30 Jahre Prager Botschaft...

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30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon pentium » 30. September 2019, 17:12

30 Jahre Prager Botschaft "... dass heute Ihre Ausreise ..."

In Prag ist an die Ausreise von rund 4000 DDR-Bürgern aus der Botschaft der Bundesrepublik vor 30 Jahren erinnert worden. Es gab ein emotionales Wiedersehen - und eine Mahnung an Europa.
https://www.tagesschau.de/ausland/30-ja ... g-101.html
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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon augenzeuge » 30. September 2019, 18:05

Und da wir das Thema hier schon öfters hatten, ein Rückblick auf unsere früheren Beiträge: [hallo]

BRD-Botschaft in Prag: Der Mann, der fast vergessen wurde.....
viewtopic.php?f=140&t=945&start=0

Die Ausreise aus Prag.............1989
viewtopic.php?f=152&t=1138&p=144414

DDR-Flucht über die Prager Botschaft
viewtopic.php?f=187&t=11619&p=302694

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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon pentium » 30. September 2019, 18:07

Danke, das hast du fein gemacht!
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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon Olaf Sch. » 30. September 2019, 18:11

Ich war vom 04. Bis 8.10.89 in Prag. Brigadefahrt. Becherovka trinken, Botschaft kalt...
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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon augenzeuge » 30. September 2019, 18:13

AkkuGK1 hat geschrieben:Ich war vom 04. Bis 8.10.89 in Prag. Brigadefahrt. Becherovka trinken, Botschaft kalt...


Brauchte man da zeitweise nicht ein Visa o.ä.?

Sind alle wieder zurück gefahren?

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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon pentium » 30. September 2019, 18:20

Becherovka trinken...warum muss man da nach Prag fahren...Karlsbad reicht da schon....?Ach so und der Pass- und visafreie Verkehr wurde am 4. Oktober 1989 ausgesetzt.
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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon Olaf Sch. » 30. September 2019, 18:49

Wir hatten Persilscheine vom Betrieb, VP und MfS, unser Meister hatte sich mächtig ins Zeug gelegt um unsere seit 6 Monaten geplante Brigadefahrt durchzuführen. Es kamen alle wieder heim. Bei der Einreise sagte der Kontrolleur: wo kommt ihr denn her? Wir können ja wieder fahren! Ne,ne kommt mal rein.... [flash]
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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon augenzeuge » 5. Oktober 2019, 09:28

Ein paar Tatsachenberichte....

30 Jahre danach in der Prager Botschaft: DDR-Flüchtlinge erzählen von den dramatischen Wochen in dem überfüllten Gebäude – bis Hans-Dietrich Genscher kam und einen berühmten unvollendeten Satz sprach.

Es stehen, ein weiterer Unterschied, heute auch nur drei Trabis im Garten der Botschaft, sie sondern nicht einmal den zweitaktertypischen Gestank ab, mutmaßlich weil ihre Motoren nicht laufen. Damals waren von den Kleinwagen made in Zwickau und von den nur wenig komfortableren Wartburg etliche Hundert in den engen Straßen der Prager Altstadt nahe der Botschaft einfach stehen gelassen worden. Ihre Besitzer konnten sie nicht mitnehmen, manche verschenkten sie an Prager, die ihnen den Weg zur Botschaft wiesen, andere wurden einfach weggeparkt. Das sollte bald darauf sogar noch zu den mutmaßlich letzten Krisengesprächen zwischen der tschechischen Regierung und Ost-Berlin führen.


Der Erzgebirgler Erler war damals 21, und er wollte unbedingt in den Westen. „Da gab es Möglichkeiten, da gab es Freiheit.“ Ein Jahr zuvor hatte er einen Ausreiseantrag gestellt, und statt eines positiven Bescheids erlebte er jetzt den Druck des Systems.

