Ein paar Tatsachenberichte....
30 Jahre danach in der Prager Botschaft: DDR-Flüchtlinge erzählen von den dramatischen Wochen in dem überfüllten Gebäude – bis Hans-Dietrich Genscher kam und einen berühmten unvollendeten Satz sprach.
Es stehen, ein weiterer Unterschied, heute auch nur drei Trabis im Garten der Botschaft, sie sondern nicht einmal den zweitaktertypischen Gestank ab, mutmaßlich weil ihre Motoren nicht laufen. Damals waren von den Kleinwagen made in Zwickau und von den nur wenig komfortableren Wartburg etliche Hundert in den engen Straßen der Prager Altstadt nahe der Botschaft einfach stehen gelassen worden. Ihre Besitzer konnten sie nicht mitnehmen, manche verschenkten sie an Prager, die ihnen den Weg zur Botschaft wiesen, andere wurden einfach weggeparkt. Das sollte bald darauf sogar noch zu den mutmaßlich letzten Krisengesprächen zwischen der tschechischen Regierung und Ost-Berlin führen.
Der Erzgebirgler Erler war damals 21, und er wollte unbedingt in den Westen. „Da gab es Möglichkeiten, da gab es Freiheit.“ Ein Jahr zuvor hatte er einen Ausreiseantrag gestellt, und statt eines positiven Bescheids erlebte er jetzt den Druck des Systems.
Drüben, da gäbe es doch Drogen und Arbeitslose, sagten ihm Volkspolizei und Staatssicherheit, und als Erler deutlich machte, dass er den Antrag nicht zurückziehen werde, setzten Schikanen ein. Darum ging Erler mit den vielen anderen in die Botschaft, wo die Menschen bald auf sämtlichen Sofas und Sesseln, in allen Ecken, auf den Treppenstufen, auf den Teppichen, in Zelten im Garten oder einfach auf dem Rasen campierten.
Dirk Erler hingegen fuhr am Tag nach Genschers Rede mit dem Zug in die Freiheit. 250 Kilometer über das Gebiet der DDR, wie es sich Ost-Berlin extra ausbedungen hatte. 250 Kilometer neue Angst. Ging es wirklich nach Westen?
Und Erler wird im Zug noch zweimal nervös. Einmal, als sie gerade die DDR erreichten, in Bad Schandau. Dort haben die „bewaffneten Organe“ den Bahnhof weiträumig abgeriegelt. Aber sie haben nicht damit gerechnet, dass zwei oder drei junge Leute auf das Bahnhofsdach kletterten und von da auf die Bahnsteige sprangen, direkt neben den wartenden Zug,
und dann hineinflutschten, bevor Stasi-Leute sie schnappen konnten. Ob die Behörden jetzt den Zug überhaupt noch weiterfahren lassen würden?Sie ließen, und beim letzten Stopp auf DDR-Gebiet, kurz vor ihrem Ziel, dem oberfränkischen Hof,
kamen Stasi-Männer mit Spürhunden in den Zug, um alle Ausweise einzusammeln. Einige ausreisende Bürger des Arbeiter-und-Bauern-Staates bewarfen die Mitarbeiter des verhassten Ministeriums für Staatssicherheit höhnisch mit ihren letzten „Alu-Chips“, den jetzt endgültig wertlosen Münzen der schwachen DDR-Währung.
Frank Schröter war nicht in der Prager Botschaft gewesen, aber der damals 25-Jährige fuhr trotzdem mit einem der Sonderzüge aus Prag in den Westen. Er hatte einen tschechischen Freund in Pilsen besucht, etwa 100 Kilometer südwestlich von der Hauptstadt der damaligen CSSR, und am Abend des 30. September 1989 in den 20-Uhr-Nachrichten erfahren, dass Genscher in der Botschaft war.
Schröter brach sofort auf und durfte, wie erhofft, zu den Botschaftsflüchtlingen in den Zug steigen. Zu dem Zeitpunkt hatte er schon politische Haft hinter sich, und gerade drohte man ihm weitere fünf Jahre an, wenn er nicht seinen Ausreiseantrag zurückziehe, erzählt der Mann aus Barth in Vorpommern, der bis heute aktiv ist in der Betreuung von Stasi-Opfern.
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