Iranisches Atomprogramm
Geschichte
Im Boden Irans liegen die weltweit zweitgrößten Vorkommen an fossilen Energiequellen (Erdöl und Erdgas zusammengenommen). Der damalige Schah Mohammad Reza Pahlavi dachte gleichwohl bereits in den 1960er Jahren über deren Begrenztheit nach und kam zu dem Schluss, Erdöl sei zu kostbar, um es zur Energiegewinnung zu verbrennen. In seiner Neujahrsansprache vom 21. März 1974 erklärte der Schah:
„Wir werden so rasch wie möglich die Atomenergie und alternative Energiequellen nutzen, um Öl für die Herstellung chemischer und petrochemischer Produkte zu reservieren. Wir sollten Öl, diese kostbare Substanz, nicht einfach als gewöhnlichen Brennstoff verwenden.“[10]
Die staatliche Planungsbehörde ging in ihrer von 1972 bis 1992 reichenden Langfristplanung von einer weltweiten Energieknappheit aus, für die sie die Energiepolitik der westlichen Industriestaaten verantwortlich machte, deren wirtschaftliche Entwicklung nahezu vollständig von billigen fossilen Brennstoffen abhing. In Iran wollte man den Anteil der durch das Verbrennen von Öl gewonnenen Energie signifikant zu Gunsten von Kernenergie, Gas und Wasserkraft reduzieren. Nach dieser Planung sollte 1992 die Kernenergie 15,5 % des gesamten Energieverbrauchs im Land decken.
Anfänge
Der Grundstein des iranischen Atomprogramms wurde mit US-amerikanischer Hilfe gelegt. 1959 überbrachte US-Präsident Dwight D. Eisenhower der Universität Teheran im Rahmen des Atoms-for-Peace-Programms einen Forschungsreaktor als Geschenk. 1967 wurde aus den USA ein weiterer Forschungsreaktor (Leichtwasserreaktor) mit einer Leistung von 5 Megawatt geliefert und im Tehran Nuclear Research Center (TNRC) in Betrieb genommen. Am 1. Juli 1968 unterzeichnete Iran den Atomwaffensperrvertrag, der nach der Hinterlegung der Ratifizierung bei den Signatarstaaten am 5. März 1970 für Iran in Kraft trat.[11] Signatarstaaten dürfen Kernenergie dem Vertrag zufolge ausschließlich für zivile Zwecke einsetzen. Jede militärische Nutzung ist untersagt und mit Sanktionen bedroht. 1974 wurde die Iranische Atomenergieorganisation (AEOI) unter der Leitung von Akbar Etemad gegründet.[12]
Akbar Etemad – geboren 1931 in Hamedan – studierte in den 1950er/1960er Jahren in Lausanne und Paris, promovierte 1963 und wurde Chef der Forschungsgruppe Nuclear Reactor Shielding, im Institut für Nukleare Abschirmung am Eidgenössischen Institut für Reaktorforschung in Würenlingen/CH. Sein Spezialgebiet war die Neutronenphysik. 1965 kehrte Akbar Etemad zurück in seine Heimat. Er nahm als Leiter der Forschungsgruppe für Nuklearenergie einen Forschungsreaktor von 5 Megawatt in Betrieb.
1967 wurde er zum Vizeminister im Ministerium für Forschung und Wissenschaft ernannt. Etemad initiierte zwei neue Universitäten: eine offene Universität und das Avicenna Institut in Hamedan. Akbar Etemad sollte die Avicenna-Universität leiten. In diesem Moment wurde Etemad vom Schah berufen, das iranische Atomprogramm zu leiten. Akbar Etemad erbat sich eine Bedenkzeit von zwei Wochen und verfasste ein Memorandum, in welchem er festlegte, unter welchen Vorgaben er diese Aufgabe übernehmen würde. Der Organisation müsse absolute Unabhängigkeit von der Regierung gewährt werden.