Drüben, da gäbe es doch Drogen und Arbeitslose, sagten ihm Volkspolizei und Staatssicherheit, und als Erler deutlich machte, dass er den Antrag nicht zurückziehen werde, setzten Schikanen ein. Darum ging Erler mit den vielen anderen in die Botschaft, wo die Menschen bald auf sämtlichen Sofas und Sesseln, in allen Ecken, auf den Treppenstufen, auf den Teppichen, in Zelten im Garten oder einfach auf dem Rasen campierten.


Dirk Erler hingegen fuhr am Tag nach Genschers Rede mit dem Zug in die Freiheit. 250 Kilometer über das Gebiet der DDR, wie es sich Ost-Berlin extra ausbedungen hatte. 250 Kilometer neue Angst. Ging es wirklich nach Westen?

Und Erler wird im Zug noch zweimal nervös. Einmal, als sie gerade die DDR erreichten, in Bad Schandau. Dort haben die „bewaffneten Organe“ den Bahnhof weiträumig abgeriegelt. Aber sie haben nicht damit gerechnet, dass zwei oder drei junge Leute auf das Bahnhofsdach kletterten und von da auf die Bahnsteige sprangen, direkt neben den wartenden Zug, und dann hineinflutschten, bevor Stasi-Leute sie schnappen konnten. Ob die Behörden jetzt den Zug überhaupt noch weiterfahren lassen würden?

Sie ließen, und beim letzten Stopp auf DDR-Gebiet, kurz vor ihrem Ziel, dem oberfränkischen Hof, kamen Stasi-Männer mit Spürhunden in den Zug, um alle Ausweise einzusammeln. Einige ausreisende Bürger des Arbeiter-und-Bauern-Staates bewarfen die Mitarbeiter des verhassten Ministeriums für Staatssicherheit höhnisch mit ihren letzten „Alu-Chips“, den jetzt endgültig wertlosen Münzen der schwachen DDR-Währung.

Frank Schröter war nicht in der Prager Botschaft gewesen, aber der damals 25-Jährige fuhr trotzdem mit einem der Sonderzüge aus Prag in den Westen. Er hatte einen tschechischen Freund in Pilsen besucht, etwa 100 Kilometer südwestlich von der Hauptstadt der damaligen CSSR, und am Abend des 30. September 1989 in den 20-Uhr-Nachrichten erfahren, dass Genscher in der Botschaft war.

Schröter brach sofort auf und durfte, wie erhofft, zu den Botschaftsflüchtlingen in den Zug steigen. Zu dem Zeitpunkt hatte er schon politische Haft hinter sich, und gerade drohte man ihm weitere fünf Jahre an, wenn er nicht seinen Ausreiseantrag zurückziehe, erzählt der Mann aus Barth in Vorpommern, der bis heute aktiv ist in der Betreuung von Stasi-Opfern.

https://www.welt.de/politik/deutschland ... issen.html
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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon augenzeuge » 5. Oktober 2019, 09:32

Prag 1989: Ein Schweriner reist in die Freiheit

Drei Tage zuvor, am 27. September fällt der Entschluss. De Veer sieht in den Nachrichten ein Interview mit dem ehemaligen Unterhändler der DDR, Rechtsanwalt Wolfgang Vogel, der Straffreiheit für alle, die zurückkehren wollen und eine Ausreise über die DDR, in Aussicht stellt. Bereits am späten Nachmittag sitzt de Veer im Zug nach Prag.

Am späten Abend trifft de Veer in Prag ein. "Ich meine, ich bin über die Karlsbrücke gelaufen und in das Botschaftsviertel gekommen." Irgendwo in der Nähe der Prager Burg soll die Botschaft sein, habe er gehört. Er irrt durch die Gassen, steht drei Mal vor der italienischen Botschaft und folgt schließlich der Spur der dort überall abgestellten Fahrzeuge mit DDR-Kennzeichen. Als er schließlich am Zaun der Deutschen Botschaft eintrifft, versinkt das Gelände bereits im Matsch. Zu diesem Zeitpunkt campieren in einem Zeltlager rund um die Botschaft bereits rund 1.300 Menschen, erinnert sich de Veer.

