„Ibizagate“ in der rechtlichen wie ethischen EinordnungEin Gastbeitrag von Rechtsanwalt Enzio Rességuier de MiremontJetzt ist es also raus: Es war nicht Silberstein, der Mossad oder Soros, wie gemunkelt wurde – bei manchen möglicherweise auch aus antisemitischen Motiven, vor allem bei der Erwähnung der zwei Letztgenannten. Vieles bleibt ungewiss. Das Treffen in Ibiza samt Verfilmung scheint überaus dubiose Hintergründe zu haben, gelenkt von einem Anwalt in Wien. Jedenfalls stecken offenbar keine Journalisten dahinter, was deshalb zu betonen ist, weil journalistisch derartige Inszenierungen nicht gestattet sind.
Die causa Strache, die viele „Ibizagate“ nennen, bietet so ziemlich alles, nach dem sich Filmproduzenten reißen: Machtgebaren, Geld, Korruption, Sex, politische Rücktritte und Neuwahlen. Hinzu kommen eine gute Portion an Slapstick sowie rechtliche und ethische Fragen, die aufgeworfen werden.
Politisches Attentat? Wenn der bis dato Vizekanzler Hans-Christian Strache im Rahmen seiner Rücktrittspresseerklärung selber von einem „politischen Attentat“ auf sich sprach, welches an „Niederträchtigkeit nicht zu überbieten“ sei, so betreibt er damit die für Rechtspopulisten übliche Selbstviktimisierung. Dementsprechend skandalisieren rechte Kreise hauptsächlich, wie es zur Aufnahme und Veröffentlichung des Videos kam, während an Straches Äußerungen allenfalls sehr im Hintergrund Kritik geübt wird.Politiker haben heutzutage keinen leichten Stand. Vor allem die „social media“ machen sie zu „gläsernen Menschen“, die allerlei Schmähkritiken über sich ergehen lassen müssen. Auch wenn Politiker hohen Ranges dem Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit in erhöhtem Maße ausgesetzt sind, so gelten selbstverständlich auch für sie die Persönlichkeitsrechte, die sie vor übermäßigen Eingriffen schützen. Dies ist schon deshalb besonders wichtig, weil ohne einen starken Schutz der Privatsphäre politische Talente abgeschreckt werden, über den Schritt in die Politik ernsthaft nachzudenken. Erfolg in der Politik sollte nicht von übermäßigen moralischen Anforderungen abhängen. Ein Mindestmaß an Rechtsempfinden und Moral darf man aber erwarten.
Kerninhalte des Videos und deren BeurteilungAus diesem Grunde ist es wichtig, die causa „Strache-Video“ rechtlich wie ethisch einzuordnen.
Den Apologeten Straches sollte man zunächst als Merkzettel an ihre Wagenburg heften, dass das Video keine übliche Korruption zeigt, wie einige behaupten, sondern Staatsdiener, die bei ihrem Ziel, an die Futtertröge zu gelangen, jedes Maß verloren haben.Das Video offenbart Planungen zur Übernahme der übermächtigen Kronenzeitung und damit der Beherrschung der österreichischen Meinungsmache unter gleichzeitiger Missachtung der freien Presse zu eigenen Zwecken („Wenn sie die Kronenzeitung übernimmt und uns auf Platz eins bringt, können wir über alles reden“) ausgerechnet von jenen, die eine angeblich tendenziöse Berichterstattung der Leitmedien als „Lügenpresse“ beklagen und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit großem Argwohn begegnen. „Wir wollen eine Medienlandschaft ähnlich wie der Orbán“ aufbauen“, sagte Strache. Hasnain Kazim vom „Spiegel“ in Wien berichtet heute, dass die autokratische Einstellung der FPÖ-Leute schon seit längerem spürbar war. Ihm würden von österreichischen Kollegen Geschichten zugetragen, die sie sich selber nicht trauten zu berichten, weil sie unter Druck stünden.Das Video zeigt selbsternannte Patrioten, die ein alteingesessenes österreichisches Großunternehmen mit über 70.000 Mitarbeitern zugunsten eines russischen Unternehmens massiv schädigen wollen („Das erste was ich bei einer Regierungsbeteiligung zusagen kann“… „alle staatlichen Aufträge, die jetzt die Strabag kriegt, kriegt dann sie“). Wie am Sonntag bekannt wurde, hat man den Worten in Ibiza auch Taten folgen lassen und zwar durch eine folgende Presseerklärung der FPÖ, mit der die Partei den Baukonzern „Strabag“ und ihren damaligen Vorstandsvorsitzenden, den politisch unliebsamen Hans Peter Haselsteiner in ein schlechtes Licht zu setzen suchte.
Erstaunlich ist und bleibt, wie viele FPÖ-Anhänger übersehen, dass Strache, der seine Partei im Oktober 2016 als „Schutzherren der Bevölkerung“ bezeichnete, ganz unpatriotisch für eigene Zwecke österreichische Arbeitsplätze aufs Spiel zu setzen bereit war, als seien diese Jetons auf einem Roulettefilz.Es zeigt die Intention einer Umgehung der Parteienfinanzierung durch einen privaten Verein vorbei am Rechnungshof, als sei es eine Selbstverständlichkeit. Was das Video aus Gründen, auf die der Artikel noch zu sprechen kommen wird, nicht zeigt, ist das Verbreiten höchst pikanter Gerüchte über die Intimsphäre anderer führender Politiker.
Mit Blick auf diese Kumulation an politischer Dreistigkeit, erstaunt, dass etliche – und bei weitem nicht nur Rechtspopulisten – ihre Argumente so gewichten, dass diese nicht die Äußerungen und Pläne skandalisieren, sondern die Verbreitung des Videos.Hier geht es weiter:
https://starke-meinungen.de/blog/2019/0 ... #more-7874