Die Höhle am Satanskopf - Ein illegales Parteibüro?

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Die Höhle am Satanskopf - Ein illegales Parteibüro?

Beitragvon pentium » 1. Februar 2021, 21:19

Die Höhle am Satanskopf - Ein illegales Parteibüro?

Bereits 1948 war vom Dresdner Schriftsteller Max Zimmering in der VVN-Broschüre „Widerstandsgruppe ‚Vereinigte Kletter-Abteilungen’ (VKA)“ über „Das illegale Büro am Satanskopf“ geschrieben worden. Dabei verarbeitete er vor allem die ihm von Erich Langer zugearbeiteten Informationen: „Da erhielt die Gruppe J.[oppe] den Auftrag, unverzüglich nach einer geeigneten Stelle zu suchen. Die Beauftragten kehrten bald mit der Meldung zurück, dass etwa 150 m südlich des Satanskopfes an einer unzugänglichen Stelle im dichten Wald eine Höhle gefunden worden sei. Eine ein gehende Prüfung ergab, dass die Höhle nicht das Idealste für den ihr zugedachten Zweck war, aber immerhin sicher genug, um vorübergehend als Notlösung akzeptiert zu werden. [...] F.[ranz] R.[uge] wurde beauftragt, Schreibmaschine und automatischen Abziehapparat, die in Dresden versteckt waren, in die Höhle zu transportieren. Abziehapparat und Schreibmaschine wurden von A.[dolf] Sch.[illing] und F.[ranz] R.[uge] im Rucksack per Eisenbahn nach Schandau befördert und von Postelwitz über Ostrau mit 6 Mann Begleitung durch das Schrammsteintor, Wildschützensteig und Gratweg an den Bestimmungsort gebracht. Kurz darauf begaben sich E.[rich] G.[laser] und E.[rich] L.[anger] in die Höhle, und das erste Flugblatt wurde auf Wachsplatte geschrieben [von Hanne Pietsch] und abgezogen. W.[alter] Z.[auke] und E.[rich] J.[oppe] saßen in 100 m Entfernung auf Aussichtspunkten, um im Falle von Gefahr die Leute im ‚Büro’ rechtzeitig warnen zu können. Es ging alles glatt, aber das Klappern der Schreibmaschine schallte über einen Grund hinweg bis zum Fremdenweg, weshalb doppelte Vorsicht geboten war. Die in der Höhle hergestellten Flugblätter wurden von Kurieren nach Dresden geschafft und dort weiterverteilt. Etwa ein Vierteljahr lang funktionierte das ‚Büro’. Erst nach der Verhaftung und Einlieferung eines leitenden Mitgliedes, E.[rich] L.[anger], ins Konzentrationslager Hohnstein wurde es über die Reichsgrenze in die CSR verlegt.“

Bereits hier beginnt eine Darstellungsweise, die über vierzig Jahre dominant bleiben sollte, die mit Fantasie immer weiter ausgeschmückt wurde: Heroisierung tatsächlich geleisteter Arbeit, Aufbauschung möglicher und tatsächlicher Ereignisse, Ausgrenzung unliebsamer Konkurrenten, Ausschmückung mit nicht den Tatsachen entsprechenden Erfindungen.
So entstand auch die „Mär“ vom „Büro am Satanskopf“. So fragte z. B. in den achtziger Jahren eine zur „Höhle am Satanskopf“ geführte sowjetische Komsomol-Gruppe nach der Besichtigung der Höhle den wortgewandten Führer und Erklärer Erich Langer, dass sie die Höhle gesehen hätten, wo aber nun das „Büro am Satanskopf“ sei. Es erwies sich für tatsächlich am Widerstand gegen den Nationalsozialismus Beteiligte schmerzhaft, dass eine unrealistische Übertreibung tatsächlich geleisteter Widerstandsarbeit immer unglaubhafter wurde.

Bis heute werden Legenden und Falschdarstellungen wider besseren Wissens und anders lautender Forschungsergebnisse – vor einiger Zeit wieder in der „Sächsischen Zeitung“ zum 60. Todestag von Kurt Schlosser – publiziert. Was aber war 1933 tatsächlich in der „Höhle am Satanskopf“ los? Zitieren wir Erich Glaser mit seinen „Erinnerungen“ von 1976, wo er – wie alle aktuellen Recherchen bestätigen – der Wahrheit wohl am nächsten kam: „Dieses ‚illegale Büro am Satanskopf’ wurde ab Mitte Mai [...] zur Herstellung von Flugblättern genutzt. Da es sich herausstellte, dass das Echo der Geräusche beim Schreiben und Abziehen verhältnismäßig weit zu hören war, wurden die Maschine, der Apparat und das Material nach der CSR gebracht und dort weiter genutzt.“

Aus diesen Feststellungen sowie einer auf Band gesprochenen „Lebensbeichte“ (1986) von Erich Langer ergibt sich, dass sich beide Maschinen insgesamt nur etwa acht Wochen in der Höhle befanden und dass sie aufgrund der für den Wald völlig atypischen lauten Schreibmaschinengeräusche und aus Sicherheitsgründen nur ein einziges Mal zur Herstellung von rund 150 Flugblättern genutzt werden konnten (ein Matrizenabzug). Alle anderen Darstellungen stellen Ausschmückungen und Übertreibungen dar, an denen insbesondere Erich Langer maßgeblich beteiligt war. Bis heute konnte kein in der Höhle hergestelltes Flugblatt ermittelt bzw. nachgewiesen werden.
Bei einem aktuellen Besuch der „Höhle am Satanskopf“ im September 2008 kündeten Spuren davon, dass die Pfade zur Höhle offensichtlich begangen werden, die gebauten Wege jedoch verfallen sind und die beiden Gedenktafeln verschwunden bleiben (1990 von Unbekannten entfernt).

Quelle: Joachim Schindler in "Rote Bergsteiger - Unterwegs auf ihren Spuren im Elbsandsteingebirge"
*Dos Rauschen in Wald hot mir'sch ageta, deß ich mei Haamit net loßen ka!* *Zieht aah dorch onnern Arzgebirg der Grenzgrobn wie ene Kett, der Grenzgrobn taalt de Länder ei, ober onnere Herzen net!* *Waar sei Volk verläßt, daar is net wert, deß'r rümlaaft of daaner Erd!*
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