Nachrichtenaustausch am Botschaftszaun
In den folgenden drei Tagen kommen ganze Busreisen inklusive Busfahrer dort an, schnell wird es eng. De Veer schläft wie viele mit seinem Schlafsack im Inneren des Gebäudes auf einer Treppenstufe. Immer mittags trifft er sich mit einem Journalisten einer renommierten Nachrichtenagentur. Er versorgt de Veer mit Neuigkeiten jenseits des Zauns und der politischen Weltbühne und berichtet unter anderem von der UN-Vollversammlung in New York. Im Gegenzug versorgt de Veer den Reporter mit Nachrichten aus dem Zeltlager in der Botschaft. Auch westdeutsche Schulklassen besuchen den Zaun und bieten Hilfe an.

Familie in Schwerin ist ahnungslos
Bis zu diesem Zeitpunkt ist de Veers Familie ahnungslos, auch sein Onkel in Westberlin ist nicht informiert. "Einfach auch, um sie zu schützen", begründet de Veer den Schritt. Ein Schüler, den de Veer am Botschaftszaun kennenlernt hat, erklärt sich bereit, den Onkel in Westberlin anzurufen. Dieser verständigt über Umwege seine Familie in Schwerin. Sein Vater muss zwar bei der Polizei aussagen, diese nimmt de Veers Ausreise aber lediglich "zur Kenntnis". Damals seien bereits erste Ausfallerscheinungen sichtbar geworden, so de Veer heute.


.......der Botschafter habe gesagt, wenn noch mehr kämen, würde er die Botschaft zur Not bis unters Dach öffnen. Am späten Nachmittag kommt Bewegung in die Botschaft. "Plötzlich heißt es 'Männer raus, Frauen und Kinder rein' - da war klar, dass etwas passiert."

https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenb ... ft108.html

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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon Spartacus » 5. Oktober 2019, 14:30

30 Jahre Prager Botschaft "... dass heute Ihre Ausreise ..."


wieder nicht genehmigt wurde. [flash]

Wenn es so gewesen wäre, was dann?

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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon augenzeuge » 5. Oktober 2019, 16:56

Spartacus hat geschrieben:
30 Jahre Prager Botschaft "... dass heute Ihre Ausreise ..."


wieder nicht genehmigt wurde. [flash]

Wenn es so gewesen wäre, was dann?

Sparta


Diese Info hätte kein Genscher persönlich überbracht. Ihm allein ist diese Entwicklung zuzuschreiben. Ohne sein Gespräch in NYC mit Schewardnadse wäre kaum etwas passiert.

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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon zonenhasser » 5. Oktober 2019, 21:37

In der Quizshow "Kaum zu glauben" ab Minute 44 ist der Sprecher der Botschaftsflüchtlinge wie er hinter Genscher steht
zu Gast.
https://www.ardmediathek.de/ndr/player/ ... 3-10-32019
Die “Rote Fahne” schrieb noch “wir werden siegen”, da hatte ich mein Geld schon in der Schweiz.
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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon Grenzwolf62 » 5. Oktober 2019, 23:36

Als ich damals gesehen habe was welche ihren kleinen Kindern zumuteten, hab ich gedacht das die wohl nicht mehr ganz fit im Kopf sein können.
Mein Sohn war damals 8 Jahre alt.
Und wenn mich Iwan der Schreckliche regiert hätte, niemals hâtte ich ihm das angetan.
Zumal wir in der Dableibe-Opposition schon registrierten das der Staat langsam aber sicher in die Knie geht.
Die ersten hoffnungsvollen Zeichen gab es da schon um 87 rum.
Alles wird, vielleicht, gut.
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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon Olaf Sch. » 6. Oktober 2019, 07:26

hängt wohl auch vom Grade der Verzweiflung ab, es gab ja wohl nach der Grenzöffnung Fälle, die haben ihre Kinder zu Hause gelassen, allein.

wir haben uns die Botschaft von außen angeschaut, ein Gestank nach Urin und die Temperatur war auch kühler als im Rest von Prag. Sicherheitskräfte sperrten die Botschaft gegen neue Flüchtlinge ab, allerdings sehr halbherzig. Ich hatte da keinen Bock drauf, da zu hausen.

