»Alles für Berlin«

Wie entwickelte sich die Wirtschaft der DDR, wie die der Bundesrepublik während der Teilung Deutschlands. Welche Anzeichen gab es für die Entwicklung? Was waren die Ursachen?
Hier der Bereich für alle wirtschaftlichen Themen.

»Alles für Berlin«

Beitragvon Interessierter » 18. Juli 2016, 10:55

Die Versorgungsprobleme im Alltag der DDR

Seit ihrer Existenz bestimmten Versorgungsprobleme den Alltag in der DDR. In den Archiven findet sich kaum ein Bericht, in dem nicht über Probleme bei der Versorgung mit den tausend kleinen und zehn großen Dingen des täglichen Lebens berichtet wird und Wut und Ärger der Bürger über die alltägliche Mühsal beim Einkauf vermittelt werden.
Für den Konsumfrust vieler DDR-Bürger war nicht nur die desolate Versorgungssituation ausschlaggebend, sondern zunehmend sorgten die offensichtlichen Ungerechtigkeiten bei der Verteilung der Waren für Unmut und Unverständnis.


Hatte man bis 1958 über die Rationierungen noch eine gewisse Verteilungsgerechtigkeit aufrechterhalten können, spitzte sich die Lage in den folgenden Jahren und Jahrzehnten trotz vieler wohlgemeinten Programme und Pläne zu. Dabei stand nicht nur das immer wieder beschworene »Wohl des werktätigen Volkes« im Mittelpunkt der Überlegungen. Nach den Ereignissen des 17. Juni 1953 fürchtete die SED-Führung die »systemsprengende Kraft« ungelöster Versorgungsprobleme und unbefriedigter Konsumwünsche.

Aber nicht nur die berüchtigten und überall fehlenden Mangelwaren wurden zum Reizthema; Intershop, Delikat und Exquisit heizten die Stimmung ebenso an wie die bevorzugte und kaum verhohlene Versorgung Berlins. Als Hauptstadt der DDR sollte die Stadt zu einem attraktiven Schaufenster des Sozialismus gestaltet werden, das den via Westberlin einreisenden Tagestouristen ein ansprechendes Bild vom Leben in der DDR vorführen sollte.

Das hieß, Berlin war vor anderen Gebieten der DDR auf- und auszubauen.

Während aus den Bezirken an das Ministerium für Handel und Versorgung bereits seit Jahren über Mangelwaren und Engpässe berichtet wurde, erreichte das volle Ausmaß der Versorgungsprobleme Berlin erst in den achtziger Jahren. Nunmehr mussten die Verantwortlichen für die bevorzugte Versorgung Berlins selbst hier den Offenbarungseid leisten und die ungesicherte Versorgung in vielen Bereichen melden: »[...] Bei folgenden Sortimenten reicht der zur Verfügung stehende Warenfonds nicht aus, um täglich stabil zu versorgen.

– Die ständig steigende Nachfrage nach Joghurt, H-Milch, Berliner Pils läßt mit den verfügbaren Kapazitäten bei diesen Sortimenten kein durchgängiges Angebot zu.
[...] Bei Dauerbackwaren kann trotz einer Steigerung des Warenfonds auf 108,4% mit solchen Positionen wie Lebkuchen, gefüllte Waffeln, Keks, Salzbrezeln, Eiswaffeln nicht ausreichend versorgt werden.

– Kakaoerzeugnisse und Zuckerwaren sind insgesamt ausreichend vorhanden. besonders gefragte Artikel wie Pralinen, Nougat- und Marzipanerzeugnisse und Süßtafeln können nicht immer angeboten werden.

[...] Die nicht ausreichende Versorgung mit kochfertigen Suppen, Soßen, Brühwürfeln und gekörnter Brühe wird sich auch im 2. Halbjahr 1988 fortsetzen.

