Nicht Russland, sondern die UdSSR hat Tschechien befreit
Russland, das sich selbst in der Nachfolge der Sowjetunion sieht, wird auch in diesem Jahr eine abscheuliche Siegesparade auf dem Roten Platz abhalten, angeführt von dem international gesuchten Kriegsverbrecher Wladimir Putin. An seiner Seite auf dem Roten Platz zu stehen, wie es zum Beispiel der slowakische Premierminister Robert Fico plant, hat nichts mit dem Gedenken an die Rotarmisten zu tun, die im Kampf gegen die Nazis bei der Befreiung Mitteleuropas gefallen sind.
Denn einen wesentlichen Anteil an der Befreiung hatten auch ukrainische Soldaten der Roten Armee, und an der Spitze der Sowjetunion stand ein Georgier, J.W. Stalin. Und den Nationalsozialismus besiegten nicht die Russen, sondern die UdSSR und die Völker der damaligen Sowjetunion – zusammen mit den westlichen Alliierten.
Deshalb sollten die Tschechen bei der Erinnerung an den 80. Jahrestag der Befreiung als Reaktion auf Putins Umschreiben der modernen Geschichte nicht selbst mit Tatsachenverdrehungen antworten und das Kriegsende nicht ausschließlich als Befreiung der tschechischen Länder durch die US-Armee darstellen. Die Amerikaner haben tatsächlich den Westen des heutigen Tschechiens befreit. Das trug dazu bei, dass sich etwa ein Jahr später alle fremden Armeen, einschließlich der sowjetischen, aus der Tschechoslowakei zurückzogen und das Land für zwanzig Jahre zur einzigen von der sowjetischen Armee nicht besetzten Nation Mitteleuropas wurde. Dass sich die Tschechen dann 1946 bei nahezu freien Wahlen als einziges Volk der Welt Kommunisten an die Spitze wählten – damals bereits jahrelang von Moskau gesteuert –, ist ein anderes Kapitel. Genauso wie die sowjetische Okkupation im August 1968.
Jetzt aber gedenken wir des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa im Mai 1945, des Sieges über den Nationalsozialismus. Ein Sieg, an dem die sowjetische Armee maßgeblichen Anteil hatte – in unserem Teil Europas sogar den entscheidenden. Es war jedoch eine Armee, in der Russen, Ukrainer, Belarussen und viele weitere Völker der UdSSR kämpften. Ihnen halfen zudem auch Armeen der Tschechoslowakei, Rumäniens oder Polens.
Trotz aller Schattenseiten – angefangen bei der Rache an den Deutschen bis hin zur Deportation tschechischer Bürger russischer, ukrainischer und anderer Nationalitäten in Gulags und Gefängnisse – waren es im Jahr 1945 vor allem Tage der Befreiung, des Friedens und der Hoffnung. Danken wir jenen, die uns Tschechen diese Hoffnung und diesen Frieden brachten. Und vor allem jenen, die in gutem Glauben ihr Leben dafür ließen – insbesondere den sowjetischen Soldaten.
Der Autor ist Europa-Redakteur der Tageszeitung Deník
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