Die Lockerung hing wohl auch mit dem Tode E.Hs Enkelkind zusammen, er hatte einfach keinen Bock mehr.
Olaf Sch.
 

Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon karnak » 6. Oktober 2019, 07:41

augenzeuge hat geschrieben:
Diese Info hätte kein Genscher persönlich überbracht.

AZ

[flash] Tatsächlich, dass hätte er dann einen anderen Idioten machen lassen?
Und immer davon ausgehen, dass solche Situationen wie die in der Botschaft im Anschluss entsprechend glorifiziert werden.
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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon augenzeuge » 6. Oktober 2019, 07:53

Da wäre keiner gekommen.

Wenn du nachdenkst, musst du erkennen, dass es gar keine andere Lösung geben konnte.

Glorifizieren tun das die Flüchtlinge. Und mit Recht.

AZ
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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon karnak » 6. Oktober 2019, 08:00

augenzeuge hat geschrieben:
Und mit Recht.

AZ

Durchaus, aber nicht die Genscher dieser Welt die bei einer anderen Mitteilung nicht gekommen wären. [flash]
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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon Interessierter » 16. Mai 2020, 08:45

Botschaft aus Prag

Tausende flüchten im Sommer 1989 in die westdeutschen Botschaften von Ungarn, Polen und der Tschechoslowakei. Lothar Kosz aus Rostock springt 1989 über den Zaun der Prager Botschaft. 25 Jahre später hält er einen Brief in Händen, den er damals geschrieben hat. Im "Atlas des Aufbruchs" erzählt er davon.

"Die erste Nacht hinter mir, ein Alptraum! Die Leute in den Zelten mit Doppelbetten haben die Paläste mit Himmelbetten darin. Andere schlafen im Freien auf Pritschen, die sie gegen Regen abgedeckt haben oder auf Pappe." Als Lothar Kosz diese Zeilen mit krakeliger Schrift schreibt, hockt er auf einem nur 60 Zentimeter breiten Karteikartenschrank. Es ist sein Schreib- und Schlafplatz in der bundesdeutschen Botschaft in Prag.

Das Abenteuer seines Lebens

Bild
Selbstporträt: Es zeigt Lothar Kosz in den 1980er-Jahren - voller Zweifel. Raus aus der DDR wollte er schon immer.

Mit einem beherzten Sprung über den Botschaftszaun hatte sich Kosz am 26. September 1989 in das größte Abenteuer seines Lebens gestürzt, wie er sagt. Doch was ihn hinter dem Zaun erwartet, darauf ist der Rostocker nicht gefasst: Bei seiner Ankunft drängen sich bereits 250 DDR-Bürger auf den Botschaftsfluren. Zwei Tage später sind es bereits zehn Mal so viele. "Und der Zustrom will nicht enden“, schreibt er aus der Botschaft.

"Hier leben derzeit Säuglinge, Hochschwangere, Familien mit bis zu vier Kindern. Viele Vorbestrafte und Assis, jugendliche Dummköpfe, die das hier als fröhliches Abenteuer betrachten; Skins, die mit halbwegs pink-normalen Frisuren ankamen, sich hier, wo sie Morgenluft witterten, gegenseitig die Haare abrasierten, bis nur noch ein Hakenkreuz übrig blieb."

Bild
Campieren auf dem Botschaftsflur - Stress pur. Fotografieren war eigentlich tabu. Lothar Kosz drückt trotzdem auf den Auslöser.