– bei Wein und Sekt hält der hohe Abkauf durch die Bevölkerung weiter an. Der bereitstehende Warenfonds bei Sekt läßt nicht in allen Verkaufsstellen ein ständiges Angebot zu. Auch bei Wein wird zeitweise ein eingeschränktes Angebot zur Verfügung stehen.

– Im Sortiment der haushaltchemischen und kosmetischen Erzeugnisse kann insgesamt ein ausreichendes Angebot gewährleistet werden. Bei dekorativer Kosmetik werden trotz Warenfondssteigerungen gegenüber 1987 solche Artikel wie Lippenstifte und Nagellack in besonders gefragten modischen Farben, Haarfarben und -tönungen sowie ausgewählt Cremes nicht immer für die Bevölkerung im vollen Sortiment vorhanden sein.«15

Als die Versorgungsmängel schließlich Berlin erreicht hatten, galt dies als Zeichen, dass die DDR wirtschaftlich keinen Spielraum mehr hatte.


Der vollständige, längere Beitrag hier:
http://www.horch-und-guck.info/hug/arch ... -kaminsky/
Interessierter
 

Re: »Alles für Berlin«

Beitragvon Werner Thal » 18. Juli 2016, 11:41

Auszug aus Wikipedia:

"In der DDR wurde die Lebensmittelkarte bis Mai 1958 benutzt. Ihre Abschaffung hatte eine
Veränderung im Preis- und Steuersystem zur Folge, die für die nicht abhängig Tätigen eine Verschlechterung
bedeutete, denn sie war zugleich eine Subvention gewesen. Die als "Bezugsberechtigung-
Speisekartoffeln" bezeichneten Kartoffelkarten wurden erst 1966 angeschafft. Ende der 1960er
Jahre wurden die Kohlenkarten ohne inhaltliche Änderungen von "Hausbrandkarte "in Gutschein
zum Bezug von Braunkohlenbriketts zum staatlich gestützten ortsüblichen Grundpreis" umbenannt.
Der Kohlenmehrbedarf konnte zum HO-Preis bezogen werden. Dieses Verfahren wurde bis zum Ende
der DDR beibehalten.
Anfang der 1960er Jahre führte eine krisenhafte Versorgungslage dazu, dass in der DDR bestimmte
Lebensmittel wie Butter und Fleisch zeitweise erneut rationiert wurden.
Man bekam sie dann an seinem Wohnort gegen Vorzeigen eines geschäftsgebundenen Kundenausweises.
Bei Urlaub oder auswärtigen Aufenthalten war eine Ummeldebescheinigung des heimischen Händlers
vorzulegen. Diese Rationierung wurde für einige Jahre verlängert.

In Ost-Berlin musste vor Errichtung der Mauer grundsätzlich bei Einkäufen oder der Inanspruchnahme von
Dienstleistungen, die nicht der Rationierung unterlagen, der Personalausweis vorgelegt werden,
andernfalls wurde Westgeld verlangt."

W. T.
Wer einen Rechtschreibfehler findet, darf ihn behalten.
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Re: »Alles für Berlin«

Beitragvon Harsberg » 18. Juli 2016, 12:31

In Ost-Berlin musste vor Errichtung der Mauer grundsätzlich bei Einkäufen oder der Inanspruchnahme von
Dienstleistungen, die nicht der Rationierung unterlagen, der Personalausweis vorgelegt werden,
andernfalls wurde Westgeld verlangt."


Da muss ich aber widersprechen, ich war vor 1961 öfters in Ost-Berlin, der Perso wurde nur selten verlangt,
und wenn haben wir ihn gezeigt und konnten einkaufen!!
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Re: »Alles für Berlin«

Beitragvon dein1945 » 19. Juli 2016, 09:25

Harsberg hat geschrieben:
In Ost-Berlin musste vor Errichtung der Mauer grundsätzlich bei Einkäufen oder der Inanspruchnahme von
Dienstleistungen, die nicht der Rationierung unterlagen, der Personalausweis vorgelegt werden,
andernfalls wurde Westgeld verlangt."


