Gott? Ein klarer Fall von „Fake News“!
Von Erik Lommatzsch
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat das deutsche Parlament am letzten Junitag des Jahres 2017 passiert. Auf dem Weg zur Zensur? Ach, woher denn. Böse Zungen oder Rechte, die so etwas behaupten. Das Grundgesetz sagt uns ja: „Eine Zensur findet nicht statt“ (Art. 5, Abs. 1, zwar nur der letzte Satz dieses Absatzes, aber immerhin). Und auf das Grundgesetz kann man sich verlassen. Rechtssicherheit ist ein wichtiges und, soviel Subjektivität sei gestattet, gutes Merkmal der Neuzeit.
Die Bösen im Internet können jetzt also problemlos zum Schweigen gebracht werden. Die Falschen hingegen dürfen noch bis zum Herbst ihr Unwesen treiben. Aber dann! Dann geht es den „Fake News“ (warum eigentlich nicht „Falschmeldungen“?) an den Kragen. Alles muss schön in die Reihe kommen, am besten ist Einheitlichkeit. Das Wort Gleichschritt hatte mal (bis vor kurzem?) einen schlechten Klang. Preußischer Militarismus oder ähnliches Teufelszeug galten als dessen physischer und geistiger Ursprung. Das scheint vorbei zu sein. Die Kultur schreitet voran. Einheit ist Fortschritt! (Sollte das eine seinerzeit von der SED nicht genutzte Parole sein, Recherchen waren bislang ergebnislos, und sollte die SED rückwirkend Interesse haben: Der Autor wäre bereit, über die Rechte daran zu verhandeln.)
Eine (Einheits-) „Fakultät der Theologien“ plante, ganz im Trend, die Humboldt-Universität zu Berlin. Christen, Juden, Muslime – alles ein Gott. Klar. Fröhliches Ringeweiterreichen à la Lessing. Differenzen? Transzendenz? Dinge, die sich nicht jedem erschließen, sich auch nicht jedem erschließen müssen? Ursprung und Grund des Seins? Egal - im ursprünglichen Sinne des Wortes. Alles eins! Eben „irgendwas mit Gott“.
Die Einheitsfakultät ist vorerst nicht zustande gekommen. Man ist sich – dem Vernehmen nach – nicht einig geworden. Indes: Die Realisierung ist wahrscheinlich ohnehin nicht mehr nötig. Stichwort „Fake News“. Diese ganze Sache mit Gott… jaja, schon lange Thema in dieser Welt. Aber beweisen, so richtig schlüssig, ihn zeigen… nein, das konnte bislang niemand. „Die gute Nachricht“ (früher hat „Bibel“ gereicht, die damaligen Menschen waren jedoch auch simple, dumpfe, genderunsensible Gemüter) kommt so nett daher. Aber ist das nicht eine Riesenmogelpackung? Wo sind die Beweise, die jedem unzweifelhaft Gottes Existenz vor Augen führen würden? Generationen von Denkern haben sich die Zähne daran ausgebissen. Glauben? Was ist denn bitte das? Nein, das reicht nicht.
DDR-Unterstufenlehrerinnen waren da weiter. Sie wussten Kindern schlüssig zu erklären: Spätestens mit der Weltraumfliegerei sei klar geworden, dass es keinen Gott geben kann. Man hätte ihn ja sehen müssen. Ergo: „Fake News“. Gleich vom Tisch! Umfassend ausmerzen (das Wort kommt wieder in Mode). Das Internet kann hier nur ein Anfang sein. Solche sicher nicht ganz billigen Späße wie den akademisierten Einheitsgott kann man sich dann sparen. In puncto Diskriminierung sind Religionen ohnehin Minenfelder par excellence. Den Unsinn also konsequent verbieten. Ab Herbst geht das glücklicherweise auch gesetzesgestützt, hoffentlich umfassend. Kulturellen und lebenssinngebenden Ballast abwerfen. Freiräume schaffen. Konfetti! Von der letzten Plenarparty ist sicher noch was übrig.
Erik Lommatzsch (
www.erik-lommatzsch.com) ist Historiker und lebt in Leipzig.
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