"Stasischläger" hinterm Botschaftszaun


Ständiges Schlangestehen wie in der DDR, "ein zum Wahnsinn treibendes Kindergebrüll" plus die Angst vor der Zukunft und um die Zurückgelassenen - all das zerrt an den Nerven der Prager Botschaftsflüchtlinge, die unerwartet rüde miteinander umgehen, wie Lothar Kosz beschreibt. Zusätzlich belastend: die allgemeine Angst vor Stasischlägern, die in und vor der Botschaft lauern sollen. Auch Lothar Kosz wird misstrauisch beobachtet, schließlich kritzelt er ständig etwas auf Papier: "Briefe zu schreiben, machte einen verdächtig. Man hätte ja ein Spitzel sein können", erklärt er. Aus diesem Grunde hat Kosz auch kaum in der Prager Botschaft fotografiert: Nur eine Handvoll verwackelter Schwarz-Weiß-Fotos zeigen den beengten Alltag in den Botschaftsfluren und überfüllten Zimmern.

Mit " Einen Scheißstaat verlassen, die Heimat verloren " geht es hier weiter:
https://www.ndr.de/geschichte/chronolog ... age-2.html
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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon augenzeuge » 16. Mai 2020, 09:27

"Ständig sind meine Akt-Aufnahmen von den Rostocker Kulturgenossen zensiert worden, weil meine Fotos angeblich nicht den sozialistischen Realismus abbildeten.


So war das leider. [denken]

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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon Interessierter » 14. Juli 2020, 06:42

Dr. Kibbel hilft bei Flucht

Es ist Ende September 1989. Immer mehr DDR-Bürger sammeln sich in der Deutschen Botschaft in Prag. So an die 5.000 Menschen sind es bereits, alle Räume der Botschaft sind belegt. Die Treppen werden zu Schlafstellen, Zelte sind im Garten aufgebaut, der mittlerweile einer Schlammwüste gleicht. Manche sind schon seit vier Monaten da und warten darauf, endlich in den Westen zu kommen. Die Gefahr von Seuchen droht, da die Sanitäreinrichtungen nur für das Botschaftspersonal ausgelegt sind.

Also müssen Ärzte her. Und da kommt Dr. Eckhardt Kibbel aus Hassendorf (Kreis Ostholstein) ins Spiel. Am 29. September vor 25 Jahren gegen 14 Uhr bekommt er einen Anruf vom Roten Kreuz Schleswig-Holstein. "Da wurde ich gefragt, ob ich nach Prag fahren könnte, um ärztlich tätig zu werden, weil das Außenministerium die Situation nicht mehr bewältigen konnte." Spontan sagt er "ja", und schon am nächsten Morgen geht es los Richtung Prag.

https://www.ndr.de/geschichte/chronolog ... er110.html


Eine Geschichte: " Vom Arzt zum Organisator ".
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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon Volker Zottmann » 14. Juli 2020, 10:49

Vom Dr. Knibbel habe ich noch nie was gelesen.
Sehr interessant Wilfried, dankeschön.

Gruß Volker
Volker Zottmann
 

Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon augenzeuge » 14. Juli 2020, 11:23

"Ich bin ja als Tourist eingereist, offiziell bin ich nie da gewesen", sagt er.


Versteh ich nicht ganz. [denken]
Ich war im Sommer 1989 in der CSSR. Und ich brauchte für die Einreise ein Visa der tschech. Militärmission in West-Berlin.
Und das war nicht mal billig. Original Passbilder musste man mitliefern...

Das eine Einreise damals nur mit Pass ohne Visa möglich war, habe ich noch nicht gehört. Aber es muss ja so gewesen sein...