Da muss ich aber widersprechen, ich war vor 1961 öfters in Ost-Berlin, der Perso wurde nur selten verlangt,
und wenn haben wir ihn gezeigt und konnten einkaufen!!


Ich auch ! Mich hat da nie einer im Konsum nach einen Ausweis gefragt, der Gemüseonkel kannte mich, der Bäcker auch, obwohl jeder wußte ich komm aus WB. Ich hab mir sogar Piko Lokomotiven bei Rautenberg am Königstor gekauft oder z.B. eine Penti-Kamera kostete in OB 99 Ostmark, in WB 49 DM !

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Re: »Alles für Berlin«

Beitragvon Wosch » 19. Juli 2016, 10:05

Ich widerspreche dem aber nicht.
Die Ausweis-Zeigepflicht war in den Jahren vor dem Mauerbau in Ostberlin schon gängiger Fakt, wurde allerdings nur bei etwas höherwertigen Waren strickt eingehalten. Zeiss-Ferngläser und spezielle Kameras wurden auch schon mal beim Kauf im DDR-Personalausweis eingetragen. Aber das war wie gesagt in den 50er Jahren, nach dem 13. August 1961 entfielen diese Massnahmen da das Rausschmuggeln von lohnenswerten Dingen nicht mehr so leicht zu bewerkstelligen wurde.
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Re: »Alles für Berlin«

Beitragvon Bahndamm 68 » 20. Juli 2016, 09:43

Ist zwar nicht passend für den Inhalt, aber dennoch in oder aus Berlin.
Gestern war oder auch heute noch auf der russischen Botschaft die Fahne aus Halbmast. Wegen Olympiade oder warum?
DSC_0001.jpg

DSC_0002.jpg
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Re: »Alles für Berlin«

Beitragvon Interessierter » 12. November 2020, 10:44

Bau-Boom in Ost-Berlin - "Wellkemm tu se käpitell"

Fernsehturm, Centrum-Warenhaus und bulgarische Stripperinnen: Mit aller Macht versuchten Walter Ulbricht und Erich Honecker ab den sechziger Jahren, Ost-Berlin auf "Weltniveau" zu bringen. Plattenbauten und ein pompöser Palast der Republik entstanden, während der Rest des Landes verfiel.

Das sollen 19 Fotos demonstrieren, die man hier findet:
https://www.spiegel.de/fotostrecke/bau- ... 07606.html
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Re: »Alles für Berlin«

Beitragvon zoll » 12. November 2020, 16:56

Aus eigenen Erleben kann ich berichten. Meine Cousine fuhr zur Deckung der Grundnahrungsmittel bis zum Mauerbau in den Osten von Berlin. Es war dort grundsätzlich billiger und durch Währungsgewinn noch günstiger. Nie hat es Probleme gegeben.
zoll
 

Re: »Alles für Berlin«

Beitragvon Bahndamm 68 » 12. November 2020, 18:00

Ich hatte jedes Jahr bis August 61 in West-Berlin meine Schulferien verbracht. Mit einer Cousine sind wir öfters in die Schönhauser Allee gefahren. Ich habe auf den Ladentisch im Fleischerladen meine Bestellliste gelegt. Doch einmal fragte man mich nach dem Ausweis und ich mußte meinen Pionierausweiß vorlegen. Im Pionierausweis stand aber Zeitz Bezirk Halle und automatisch kam dann die Frage, bei wem ich meine Schulferien verbringe. Das war meine Tante in Schönhauser Allee im 5. Stock. Es gab da eine Person, die in Ost-Berlin studierte. Ich wurde ja vorher auf solch eine Frage vorbereitet. Entsprechend kam meine Antwort überzeugend und so bekam ich mein Wurstpaket. In dem Laden habe ich mich dann später aber nicht mehr gewagt reinzugehen.
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