von Edelknabe » 26. Oktober 2011, 17:07
Das war das Gemütliche an der DDR Jörg, der Werktätige wurde als Mensch gesehen und nicht als Sklave seiner eigenen Arbeit. Und ohne Frage, viele Arbeitsbedingungen waren mehr als widrig, dafür haben Menschen mit ihrer Gesundheit bezahlt auch in dieser DDR.
Ohne einmal auf die Texte von Dille und Peter(Transitfahrer) jetzt einzugehen, das mach ich auch noch hier eine schöne Geschichte zu des Autors Aussage in dem Link von Interessierter vom gestrigen Tag um 15.31 Uhr.
"Offiziell gab es keine Obdachlosen, einige kurzzeitige Fälle waren mir aber bekannt"...in dieser DDR(füge ich an noch an)
Dazu nehme ich die Geschichte(hier aus einem anderen Fred )von meinem Freund Rudi in den 80er Jahren her und erzähle sie. Wo er heute wohnt? Keine Ahnung, und sollte er noch lebend unter uns weilen oder auch nicht widme ich sie ihm, meine erste selbstverfasste Geschichte, ihm und den vielen Frauen, die der schöne Rudi beglückte.
Ich nenne sie Kumpanei ist Lumperrei von Rainer Maria Rohloff
Rudi kam zu uns, da war ich schon eine Weile in diesem Privatbetrieb beschäftigt, über den ich hier schon einmal oder mehrmals geschrieben habe. Er war ein „ Ungelernter“, das hieß einer, der sich aus irgendwelchen Gründen in den Bereich der Privatwirtschaft zurück gezogen hatte. Derer Gründe gab es in den 70 / 80er Jahren in der DDR viele, eventuell aktuelle Ausreiseanträge, Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehova, ehemalige Konfirmanden, Politikverweigerer ohne oder mit Hang zu Oppositionsgedanken, Einzelkämpfer so wie mich, Leute vom anderen Ufer und Krankheiten wie leichte und schwere Alkoholsucht, wohl bemerkt, damals war das noch keine anerkannte Krankheit, eher ein Laster und noch X andere Gründe mehr. Es war eine Nische im Arbeiter und Bauernstaat, in der sich gut leben ließ, gehe ich einmal von mir aus.
Rudi gehörte zu den leichten Laster- Fällen und was er früher einmal gearbeitet hatte weiß ich heute nicht mehr, nur Eines weis ich noch, sein ehemaliger Chef war ein „ Kleiner alter Krauter“. So nannte man die, die schon immer private Betriebe in Erbfolge betrieben, so ab 18. Jahrhundert bis mitten in die DDR hinein. Die, die nach 1945 blieben, ich nenne Sie die Bodenständigen. Man ließ sie Werkeln oder Schaffen, die Republik war auf sie angewiesen. Ob gut oder schlecht lag wohl an jedem selbst, an seinem diplomatischen Draht zu den „ Obersten Zehntausend“ und den Kombinaten. Die Großen mit bis zu 100 Beschäftigten verstaatlichte man ab Anfang der 70er Jahre oder besser ausgedrückt auf den Stuhl des Direktor kam ein geschulter Leiter mit Bonbon am Revers, für die Schüler als Erklärung, das war das Parteiabzeichen der SED. Der Alteigentümer konnte bleiben aber ohne Funktion weiter mitschaffen.. So im Nachhinein betrachtet war es ein Fehler, diese ganze Verstaatlichungsaktion, meine ich. Aber Fehler sind menschlich.
Unsere Auftragslage im Kleinstbetrieb war gut, mehr wie gut und so wurde für die Helfertätigkeiten jede Hand gebraucht. Am Anfang merkte ich nichts, ach so, ich vergaß noch zu schreiben, mir oblag die Funktion des Brigadier. So hieß das eigentlich im Volkseigenen Betrieb, beim Privatmann eher Vorarbeiter, der Westen sagt Polier dazu. Ist auch egal, es ist der, der sich mit dem Kunden, seinem Chef und mit seinen eigenen Kollegen herumärgert, es gehört jedenfalls eine gewisse Diplomatie dazu und ich dachte, die hätte ich. Wie gesagt, ich dachte….