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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon Interessierter » 21. November 2020, 08:50

Abschied von der DDR

Ein tschechischer Blick auf die Botschaftsflüchtlinge im Palais Lobkowicz


Die Kamera schwenkt vom Laurenziberg aus in der Horizontale über die Prager Kleine Seite, untermalt von Antonio Vivaldis »Frühling« aus den »Vier Jahreszeiten«. Man erkennt die Prager Burg, und in das Blickfeld rückt die Gartenfront des barocken Palais Lobkowicz mit seinem markanten, auf Säulen gestützten südseitigen Balkon. Im ersten Moment könnte der Betrachter einen weiteren Film über das altehrwürdige Prag, seine Prachtbauten und malerischen Gassen hinauf zur Burg vermuten, würde sich nicht jenes merkwürdige, von zahllosen Menschen bevölkerte Zeltlager ins Bild drängen, mit dem der Garten der Deutschen Botschaft zugestellt ist. Es ist Herbst.

Wir schreiben das Jahr 1989, und der von den Filmemachern eingesprochene Kommentar beschreibt die Szenerie: Hier in Prag, auf der Kleinen Seite würde gerade eine höchst merkwürdige Feier des bevorstehenden 40. Jahrestages der DDR ihren Höhepunkt erreichen. Die Kamera blickt von oben auf den Platz vor dem Eingang der Botschaft. Die Menschen, die nicht mehr in das völlig überfüllte Gebäude hineingekommen sind, sitzen oder stehen in Gruppen auf dem Bürgersteig. Es herrscht ein reges Kommen und Gehen. Zwei junge Männer begrüßen einen Neuankömmling und klopfen ihm auf die Schulter. Einige Prager passieren mit leicht irritierten Blicken die Szenerie. Mittendrin zwei Jungen mit Schulranzen auf dem Rücken das Geschehen erheitert kommentierend. Im Hintergrund hört man die Sirene eines Polizeiautos.

Die nächste Einstellung zeigt die mit Autos der Marken Trabant, Wartburg, Lada, Moskwitsch, Dacia und Škoda hoffnungslos zugeparkten Straßen rund um den Kleinseitner Platz und die Karmelitska-Straße. Alle tragen DDR-Kennzeichen. Ständig kommen neue Fahrzeuge an, deren Insassen sich angespannt und hektisch in dem Durcheinander zu orientieren suchen. Begleitet werden die Aufnahmen vom O-Ton eines jungen Mannes, der wie viele andere Prager auf die Kleine Seite gekommen war, um sich dieses merkwürdige Schauspiel anzusehen. Besonders überrascht habe ihn, dass die vom Sozialismus geprägten Ostdeutschen, die ansonsten ihren privaten Besitz hegen und pflegen würden, nunmehr einfach ihre mühevoll erworbenen und instand gehaltenen Autos zurücklassen würden. Offenbar fehle ihnen inzwischen jeglicher Wille, sich in irgendeiner Form mit dem DDR-Regime zu arrangieren. Da könne es einem schon kalt über den Rücken laufen – so der Beobachter.

Der längere, interessante, detailreiche Blick der Tschechen auf die Ereignisse in der Prager Botschaft geht hier weiter:
https://zeitgeschichte-online.de/node/25372
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Re: 30 Jahre Prager Botschaft...

Beitragvon augenzeuge » 21. November 2020, 09:39

Schade, dass der Film nicht zugänglich ist.

Besonders überrascht habe ihn, dass die vom Sozialismus geprägten Ostdeutschen, die ansonsten ihren privaten Besitz hegen und pflegen würden, nunmehr einfach ihre mühevoll erworbenen und instand gehaltenen Autos zurücklassen würden. Offenbar fehle ihnen inzwischen jeglicher Wille, sich in irgendeiner Form mit dem DDR-Regime zu arrangieren. Da könne es einem schon kalt über den Rücken laufen – so der Beobachter.


Ja, es erstaunt schon. Und dabei hatte man diese Generation doch bestens erzogen. Muss an einigen Lehrern gelegen haben. Oder die Basis von Marx und Lenin war praxisfremd. [flash]
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