständigen. Ich setze ja in die Verhandlungen, die jetzt im Handelsbereich mit den Vereinigten Staaten von Amerika geführt werden, große Hoffnungen.
Ich sage ganz offen: Wenn es uns mit der transatlantischen Partnerschaft ernst ist, dann ist es für mich als deutsche Bundeskanzlerin zumindest nicht ganz einfach, jetzt zu lesen, dass offensichtlich ich habe es noch nicht schriftlich vor Augen gehabt das amerikanische Handelsministerium sagt, europäische Autos seien eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika. Schauen Sie: Wir sind stolz auf unsere Autos, und das dürfen wir ja auch sein. Diese Autos werden in den Vereinigten Staaten von Amerika gebaut. In South Carolina ist das größte BMW-Werk – nicht in Bayern, in South Carolina! South Carolina liefert wiederum nach China. Wenn diese Autos, die ja dadurch, dass sie in South Carolina gebaut werden, doch nicht weniger bedrohlich werden als dadurch, dass sie in Bayern gebaut werden, plötzlich eine Bedrohung der nationalen Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika sind, dann erschreckt uns das. Dann sage ich einfach nur: Ich glaube, es wäre gut, wenn wir in ordentliche Gespräche miteinander kommen würden. Immer, wenn einer etwas vorzubringen hat, muss man darüber reden das ist auf der Welt so , und dann werden wir auch Lösungen finden.
Meine Damen und Herren, all diese Fragen, die ja puzzleartig auf uns zukommen und die ich ja hier auch gar nicht alle nennen kann, sind letztlich Ausdruck einer Grundfrage. Weil wir merken, wie groß der Druck auf unsere klassische, für uns gewohnte Ordnung ist, ist jetzt die Frage: Fallen wir in lauter Puzzlesteine auseinander und denken, jeder kann das Problem für sich alleine am allerbesten lösen?
Dazu kann man als deutsche Bundeskanzlerin nur sagen: Da sind die Chancen für uns schlecht. Denn die Vereinigten Staaten von Amerika sind wirtschaftlich so viel machvoller, der Dollar als Währung ist so viel machtvoller, dass ich nur sagen kann: Na klar, dann sind da die besseren Karten.
China ist mit 1,3 Milliarden Einwohnern so viel größer. Wir werden noch so fleißig, noch so toll, noch so super sein können mit 80 Millionen Einwohnern werden wir nicht dagegen ankommen, wenn sich China dafür entscheidet, dass man mit Deutschland keine guten Beziehungen mehr haben will. So wird sich das überall auf der Welt abspielen.
Deshalb ist die eine große Frage: Bleiben wir bei dem Prinzip, dass die Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg mit dem von Deutschland ja verursachten Nationalsozialismus war, dass es multilateral nicht toll ist, schwierig ist, langsam ist, kompliziert ist, aber dass es nach meiner festen Überzeugung besser ist, sich einmal in die Schuhe des anderen zu versetzen, einmal über den eigenen Tellerrand zu schauen und zu schauen, ob man gemeinsame Win-win-Lösungen erreicht, als die Meinung, alle Dinge alleine lösen zu können?
Deshalb, meine Damen und Herren, war ich gestern Abend so glücklich, als ich mich noch einmal auf meine Rede vorbereitet habe, dass ich ein Zitat von Lindsey Graham gelesen habe, der gestern Abend gerufen hat: Multilateralismus mag kompliziert sein, aber er ist besser, als alleine zu Hause zu sein. – Ich finde, genau das ist die Antwort auf das Motto dieser Tagung „The great puzzle: Who will pick up the pieces?“: Nur wir alle zusammen!
Herzlichen Dank!
"Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist."
„Wer A sagt, der muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war“.
„Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten“.