Es passierte schon mal, das Rudi früh zu spät auf die Baustellen kam. Seine Ausreden waren immer sehr akkurat, und mein Chef Harald, der kam sowieso etwas später. Bei seiner jungen Frau war das menschlich, sie war eine studierte Ingenieurin, er übrigens auch und zwar für Automatisierung, und hatte den VEB satt, wollte mal etwas Anderes machen, aber was, das wusste sie auch nicht so richtig. Sie probierte noch und Harald brachte die Kohle, das Geld nach Hause. Wir waren immerhin stellenweise so bis zu acht Mann. Wenn man es so will, waren sie Beide „Ungelernte“, stürzten sich da auf ein völlig neues Feld aber sie hatten ja mich und meine Kollegen, wir waren die Fachleute, in der DDR sagte man Facharbeiter dazu.
Was wollten sie mehr, Harald hatte zwei linke Hände aber war ein guter Kaufmann, Bruni führte die Bücher, sie führte sie gut. Mein Lohn stimmte, und der, der Anderen auch..
Mein Chef, damals noch mein Freund sagte einmal zu mir: „ Eigentlich sind wir schön blöd, das wir so mühevoll produktiv Schaffen, Handel bringt doch viel mehr ein“. Am Wochenende, wenn ich zum Pfuschen fuhr, holte er vom Großhandel drei Fässer rote Limonade, stellte sich bei Veranstaltungen vor das Zentralstation in Leipzig und verkaufte das Brausewasser mit sehr gutem Gewinn, er hatte wohl damals schon leichte Aldi-Gene im Blut. Keine Behörde wollte eine Standgebühr von ihm haben ,und wenn, waren es nur Pfennige.
„Schlechte Zahlungsmoral“, diese zwei Worte gehörten in meinem Land zu den Fremdwörtern, aber das hatte ich meinem Handwerksfreund Transitfahrer schon einmal geschrieben. Natürlich, Peter, in deinem Westdeutschland auch, zumindest vor1989 , erst danach fing der Ärger mit den säumigen Zahlern an. Jedenfalls war ich froh, das Rudi kam, wenn auch verspätet kam, manchmal schon mit leichter Alkoholfahne aber egal, auf Arbeit trank er selten, eher viel Kaffee..
Jetzt werden manche sagen, ja, ja der Alkohol und die DDR. Dazu ein kleines Gegenbeispiel. Nach der Wende, nach 1990 war ich im Zuge meines Berufes mehrere Jahre in Brauereien der alten Bundesländer unterwegs, dort standen die Bierkästen im Frühstücks und Mittagsraum gestapelt zum Zugreifen herum und……Lange Rede, kurzer Sinn. Gesoffen wurde hüben und drüben während der Arbeit und das nicht zu knapp. Das war doch das mit dem „ an die eigene Nase fassen“, Peter, mein Freund, aber ich schweife ab.
Es kam der Tag, da kam Rudi früh nicht, nicht später, nicht Mittag, überhaupt nicht. Mein Chef Harald gab mir die Adresse, es lag auf meinem Weg und so fuhr ich nach der Arbeit vorbei. Wieder eine Episode aus meinem vorherigen VEB- Betrieb. Langschläfer, die früh nicht aus dem Bett kamen wurden in der DDR geholt, auf Arbeit geholt! Müller, Meier, Schulze bekamen den Auftrag und sofern Derjenige nicht sehr weit weg wohnte standen sie bei ihm auf der Matte und er musste mit! So einfach war das, dieser Paragraph für die „ Arbeitsscheuen“ war für die Harten Fälle. Man nannte das auch „ Hilfe zur Selbsthilfe“. Und meistens half es. Ich nenne es eine gute erzieherische Maßnahme so leicht an der individuellen Freiheit vorbei. Was bringt mir die individuelle Freiheit, wenn ich durch mein eigenes Versagen arbeitslos werde, rausgeworfen werde, also wurde sie mal kurz ignoriert, die persönliche Freiheit, dieser Kaugummi mit Fruchtgeschmack. Natürlich wurde man in der DDR nicht vor das Werkstor gesetzt wie im Westen, es wurden Aussprachen geführt mit der Gewerkschaftsleitung, dem Meister, der Parteileitung……Bis die Sache fruchtete oder kleine Erfolgesblüten zeigte oder eine Alternative gefunden wurde. Bei Totalverweigerung gab es ja noch den Paragraphen, das Arbeitshaus und einige Sachen mehr.