Ein Atomprogramm könne nicht diktiert werden, es brauche ein pragmatisches Vorgehen, das nötige Geld, die nötige Infrastruktur und Zeit für die Forschung. Es brauche des Weiteren gute politische Verhältnisse mit anderen Atomstaaten und stabile Verhältnisse im Land. Das Papier von 16 Seiten wurde vom Schah akzeptiert. Akbar Etemad bekam in der Folge freie Hand. Er begründete 1974 die Iranische Atomenergieorganisation (AEOI) und wurde deren erster Präsident. Innerhalb von einem halben Jahr hatte er ein Team von rund 100 Leuten für die Organisation beisammen und konnte mit der Planung beginnen. Im zweiten Schritt wurden der Forschungsreaktor und die Laboratorien von der Universität in die neue Organisation überführt.
Der Bau von kerntechnischen Anlagen erforderte Bedingungen, die in Iran nicht leicht zu erfüllen waren. Die Reaktoren benötigen erhebliche Mengen Wasser, sie müssen an ein Transportsystem angebunden sein, auch für schwere Geräte, und sie müssen mit dem Stromnetz des Landes verbunden werden, doch möglichst weit weg von dicht besiedelten Gebiet liegen. Darüber hinaus sollte es in dem Gebiet keine Erdbeben geben (zur Erdbebengefahr siehe Iranische Platte).
Erste Analysen ergaben, dass es nicht mehr als zehn Orte zum Bau einer Atomanlage in Iran gibt. Man begann an drei Orten mit den Vorbereitungen zum Bau von Atomanlagen: Buschehr am Persischen Golf, Darkhovin am Karun und in einem Gebiet in der Nähe des Zayandeh Rud südwestlich von Isfahan.[13]
1975 unterzeichnete der amerikanische Außenminister Henry Kissinger das National Security Decision Memorandum 292 zur amerikanisch-iranischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Nukleartechnologie. Es sah den Verkauf von Nukleartechnik im Wert von über sechs Milliarden US-Dollar an Iran vor. Bis in die 1970er Jahre wurden zwischen den USA und Iran diesbezüglich mehrere Abkommen getroffen. 1976 wurde Iran angeboten, eine Anlage zur Extraktion von Plutonium von den USA zu kaufen und zu betreiben. Die Vereinbarung bezog sich auf einen kompletten Nuklearkreislauf. Im Oktober 1976 wurde dieses Angebot von Präsident Gerald Ford zurückgezogen. Da die Verhandlungen mit den USA nicht zum Abschluss gebracht werden konnten, kamen deutsche und französische Unternehmen zum Zuge.[14] Die deutsche Bundesregierung unter Helmut Schmidt unterstützte westdeutsche Unternehmen dabei, Atomreaktoren nach Iran zu verkaufen.[15]
Um die Versorgung der iranischen Reaktoren mit angereichertem Uran sicherzustellen, ging 1975 als Ergebnis von französisch-iranischen Verhandlungen der zehnprozentige schwedische Anteil an Eurodif, einem europäischen Unternehmen für Urananreicherung, an Iran über. Es wurde die „Sofidif“ (Société franco-iranienne pour l’enrichissement de l’uranium par diffusion gazeuse) gegründet, welche zu 25 % an Eurodif beteiligt wurde und damit Iran seinen zehnprozentigen Anteil an Eurodif ermöglichte. Bereits 1974 hatte Iran die Zahlung von einer Milliarde US-Dollar für den Bau der Anreicherungsanlage zur Verfügung gestellt (die Zusage wurde 1977 – nach dem Anstieg der Baukosten – um weitere 180 Millionen US-Dollar erhöht) und sich damit das Vorkaufsrecht für 10 % der späteren Produktion gesichert. Nach der Islamischen Revolution 1979 stellte Iran seine Zahlungen ein. 1991 wurde mit der französischen Regierung eine Einigung über die Rückzahlung der geleisteten Anzahlung und die Aufhebung der iranischen Rechte auf Lieferung angereicherten Urans erreicht: Frankreich erstattete der Islamischen Republik Iran 1,6 Milliarden US-Dollar, im Gegenzug verzichtete Iran auf jegliche Lieferung angereicherten Urans.
Neben den Kooperationsabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland (1976) und Frankreich (1977) erwarb Iran 1976 Anteile an einer neu entdeckten Uranmine in Südwestafrika, heute Namibia, die von der britischen Rio Tinto Group und der deutschen Urangesellschaft betrieben wird.[16] An der Urangesellschaft sind heute die französische Cogema, die E.ON, die STEAG und die EnBW beteiligt.
Fortsetzung folgt...