Zu Rudi zurück, in dem Neubaugebiet im Leipziger Westen öffnete eine nicht mehr ganz so junge Frau , Rudi war damals so Mitte 40, sie war wohl etwas älter.
Rudi, nein, der war schon drei Wochen nicht mehr hier, von einer anderen Frau war die Rede. Meine Frage nach der Adresse, sie nannte mir die Kneipe, wo er zu finden war.
Da klingelte es noch nicht bei mir, das Rudi ein Freund der Frauen war. Sie liebten ihn, er liebte sie, konnte reden wie ein Buch, war ein Charmeur und er hatte die gewisse Lebenserfahrung und keine feste Adresse.
Post von der Behörde so wie bei Monika in der schönen Westgeschichte, die kam wohl nie bei ihm an, die Wahlen und noch vieles Andere mehr konnte ihm gestohlen bleiben. Rudi war ein freier Mann, verpflichtet nur sich selbst, einem kleinen Unterhaltsanspruch, den die Chefin für ihn regelte und der da oben konnte ihn auch. Er blieb immer so lange als Logiergast bei seinen Frauen, bis der mit dem Hausbuch auftauchte zwecks eintragen. Da war Rudi weg. Meistens fuhr ich seine Umzüge, sein Habe, acht Beutel und ein alter Koffer passten in den Trabbikofferraum. Einige Wohnungen sah ich, darauf konnte der entwickelte sozialistische Staat wahrlich nicht besonders stolz sein. Aber schlampige Menschen mit dem Hang zur Unordnung hatten Ost und West und haben sie auch heute noch. Jedes Mal litt ich mehr wie er, wenn ich die verweinten Augen von Erika, Petra, Helga, Doris und Angelika sah. Ich war der Seelentröster an der Wohnungstür, da war Rudi schon mit dem packen des Kofferraum beschäftigt
Seine Gastspiele auf Arbeit wurden selten und seltener aber Harald brauchte jeden Mann und biß in den sauren Apfel, Arbeitskräfte in der Privatwirtschaft wurden mit Gold aufgewogen, auch die, die wenig anwesend waren und so behielt er ihn.
Nur Rudi hatte permanenten Geldbedarf durch die Frauen, die wenigen Gastspiele und das viele Bier, die Zigaretten und den Schnaps, mein Chef kannte das Wort „ Vorschuss“ nicht und so kam er zu mir. Der mit dem großen Herzen gab ihm und ich hatte Glück, dauerte es auch öfters Monate so stand Rudi irgendwann Abends auf der Matte und brachte das geborgte Geld zurück.
Von wem er sich neu borgte, das war mir völlig egal.
Ich vergaß, er war Kettenraucher und konnte von fünf Mark der DDR und weniger am Tag incl. Glimmstengel und Essen leben aber damals haben die Brötchen noch fünf Pfennige gekostet und das Bier so um die vierzig Pfennige.
Immer war Rudi auf der Suche, von einer Schönen zur nächsten Gaststättenschönheit, lag dem Staat nicht auf der Tasche so wie die Sozialhilfefälle des goldenen Westen sondern eher mir und seinen einsamen Mädels, kam zurecht oder auch nicht und einmal, als ich ihn in einer seiner vielen Gaststätten besuchte, sagte er schon nicht mehr ganz nüchtern zu mir: Merke Dir eines gut mein Junge, denn ich war so um die fünfzehn Jahre jünger wie er „ Kumpanei ist Lumperrei“ Erst dachte ich, Erich Honecker und seine Milliarden- Kreditfreunde im Westen waren gemeint,. weit gefehlt, er meinte seinen alten Krauter vom Anfang damit. Und es war wohl auf mich und meinen Chef gemünzt weil wir am Anfang sehr dicke Freunde waren. Mein Freund Rudi behielt Recht, die Freundschaft mit Harald hielt nur bis 1990, dann trennten wir uns. .Ich zog von Leipzig weg und wie gesagt, Rudi sah ich nie wieder, den alten Casanova und Lebenskünstler. Meinen ehemaligen Chef übrigens in den ganzen Jahren nur einmal, da waren wir wieder für den Zeitraum eines Kaffee dicke Freunde.
Namen wurden mit Rücksicht auf die handelnden Personen geändert.
Rainer-Maria